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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Name an dieser Stelle bedeutete den Triumph der Reaktion. Das Ministerium
hatte dieser seiner Bedeutung entsprechend gehandelt: die Presse wurde ge¬
knebelt, mißliebige Schriftsteller wurden mit Ausweisung, Konzessionsentziehung,
Anklagen verfolgt; der Anspruch der II. Kammer des Landtags ans eine ent¬
scheidende Stimme bei der Gesetzgebung war von dem jetzigen Premier verhöhnt
worden, schon als dieser noch bloser Justizminister war.

Durch nichts jedoch war das verhaßte Ministerium von Könneritz unpo¬
pulärer geworden, als durch seine Haltung gegenüber den Ultramontanen, den
Deutschkatholiken und den Reformbestrebungen im protestantischen Lager.

Zunächst war die Klage über ultramontane und jesuitische Umtriebe im
Lande schon seit dem Jahre 1831 auf jedem Landtage erhoben worden. Die
Anträge, eine besondere katholische Fakultät zu begründen, und nur diejenigen
Erlasse katholischer Behörden mit gesetzlicher Gültigkeit zu versehen, welche sich
ausdrücklich auf das Plaeet des Staates berufen könnten, wurden schon unter
Lindenau abgelehnt. Und auch stete Klagen des Landes und der Landtage
über zunehmende Uebergriffe der katholischen Hierarchie waren schon unter
Lindenau vernommen worden. Entrüstet beschloß die zweite Kammer, daß pro¬
testantische Soldaten nicht mehr zur Kniebeugung in der katholischen Hofkirche
kommanoirt werden sollten. In scharfer Rede geißelte der ehrwürdige Super¬
intendent Großmann von Leipzig denselben Mißbrauch, die Härte der Regierung
gegen seinen Amtsbruder in Penig, als dieser ultramontane Umtriebe ans Licht
gezogen, das "auf Socken Einhergehen der hohen Behörden," wo es sich um
Uebergriffe der katholischen Hierarchie handle "als wenn sie glaubte, einen
Kranken oder Empfindlichen oder Reizbaren nicht im mindesten stören zu
dürfen." Diese Klagen veranlaßten selbst den Prinzen Johann, für den Weg¬
fall der Kniebeugung protestantischer Soldaten zu stimmen, "da die ersten
Protestantischen Geistlichen eine Beeinträchtigung ihrer Kirche darin fänden."

Kaum war indessen die Aufregung über diese Vorgänge im Schwinden
begriffen, so erscholl plötzlich der Alarmruf: "Jesuiten im Lande!" Hinter
dem Altar einer neuen Kirche in Annaberg fand man das bekannte jesuitische
Wahrzeichen, die Kirche selbst wurde dem vornehmsten, jesuitischen Schutzpatron
geweiht. In Brauna bei Camenz wurde ohne Wissen der Regierung eine
Filiale der Pariser Erzbruderschaft "vom unbefleckten Herzen Maria" zur Be¬
kehrung der Sünder errichtet. Eine Anzahl anderer gleichartiger Ueberhebungen
der ultramontanen Geistlichkeit,*) verstärkte die ungeheure Gährung, welche
diese Enthüllungen in der ganzen, namentlich in der protestantischen Bevölke¬
rung hervorrief.



*) Zu vergl, Biedermann, Sachs. Zustände, S> 309 fig. in der von ihm heraus¬
gegebenen Zeitschrift "Unsere Gegenwart und Zukunft/' 1346. Leipzig. Gustav Mayer.
Grenzboten 1378. IV. 7

Name an dieser Stelle bedeutete den Triumph der Reaktion. Das Ministerium
hatte dieser seiner Bedeutung entsprechend gehandelt: die Presse wurde ge¬
knebelt, mißliebige Schriftsteller wurden mit Ausweisung, Konzessionsentziehung,
Anklagen verfolgt; der Anspruch der II. Kammer des Landtags ans eine ent¬
scheidende Stimme bei der Gesetzgebung war von dem jetzigen Premier verhöhnt
worden, schon als dieser noch bloser Justizminister war.

Durch nichts jedoch war das verhaßte Ministerium von Könneritz unpo¬
pulärer geworden, als durch seine Haltung gegenüber den Ultramontanen, den
Deutschkatholiken und den Reformbestrebungen im protestantischen Lager.

Zunächst war die Klage über ultramontane und jesuitische Umtriebe im
Lande schon seit dem Jahre 1831 auf jedem Landtage erhoben worden. Die
Anträge, eine besondere katholische Fakultät zu begründen, und nur diejenigen
Erlasse katholischer Behörden mit gesetzlicher Gültigkeit zu versehen, welche sich
ausdrücklich auf das Plaeet des Staates berufen könnten, wurden schon unter
Lindenau abgelehnt. Und auch stete Klagen des Landes und der Landtage
über zunehmende Uebergriffe der katholischen Hierarchie waren schon unter
Lindenau vernommen worden. Entrüstet beschloß die zweite Kammer, daß pro¬
testantische Soldaten nicht mehr zur Kniebeugung in der katholischen Hofkirche
kommanoirt werden sollten. In scharfer Rede geißelte der ehrwürdige Super¬
intendent Großmann von Leipzig denselben Mißbrauch, die Härte der Regierung
gegen seinen Amtsbruder in Penig, als dieser ultramontane Umtriebe ans Licht
gezogen, das „auf Socken Einhergehen der hohen Behörden," wo es sich um
Uebergriffe der katholischen Hierarchie handle „als wenn sie glaubte, einen
Kranken oder Empfindlichen oder Reizbaren nicht im mindesten stören zu
dürfen." Diese Klagen veranlaßten selbst den Prinzen Johann, für den Weg¬
fall der Kniebeugung protestantischer Soldaten zu stimmen, „da die ersten
Protestantischen Geistlichen eine Beeinträchtigung ihrer Kirche darin fänden."

