Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.der Wirren, welche aus der ungenügenden Regelung des Arbeitsverhältnisses in der Wirren, welche aus der ungenügenden Regelung des Arbeitsverhältnisses in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0506" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141385"/> <p xml:id="ID_1633" prev="#ID_1632" next="#ID_1634"> der Wirren, welche aus der ungenügenden Regelung des Arbeitsverhältnisses in<lb/> der heutigenWirthschaftsordnung entstanden sind, und in der That haben es<lb/> in früheren Jahren sehr einsichtige und hervorragende Volkswirthe, wie bei¬<lb/> spielsweise V. A. Huber, in dieser Weise aufgefaßt. Von anderer Seite wurden<lb/> daun freilich wieder ebenso einleuchtende, wie schwerwiegende Bedenken geltend<lb/> gemacht und namentlich praktische Versuche, auch solche, die von kundigen Händen<lb/> und in immerhin großem Maßstabe eingeleitet wurden, mißlangen mehr oder minder.<lb/> Die Folge war, daß die Gewiunbetheiligung in der öffentlichen Meinung auf<lb/> den Rang eiuer gänzlichen Utopie herabsank. Hierin hat nunmehr das Werk von<lb/> Böhmert wieder einen gewissen Umschlag hervorgebracht, indem es die Streit¬<lb/> frage aus dem Gebiete der Theorie, auf welchem sie bei den gleich gewichtigen<lb/> Gründen für und wider niemals zu lösen sein wird, auf den Boden der That¬<lb/> sachen stellte und an ihnen maß. Für diese dankbare und lehrreiche, aber<lb/> ebenso auch schwierige und umfassende Aufgabe war Böhmert, dessen Stärke<lb/> nicht sowohl auf dem Gebiete der Sozialwissenschaftlichen Theorie, als in der<lb/> individualisirenden, lokalisirenden, spezialisirenden Erfassung und Ergründung<lb/> wirthschaftlicher Einzelfragen liegt, ganz besonders geeignet. Er hat eine<lb/> Enquete über alle Länder der zivilisirten Welt veranstaltet, um die geschicht¬<lb/> liche Entwickelung und gegenwärtige Ausdehnung des Gewinnbetheiligungs¬<lb/> systems festzustellen; mit gleicher Sorgsamkeit hat er die einschlägige Literatur<lb/> ausgebeutet und eine Fülle theoretischer Gutachten seitens urtheilsfähiger Männer<lb/> der Praxis und der Wissenschaft eingeholt. Aus diesem weitschichtigen Material<lb/> hat er dann in seiner „Gewinnbetheiligung" ein gleicherweise wissenschaftlich<lb/> durchdachtes, wie angenehm lesbares und vielfach felbst unterhaltendes Werk<lb/> geschaffen. Er weist an 120 praktischen Fällen ans den verschiedensten Erwerbs¬<lb/> zweigen und Ländern nach, daß die Gewinnbetheiligung der Arbeitnehmer sich<lb/> zwar durchaus uicht an allen, aber doch an vielen Orten als ein wirksames<lb/> Mittel zur Verbesserung des Lohnsystems und zur Hebung der sozialen Zu¬<lb/> stände bewährt hat und bewährt. Daraus ergibt sich, daß der dem Antheil-<lb/> systeme zu Grunde liegende Gedanke zwar gesund und richtig ist, aber nicht<lb/> als neues weltbeglückendes Prinzip und unfehlbares Heilmittel sozialer Schäden<lb/> aufgefaßt werden darf, sondern nur als eine schon vielfach erprobte Lvsungs-<lb/> methode, deren Einführung in allen Fällen, in denen die Natur der Sache eine<lb/> Betheiligung ermöglicht, ebenso den Geschäfts- wie den Arbeiteriuteressen nütz¬<lb/> lich werden kann. Für seine Anwendung läßt sich bei der unendlichen Ver¬<lb/> schiedenheit der einzelnen Fälle keine einfache Formel und kein überall nach-<lb/> ahmenswerthes Modell aufstellen. Diese Hauptergebnisse der Untersuchungen<lb/> von Böhmert näher zu beleuchten, verbietet hier der Raum; mag das Werk<lb/> jedem nachdenksainen Leser empfohlen sein, welcher mit dem Verfasser in dem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0506]
der Wirren, welche aus der ungenügenden Regelung des Arbeitsverhältnisses in
der heutigenWirthschaftsordnung entstanden sind, und in der That haben es
in früheren Jahren sehr einsichtige und hervorragende Volkswirthe, wie bei¬
spielsweise V. A. Huber, in dieser Weise aufgefaßt. Von anderer Seite wurden
daun freilich wieder ebenso einleuchtende, wie schwerwiegende Bedenken geltend
gemacht und namentlich praktische Versuche, auch solche, die von kundigen Händen
und in immerhin großem Maßstabe eingeleitet wurden, mißlangen mehr oder minder.
