Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.Zum ersten Male verhielt sich die Regierung gegen alle Beschwerden, die In schroffem Gegensatze zu dieser Gunst gegen den Ultramontanismus Der letzte Zweifel über die kirchlichen Anschauungen der Regierung mußte Zum ersten Male verhielt sich die Regierung gegen alle Beschwerden, die In schroffem Gegensatze zu dieser Gunst gegen den Ultramontanismus Der letzte Zweifel über die kirchlichen Anschauungen der Regierung mußte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0054" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140933"/> <p xml:id="ID_167"> Zum ersten Male verhielt sich die Regierung gegen alle Beschwerden, die<lb/> aus diesem Anlaß an sie gerichtet wurden, rein ablehnend. Selbst als die<lb/> Kreisdirektion zu Zmickau die Befürwortung der Vorstellungen übernahm,<lb/> welche Rath und Stadtverordnete zu Annaberg wegen der dortigen Jesuiten¬<lb/> geschichte an die Regierung richteten, erklärte die Regierung, daß dieser Vor¬<lb/> fall keinen Anlaß zum Einschreiten gegen die betr. katholische Behörde biete!</p><lb/> <p xml:id="ID_168"> In schroffem Gegensatze zu dieser Gunst gegen den Ultramontanismus<lb/> stand die rauhe Behandlung, die das Ministerium Kvnneritz nnn den Deutsch¬<lb/> katholiken gedeihen ließ. Die Anerkennung einer besonderen Religionsgemeinde<lb/> hatte die Regierung den Deutschkatholiken zwar auch bisher schon versagt.<lb/> Sie hatte verboten, daß Kirchen und Gemeindehäuser den Deutschkatholiken zu<lb/> deren Gottesdienste eingeräumt würden, und hatte den Predigern der Deutsch¬<lb/> katholiken jede kirchliche Handlung verboten. Dagegen hatte die Regierung<lb/> bisher klug durch die Finger gesehen, wenn diese dem Rechtsstandpunkt der<lb/> Negierung entsprechenden Gebote übertreten wurden. Sie hatte geschehen lassen,<lb/> daß kirchliche und bürgerliche Gemeinden ihre Räume den Deutschkatholiken zur<lb/> Verfügung stellten; daß die Prediger deutsch-katholisch tauften, daß die prote¬<lb/> stantischen Pfarrer derartige Akte in die Kirchenbücher eintrugen, daß die deutsch¬<lb/> katholischen Wanderprediger überall, vor Glaubensgenossen wie vor Anders¬<lb/> gläubigen Reden und Andachten hielten. Nun auf einmal wurde das Alles<lb/> anders, in Allem das Gebot der Regierung auf's strengste durchgeführt. Die<lb/> allgemeine Mißstimmung stieg daher um so bedenklicher, als der Rechtsstand¬<lb/> punkt der Regierung keineswegs unbestritten war und die aufgeklärten Prote¬<lb/> stanten des Landes überall dem Deutschkatholizismus des Landes begeistert<lb/> zugejubelt, ihn nach Kräften unterstützt hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_169" next="#ID_170"> Der letzte Zweifel über die kirchlichen Anschauungen der Regierung mußte<lb/> aber fallen und der Trägste und Gleichgültigste auch im Protestantische» Lager<lb/> aus seiner Ruhe aufgerüttelt werden, als die Regierung durch ihre berufene<lb/> Bekanntmachung vom 17. Juli 1845 erklärte „die Minister hielten sich durch<lb/> ihren Eid verpflichtet, für Aufrechthaltung der auf die Augsburgische Konfession<lb/> gegründeten Kirche zu sorgen, die Einheit derselben zu wahren und dem Ent¬<lb/> stehen von Sekten in solcher vorzubeugen." Damit war nicht blos, wie die<lb/> Regierung zunächst beabsichtigte, jenen dissidentischen und zugleich halb politi¬<lb/> schen glaubenslosen Sekten-Bestrebungen der „protestantischen Lichtfreunde"<lb/> die zu Pfingsten in Kochen eine Versammlung vieler Tausende abgehalten, und<lb/> dann in Schaaren Uhlig, Wislieenus und Anderen in Leipzig, Dresden und<lb/> Zwickau und wo diese sonst in Sachsen sich zeigten, zu Füßen gesessen hatten,<lb/> der Boden zu jeder weiteren, agitatorischen Thätigkeit entzogen. Nicht nur jede<lb/> Versammlung und Rede, jeder Zweigverein und jedes Preßvrgan dieser Nich-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0054]
Zum ersten Male verhielt sich die Regierung gegen alle Beschwerden, die
aus diesem Anlaß an sie gerichtet wurden, rein ablehnend. Selbst als die
Kreisdirektion zu Zmickau die Befürwortung der Vorstellungen übernahm,
welche Rath und Stadtverordnete zu Annaberg wegen der dortigen Jesuiten¬
geschichte an die Regierung richteten, erklärte die Regierung, daß dieser Vor¬
fall keinen Anlaß zum Einschreiten gegen die betr. katholische Behörde biete!