Kaum war indessen die Aufregung über diese Vorgänge im Schwinden
begriffen, so erscholl plötzlich der Alarmruf: „Jesuiten im Lande!" Hinter
dem Altar einer neuen Kirche in Annaberg fand man das bekannte jesuitische
Wahrzeichen, die Kirche selbst wurde dem vornehmsten, jesuitischen Schutzpatron
geweiht. In Brauna bei Camenz wurde ohne Wissen der Regierung eine
Filiale der Pariser Erzbruderschaft „vom unbefleckten Herzen Maria" zur Be¬
kehrung der Sünder errichtet. Eine Anzahl anderer gleichartiger Ueberhebungen
der ultramontanen Geistlichkeit,*) verstärkte die ungeheure Gährung, welche
diese Enthüllungen in der ganzen, namentlich in der protestantischen Bevölke¬
rung hervorrief.



*) Zu vergl, Biedermann, Sachs. Zustände, S> 309 fig. in der von ihm heraus¬
gegebenen Zeitschrift „Unsere Gegenwart und Zukunft/' 1346. Leipzig. Gustav Mayer.
Grenzboten 1378. IV. 7
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[0053] Name an dieser Stelle bedeutete den Triumph der Reaktion. Das Ministerium hatte dieser seiner Bedeutung entsprechend gehandelt: die Presse wurde ge¬ knebelt, mißliebige Schriftsteller wurden mit Ausweisung, Konzessionsentziehung, Anklagen verfolgt; der Anspruch der II. Kammer des Landtags ans eine ent¬ scheidende Stimme bei der Gesetzgebung war von dem jetzigen Premier verhöhnt worden, schon als dieser noch bloser Justizminister war. Durch nichts jedoch war das verhaßte Ministerium von Könneritz unpo¬ pulärer geworden, als durch seine Haltung gegenüber den Ultramontanen, den Deutschkatholiken und den Reformbestrebungen im protestantischen Lager. Zunächst war die Klage über ultramontane und jesuitische Umtriebe im Lande schon seit dem Jahre 1831 auf jedem Landtage erhoben worden. Die Anträge, eine besondere katholische Fakultät zu begründen, und nur diejenigen Erlasse katholischer Behörden mit gesetzlicher Gültigkeit zu versehen, welche sich ausdrücklich auf das Plaeet des Staates berufen könnten, wurden schon unter Lindenau abgelehnt. Und auch stete Klagen des Landes und der Landtage über zunehmende Uebergriffe der katholischen Hierarchie waren schon unter Lindenau vernommen worden. Entrüstet beschloß die zweite Kammer, daß pro¬ testantische Soldaten nicht mehr zur Kniebeugung in der katholischen Hofkirche kommanoirt werden sollten. In scharfer Rede geißelte der ehrwürdige Super¬ intendent Großmann von Leipzig denselben Mißbrauch, die Härte der Regierung gegen seinen Amtsbruder in Penig, als dieser ultramontane Umtriebe ans Licht gezogen, das „auf Socken Einhergehen der hohen Behörden," wo es sich um Uebergriffe der katholischen Hierarchie handle „als wenn sie glaubte, einen Kranken oder Empfindlichen oder Reizbaren nicht im mindesten stören zu dürfen." Diese Klagen veranlaßten selbst den Prinzen Johann, für den Weg¬ fall der Kniebeugung protestantischer Soldaten zu stimmen, „da die ersten Protestantischen Geistlichen eine Beeinträchtigung ihrer Kirche darin fänden." Kaum war indessen die Aufregung über diese Vorgänge im Schwinden begriffen, so erscholl plötzlich der Alarmruf: „Jesuiten im Lande!" Hinter dem Altar einer neuen Kirche in Annaberg fand man das bekannte jesuitische Wahrzeichen, die Kirche selbst wurde dem vornehmsten, jesuitischen Schutzpatron geweiht. In Brauna bei Camenz wurde ohne Wissen der Regierung eine Filiale der Pariser Erzbruderschaft „vom unbefleckten Herzen Maria" zur Be¬ kehrung der Sünder errichtet. Eine Anzahl anderer gleichartiger Ueberhebungen der ultramontanen Geistlichkeit,*) verstärkte die ungeheure Gährung, welche diese Enthüllungen in der ganzen, namentlich in der protestantischen Bevölke¬ rung hervorrief. *) Zu vergl, Biedermann, Sachs. Zustände, S> 309 fig. in der von ihm heraus¬ gegebenen Zeitschrift „Unsere Gegenwart und Zukunft/' 1346. Leipzig. Gustav Mayer. Grenzboten 1378. IV. 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/53>, abgerufen am 05.02.2025.