Die Folge war, daß die Gewiunbetheiligung in der öffentlichen Meinung auf
den Rang eiuer gänzlichen Utopie herabsank. Hierin hat nunmehr das Werk von
Böhmert wieder einen gewissen Umschlag hervorgebracht, indem es die Streit¬
frage aus dem Gebiete der Theorie, auf welchem sie bei den gleich gewichtigen
Gründen für und wider niemals zu lösen sein wird, auf den Boden der That¬
sachen stellte und an ihnen maß. Für diese dankbare und lehrreiche, aber
ebenso auch schwierige und umfassende Aufgabe war Böhmert, dessen Stärke
nicht sowohl auf dem Gebiete der Sozialwissenschaftlichen Theorie, als in der
individualisirenden, lokalisirenden, spezialisirenden Erfassung und Ergründung
wirthschaftlicher Einzelfragen liegt, ganz besonders geeignet. Er hat eine
Enquete über alle Länder der zivilisirten Welt veranstaltet, um die geschicht¬
liche Entwickelung und gegenwärtige Ausdehnung des Gewinnbetheiligungs¬
systems festzustellen; mit gleicher Sorgsamkeit hat er die einschlägige Literatur
ausgebeutet und eine Fülle theoretischer Gutachten seitens urtheilsfähiger Männer
der Praxis und der Wissenschaft eingeholt. Aus diesem weitschichtigen Material
hat er dann in seiner „Gewinnbetheiligung" ein gleicherweise wissenschaftlich
durchdachtes, wie angenehm lesbares und vielfach felbst unterhaltendes Werk
geschaffen. Er weist an 120 praktischen Fällen ans den verschiedensten Erwerbs¬
zweigen und Ländern nach, daß die Gewinnbetheiligung der Arbeitnehmer sich
zwar durchaus uicht an allen, aber doch an vielen Orten als ein wirksames
Mittel zur Verbesserung des Lohnsystems und zur Hebung der sozialen Zu¬
stände bewährt hat und bewährt. Daraus ergibt sich, daß der dem Antheil-
systeme zu Grunde liegende Gedanke zwar gesund und richtig ist, aber nicht
als neues weltbeglückendes Prinzip und unfehlbares Heilmittel sozialer Schäden
aufgefaßt werden darf, sondern nur als eine schon vielfach erprobte Lvsungs-
methode, deren Einführung in allen Fällen, in denen die Natur der Sache eine
Betheiligung ermöglicht, ebenso den Geschäfts- wie den Arbeiteriuteressen nütz¬
lich werden kann. Für seine Anwendung läßt sich bei der unendlichen Ver¬
schiedenheit der einzelnen Fälle keine einfache Formel und kein überall nach-
ahmenswerthes Modell aufstellen. Diese Hauptergebnisse der Untersuchungen
von Böhmert näher zu beleuchten, verbietet hier der Raum; mag das Werk
jedem nachdenksainen Leser empfohlen sein, welcher mit dem Verfasser in dem
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