In schroffem Gegensatze zu dieser Gunst gegen den Ultramontanismus
stand die rauhe Behandlung, die das Ministerium Kvnneritz nnn den Deutsch¬
katholiken gedeihen ließ. Die Anerkennung einer besonderen Religionsgemeinde
hatte die Regierung den Deutschkatholiken zwar auch bisher schon versagt.
Sie hatte verboten, daß Kirchen und Gemeindehäuser den Deutschkatholiken zu
deren Gottesdienste eingeräumt würden, und hatte den Predigern der Deutsch¬
katholiken jede kirchliche Handlung verboten. Dagegen hatte die Regierung
bisher klug durch die Finger gesehen, wenn diese dem Rechtsstandpunkt der
Negierung entsprechenden Gebote übertreten wurden. Sie hatte geschehen lassen,
daß kirchliche und bürgerliche Gemeinden ihre Räume den Deutschkatholiken zur
Verfügung stellten; daß die Prediger deutsch-katholisch tauften, daß die prote¬
stantischen Pfarrer derartige Akte in die Kirchenbücher eintrugen, daß die deutsch¬
katholischen Wanderprediger überall, vor Glaubensgenossen wie vor Anders¬
gläubigen Reden und Andachten hielten. Nun auf einmal wurde das Alles
anders, in Allem das Gebot der Regierung auf's strengste durchgeführt. Die
allgemeine Mißstimmung stieg daher um so bedenklicher, als der Rechtsstand¬
punkt der Regierung keineswegs unbestritten war und die aufgeklärten Prote¬
stanten des Landes überall dem Deutschkatholizismus des Landes begeistert
zugejubelt, ihn nach Kräften unterstützt hatten.
Der letzte Zweifel über die kirchlichen Anschauungen der Regierung mußte
aber fallen und der Trägste und Gleichgültigste auch im Protestantische» Lager
aus seiner Ruhe aufgerüttelt werden, als die Regierung durch ihre berufene
Bekanntmachung vom 17. Juli 1845 erklärte „die Minister hielten sich durch
ihren Eid verpflichtet, für Aufrechthaltung der auf die Augsburgische Konfession
gegründeten Kirche zu sorgen, die Einheit derselben zu wahren und dem Ent¬
stehen von Sekten in solcher vorzubeugen." Damit war nicht blos, wie die
Regierung zunächst beabsichtigte, jenen dissidentischen und zugleich halb politi¬
schen glaubenslosen Sekten-Bestrebungen der „protestantischen Lichtfreunde"
die zu Pfingsten in Kochen eine Versammlung vieler Tausende abgehalten, und
dann in Schaaren Uhlig, Wislieenus und Anderen in Leipzig, Dresden und
Zwickau und wo diese sonst in Sachsen sich zeigten, zu Füßen gesessen hatten,
der Boden zu jeder weiteren, agitatorischen Thätigkeit entzogen. Nicht nur jede
Versammlung und Rede, jeder Zweigverein und jedes Preßvrgan dieser Nich-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |