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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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sich damals nach Frankreich zurückziehen und allen Ernstes die Krone nieder¬
legen wollen, da dieselbe ihr eine "untolsradls buräsu" gewesen sei, während
die Königin in ihrer ersten Erregung nur an einen vorübergehenden Ausenthalt
in Frankreich gedacht hat, um hier ihre Niederkunft in Sicherheit und vor
jedem Gewaltstreich geschützt abzuwarten. Später änderte Maria Stuart ihren
Entschluß, nachdem sie entsprechende Vorsichtsmaßregeln für ihre Sicherheit
getroffen hatte. Murray und Argyle erhielten allein das Recht, im Kastell
von Edinburgh zu wohnen -- worüber Hosack sein äußerstes Erstaunen zu
erkennen gibt -- gerade weil sie die erklärtesten Gegner Darnley's waren.
Auch hieraus ergibt sich, daß damals das Verhältniß der Königin zu Bothwell
-- worauf ich sogleich zurückkommen werde -- noch kein intimes war. Das
Testament, welches Maria Stuart in dieser Zeit gemacht haben soll, wird
dann auch zuweilen als ein Beweis angeführt, daß sie sich mit Darnley völlig
ausgesöhnt und ihm seine Fehltritte vergeben habe, da ihm einige Werthgegen¬
stände darin zugewiesen sind. Abgesehen davon, daß dieses denn doch als ein
Beweis nicht gelten kann, möchte ich betonen, daß das Datum des Testa¬
mentes nicht bekannt ist und daß dasselbe weit früher abgefaßt sein kann.")
Befand sich Maria Stuart doch zur Zeit der Ermordung Riccio's bereits im
sechsten Monate der Schwangerschaft. --

Der Anfang eines ehebrecherischen Verhältnisses zu Bothwell wird ge¬
wöhnlich zu frühe angesetzt. Nicht ohne Grund betont hier Skelton, daß über
ein solches Verhältniß vor Darnley's Katastrophe sehr wenig oder fast gar
nichts in den verschiedenen Berichten -- namentlich bei Castelnau de Mauvis-
siere -- zu finden ist. Man findet auch in dieser Zeit kaum eine Andeutung,
daß Darnley sich eifersüchtig aus Bothwell gezeigt habe. Die späteren Ueber¬
treibungen Buchanan's müssen in der That zurückgewiesen werden. Der Beginn
der Neigung seitens der Königin, die sich dann rasch steigerte, wird etwa in
die Zeit der Taufe ihres Sohnes in Stirling festzusetzen sein. Jenem Besuche
Maria Stuart's in Jedburg wird meistens -- auch von Mignet und Burton --
eine übertriebene Bedeutung beigelegt. Maria erschien in Jedburg, um Gericht
zu halten, sie besuchte den in seinem Amte von einem Freibeuter schwer ver¬
wundeten Bothwell in der Hermitage, erst nachdem acht Tage vergangen waren,
und auch dann in Begleitung verschiedener Großen. Aber auch auf der anderen
Seite finden wir beschönigende Uebertreibungen.

Daß sich die Königin, wie dieses von Skelton betont wird, für Bothwell's



Das Testament ist verloren, dagegen ein Schmuck-Verzeichniß im Mind, registsr
iiouse gefunden worden, mit einer Randbemerkung der Königin, daß, wenn ihr Kind am
Leben bleibe, ihm alles zufallen, im anderen Falle die von ihr bezeichneten Personen die
einzelnen Schmuckgegenstände erhalten sollten-

sich damals nach Frankreich zurückziehen und allen Ernstes die Krone nieder¬
legen wollen, da dieselbe ihr eine „untolsradls buräsu" gewesen sei, während
die Königin in ihrer ersten Erregung nur an einen vorübergehenden Ausenthalt
in Frankreich gedacht hat, um hier ihre Niederkunft in Sicherheit und vor
jedem Gewaltstreich geschützt abzuwarten. Später änderte Maria Stuart ihren
Entschluß, nachdem sie entsprechende Vorsichtsmaßregeln für ihre Sicherheit
getroffen hatte. Murray und Argyle erhielten allein das Recht, im Kastell
von Edinburgh zu wohnen — worüber Hosack sein äußerstes Erstaunen zu
erkennen gibt — gerade weil sie die erklärtesten Gegner Darnley's waren.
Auch hieraus ergibt sich, daß damals das Verhältniß der Königin zu Bothwell
— worauf ich sogleich zurückkommen werde — noch kein intimes war. Das
Testament, welches Maria Stuart in dieser Zeit gemacht haben soll, wird
dann auch zuweilen als ein Beweis angeführt, daß sie sich mit Darnley völlig
ausgesöhnt und ihm seine Fehltritte vergeben habe, da ihm einige Werthgegen¬
stände darin zugewiesen sind. Abgesehen davon, daß dieses denn doch als ein
Beweis nicht gelten kann, möchte ich betonen, daß das Datum des Testa¬
mentes nicht bekannt ist und daß dasselbe weit früher abgefaßt sein kann.")
Befand sich Maria Stuart doch zur Zeit der Ermordung Riccio's bereits im
sechsten Monate der Schwangerschaft. —

Der Anfang eines ehebrecherischen Verhältnisses zu Bothwell wird ge¬
wöhnlich zu frühe angesetzt. Nicht ohne Grund betont hier Skelton, daß über
ein solches Verhältniß vor Darnley's Katastrophe sehr wenig oder fast gar
nichts in den verschiedenen Berichten — namentlich bei Castelnau de Mauvis-
siere — zu finden ist. Man findet auch in dieser Zeit kaum eine Andeutung,
daß Darnley sich eifersüchtig aus Bothwell gezeigt habe. Die späteren Ueber¬
treibungen Buchanan's müssen in der That zurückgewiesen werden. Der Beginn
der Neigung seitens der Königin, die sich dann rasch steigerte, wird etwa in
die Zeit der Taufe ihres Sohnes in Stirling festzusetzen sein. Jenem Besuche
Maria Stuart's in Jedburg wird meistens — auch von Mignet und Burton —
eine übertriebene Bedeutung beigelegt. Maria erschien in Jedburg, um Gericht
zu halten, sie besuchte den in seinem Amte von einem Freibeuter schwer ver¬
wundeten Bothwell in der Hermitage, erst nachdem acht Tage vergangen waren,
und auch dann in Begleitung verschiedener Großen. Aber auch auf der anderen
Seite finden wir beschönigende Uebertreibungen.

Daß sich die Königin, wie dieses von Skelton betont wird, für Bothwell's



Das Testament ist verloren, dagegen ein Schmuck-Verzeichniß im Mind, registsr
iiouse gefunden worden, mit einer Randbemerkung der Königin, daß, wenn ihr Kind am
Leben bleibe, ihm alles zufallen, im anderen Falle die von ihr bezeichneten Personen die
einzelnen Schmuckgegenstände erhalten sollten-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/449>, abgerufen am 05.02.2025.