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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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immer stärkerer und umfangreicherer Befestigung strebte. Die Protestanten von
Languedoc, Guienne, der Provence und der Dauphine gingen soweit, noch zwei
Städte in jeder Provinz und eine Besatzung aus Leuten ihres Glaubens, für
deren Unterhalt der König sorgen sollte, und ein protestantisches Parlament
zu fordern. Gab es doch manche Protestanten, die von einem calvinischen
Freistaate, unabhängig von der' französischen Königswürde träumten, und hatte
sich doch die pcotestautische Partei so selbständig gestaltet, daß sie sich weigern
konnte, Heinrich IV. Heeresfolge im Krieg gegen Spanien zu leisten. Der
französische Protestantismus war durch und durch politisch geartet, so sehr, daß
nicht wenige an die Thronbesteigung Heinrich's IV. die Hoffnung auf die Er¬
richtung einer reformirten Staatskirche knüpften. Dies wird genügen, um deu
Beweis zu liefern, daß der französische Protestantismus nur durch die äußere
Nothwendigkeit davon abgehalten wurde, einen ebenso engen Zusammenhang
zwischen Staat und Kirche herzustellen, wie derselbe sich im protestantischen
Deutschland gebildet hatte, daß seine Intentionen aber auf dasselbe Ziel ge¬
richtet waren.*) Wir wenden uns nun nach Großbritannien. Von Schottland
sehen wir hier ab, da hier der Calvinismus Staatsreligion wurde; am 10.
Juli 1560 verbot das schottische Parlament den katholischen Gottesdienst.
Dagegen interessiren uns in hohem Maße die Puritaner England's. Wie
urtheilte nun ein John Milton. ein Oliver Cromwell über die Beziehung
zwischen Staat und Kirche, jene Männer, in denen Baumgarten die Bollender
der protestantischen Prinzipien erkennt! Es ist richtig, daß sie für die Glaubens¬
freiheit in tkssi eintraten, aber ein Milton will die Katholiken davon ausge¬
schlossen wissen, weil sie einem fremden Herrscher in Rom Gehorsam schuldig
seien und er es für widersinnig hielt, denen Freiheit zu gewähren, deren herrsch¬
süchtiges Streben nur auf Unterdrückung der Freiheit gehe. Und ebenso dachte
Cromwell. Der Katholizismus sollte in England keinen Raum finden. Eng¬
land seiner providentiellen Bestimmung als Schutz- und Großmacht des Pro¬
testantismus entgegen zu führen, die Weltherrschaft des Protestantismus anzu¬
bahnen: das war der Grundgedanke seiner auswärtigen Politik. Und seine
innere Kirchenpolitik? Es ist wahr, daß er keine protestantische Denomination
verfolgt hat, anfänglich gestattete er auch deu Episkopalisteu, nach ihrer Weise
Gottesdienst zu halten, und unterdrückte denselben erst, als von ihrer Seite
ein Empörungsversnch gemacht wurde. Aber dennoch wurde der Jndependen-
tismus von ihm bevorzugt, und die Presbyterianer klagten über Zurücksetzung



*) Vgl, G- Weber, Geschichtliche Darstellung des Calvinismus im Verhältniß zum
Staat in Genf und Frankreich bis zur Aufhebung des Edikts von Nantes, Heidelberg, 1886.

immer stärkerer und umfangreicherer Befestigung strebte. Die Protestanten von
Languedoc, Guienne, der Provence und der Dauphine gingen soweit, noch zwei
Städte in jeder Provinz und eine Besatzung aus Leuten ihres Glaubens, für
deren Unterhalt der König sorgen sollte, und ein protestantisches Parlament
zu fordern. Gab es doch manche Protestanten, die von einem calvinischen
Freistaate, unabhängig von der' französischen Königswürde träumten, und hatte
sich doch die pcotestautische Partei so selbständig gestaltet, daß sie sich weigern
konnte, Heinrich IV. Heeresfolge im Krieg gegen Spanien zu leisten. Der
französische Protestantismus war durch und durch politisch geartet, so sehr, daß
nicht wenige an die Thronbesteigung Heinrich's IV. die Hoffnung auf die Er¬
richtung einer reformirten Staatskirche knüpften. Dies wird genügen, um deu
Beweis zu liefern, daß der französische Protestantismus nur durch die äußere
Nothwendigkeit davon abgehalten wurde, einen ebenso engen Zusammenhang
zwischen Staat und Kirche herzustellen, wie derselbe sich im protestantischen
Deutschland gebildet hatte, daß seine Intentionen aber auf dasselbe Ziel ge¬
richtet waren.*) Wir wenden uns nun nach Großbritannien. Von Schottland
sehen wir hier ab, da hier der Calvinismus Staatsreligion wurde; am 10.
Juli 1560 verbot das schottische Parlament den katholischen Gottesdienst.
Dagegen interessiren uns in hohem Maße die Puritaner England's. Wie
urtheilte nun ein John Milton. ein Oliver Cromwell über die Beziehung
zwischen Staat und Kirche, jene Männer, in denen Baumgarten die Bollender
der protestantischen Prinzipien erkennt! Es ist richtig, daß sie für die Glaubens¬
freiheit in tkssi eintraten, aber ein Milton will die Katholiken davon ausge¬
schlossen wissen, weil sie einem fremden Herrscher in Rom Gehorsam schuldig
seien und er es für widersinnig hielt, denen Freiheit zu gewähren, deren herrsch¬
süchtiges Streben nur auf Unterdrückung der Freiheit gehe. Und ebenso dachte
Cromwell. Der Katholizismus sollte in England keinen Raum finden. Eng¬
land seiner providentiellen Bestimmung als Schutz- und Großmacht des Pro¬
testantismus entgegen zu führen, die Weltherrschaft des Protestantismus anzu¬
bahnen: das war der Grundgedanke seiner auswärtigen Politik. Und seine
innere Kirchenpolitik? Es ist wahr, daß er keine protestantische Denomination
verfolgt hat, anfänglich gestattete er auch deu Episkopalisteu, nach ihrer Weise
Gottesdienst zu halten, und unterdrückte denselben erst, als von ihrer Seite
ein Empörungsversnch gemacht wurde. Aber dennoch wurde der Jndependen-
tismus von ihm bevorzugt, und die Presbyterianer klagten über Zurücksetzung



*) Vgl, G- Weber, Geschichtliche Darstellung des Calvinismus im Verhältniß zum
Staat in Genf und Frankreich bis zur Aufhebung des Edikts von Nantes, Heidelberg, 1886.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/467>, abgerufen am 05.02.2025.