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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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dieselbe. Am 16. Januar besetzte Fürst nitida ohne Kampf Dnleigno und
begann die Zernirung von Skutari. Beim Abschluß des Waffenstillstandes war
also in Albanien das ganze Gebiet zwischen dem Meere und dem See von
Skutari von der Montenegrinischen Grenze bis hinab zur Bojana in den Händen
der Montenegriner.

Kehren wir nach diesen Abschweifungen zu dem Kriegsschauplatz
am Balkan zurück. Am Ende Oktober stand südlich Plewna der General
Karzow mit der 3. russischen Division in und um Lowatz, der General
Gurko mit 2 Garde-Divisionen und zahlreicher Kavallerie südlich des am
28. Oktober genommenen Telisch,") beide mit der Aufgabe, ein Vorbrechen der
Türken aus den westlich von Tschipka gelegenen Balkanpässen zu hindern, wo¬
möglich aber selbst dieser Pässe und der Kammhöhe des Balkan sich zu be¬
mächtigen. Die russischen Truppen auf beiden Ufern des Wid waren zusammen
etwa über 50,000 Köpfe stark. Was die Türken in und hinter dem Balkan
bis einschließlich Sofia dieser Truppenmacht entgegenzustellen hatten, wurde
auf höchstens 30,000 Köpfe veranschlagt: Noch dazu waren hier fast nur Neu-
formatiouen vorhanden. Die in Betracht kommenden Paßwege waren von Ost
nach West der Rosalita-Paß, der Paß von Trojan, der Paß von Slatitza und
der Baba-Konak-Paß, letzterer mit einer größeren Straße.

Den ersten Vorstoß südwärts führte am 31. Oktober der General Karzow
nach Tetewen, ein kleines Detachement demonstrirte dabei von Trojan her.
Der eigentliche Angriffsplan kam zwar wegen Irrungen in dem dichten Nebel
nicht zur Durchführung, jedoch wurde gegen Abend eine nach Norden vorge¬
schobene türkische Schanze umgangen, die Türken flüchteten deshalb in die Stadt
und räumten diese am 1. November, indem sie schon früh 2 Uhr nach Orchanie
und Karlowo abzogen.

Am 2. November gewann die Avantgarde des General Gurko bei Pesch-
terua und Turski Jzvor, unweit des Wid, Fühlung mit den Truppen Karzow's,
drei Tage später erreichte sie auf der Chaussee nach Orchanie die stark be¬
festigte, aber von den Türken verlassene Stellung von J ablonitza und machte
hier, am Eingange der Gebirgsdefilcen zunächst Halt.

Eine Rekognoszirung vom 12. November stellte fest, daß Etropol, halb¬
wegs zwischen Tetewen und Orchanie, noch stark besetzt sei, eine andere vom
16. November fand den noch östlich Trojan gelegenen hohen Rosalita-Paß,
wahrscheinlich seiner Unwegsamkeit wegen nicht besetzt. Westlich der Vormarsch¬
linie Gurko's hatten die Türken in Wratza bedeutende Proviantvorräthe an¬
gesammelt. Gurko ließ den mit nur 800 Mann Infanterie und 300 Mann
Reiterei besetzten Ort am 9. November durch zwei starke Kavallerie-Detache-



*) Vergleiche S. 2S4 und 266.

dieselbe. Am 16. Januar besetzte Fürst nitida ohne Kampf Dnleigno und
begann die Zernirung von Skutari. Beim Abschluß des Waffenstillstandes war
also in Albanien das ganze Gebiet zwischen dem Meere und dem See von
Skutari von der Montenegrinischen Grenze bis hinab zur Bojana in den Händen
der Montenegriner.

Kehren wir nach diesen Abschweifungen zu dem Kriegsschauplatz
am Balkan zurück. Am Ende Oktober stand südlich Plewna der General
Karzow mit der 3. russischen Division in und um Lowatz, der General
Gurko mit 2 Garde-Divisionen und zahlreicher Kavallerie südlich des am
28. Oktober genommenen Telisch,") beide mit der Aufgabe, ein Vorbrechen der
Türken aus den westlich von Tschipka gelegenen Balkanpässen zu hindern, wo¬
möglich aber selbst dieser Pässe und der Kammhöhe des Balkan sich zu be¬
mächtigen. Die russischen Truppen auf beiden Ufern des Wid waren zusammen
etwa über 50,000 Köpfe stark. Was die Türken in und hinter dem Balkan
bis einschließlich Sofia dieser Truppenmacht entgegenzustellen hatten, wurde
auf höchstens 30,000 Köpfe veranschlagt: Noch dazu waren hier fast nur Neu-
formatiouen vorhanden. Die in Betracht kommenden Paßwege waren von Ost
nach West der Rosalita-Paß, der Paß von Trojan, der Paß von Slatitza und
der Baba-Konak-Paß, letzterer mit einer größeren Straße.

Den ersten Vorstoß südwärts führte am 31. Oktober der General Karzow
nach Tetewen, ein kleines Detachement demonstrirte dabei von Trojan her.
Der eigentliche Angriffsplan kam zwar wegen Irrungen in dem dichten Nebel
nicht zur Durchführung, jedoch wurde gegen Abend eine nach Norden vorge¬
schobene türkische Schanze umgangen, die Türken flüchteten deshalb in die Stadt
und räumten diese am 1. November, indem sie schon früh 2 Uhr nach Orchanie
und Karlowo abzogen.

Am 2. November gewann die Avantgarde des General Gurko bei Pesch-
terua und Turski Jzvor, unweit des Wid, Fühlung mit den Truppen Karzow's,
drei Tage später erreichte sie auf der Chaussee nach Orchanie die stark be¬
festigte, aber von den Türken verlassene Stellung von J ablonitza und machte
hier, am Eingange der Gebirgsdefilcen zunächst Halt.

Eine Rekognoszirung vom 12. November stellte fest, daß Etropol, halb¬
wegs zwischen Tetewen und Orchanie, noch stark besetzt sei, eine andere vom
16. November fand den noch östlich Trojan gelegenen hohen Rosalita-Paß,
wahrscheinlich seiner Unwegsamkeit wegen nicht besetzt. Westlich der Vormarsch¬
linie Gurko's hatten die Türken in Wratza bedeutende Proviantvorräthe an¬
gesammelt. Gurko ließ den mit nur 800 Mann Infanterie und 300 Mann
Reiterei besetzten Ort am 9. November durch zwei starke Kavallerie-Detache-



*) Vergleiche S. 2S4 und 266.
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[0411] dieselbe. Am 16. Januar besetzte Fürst nitida ohne Kampf Dnleigno und begann die Zernirung von Skutari. Beim Abschluß des Waffenstillstandes war also in Albanien das ganze Gebiet zwischen dem Meere und dem See von Skutari von der Montenegrinischen Grenze bis hinab zur Bojana in den Händen der Montenegriner. Kehren wir nach diesen Abschweifungen zu dem Kriegsschauplatz am Balkan zurück. Am Ende Oktober stand südlich Plewna der General Karzow mit der 3. russischen Division in und um Lowatz, der General Gurko mit 2 Garde-Divisionen und zahlreicher Kavallerie südlich des am 28. Oktober genommenen Telisch,") beide mit der Aufgabe, ein Vorbrechen der Türken aus den westlich von Tschipka gelegenen Balkanpässen zu hindern, wo¬ möglich aber selbst dieser Pässe und der Kammhöhe des Balkan sich zu be¬ mächtigen. Die russischen Truppen auf beiden Ufern des Wid waren zusammen etwa über 50,000 Köpfe stark. Was die Türken in und hinter dem Balkan bis einschließlich Sofia dieser Truppenmacht entgegenzustellen hatten, wurde auf höchstens 30,000 Köpfe veranschlagt: Noch dazu waren hier fast nur Neu- formatiouen vorhanden. Die in Betracht kommenden Paßwege waren von Ost nach West der Rosalita-Paß, der Paß von Trojan, der Paß von Slatitza und der Baba-Konak-Paß, letzterer mit einer größeren Straße. Den ersten Vorstoß südwärts führte am 31. Oktober der General Karzow nach Tetewen, ein kleines Detachement demonstrirte dabei von Trojan her. Der eigentliche Angriffsplan kam zwar wegen Irrungen in dem dichten Nebel nicht zur Durchführung, jedoch wurde gegen Abend eine nach Norden vorge¬ schobene türkische Schanze umgangen, die Türken flüchteten deshalb in die Stadt und räumten diese am 1. November, indem sie schon früh 2 Uhr nach Orchanie und Karlowo abzogen. Am 2. November gewann die Avantgarde des General Gurko bei Pesch- terua und Turski Jzvor, unweit des Wid, Fühlung mit den Truppen Karzow's, drei Tage später erreichte sie auf der Chaussee nach Orchanie die stark be¬ festigte, aber von den Türken verlassene Stellung von J ablonitza und machte hier, am Eingange der Gebirgsdefilcen zunächst Halt. Eine Rekognoszirung vom 12. November stellte fest, daß Etropol, halb¬ wegs zwischen Tetewen und Orchanie, noch stark besetzt sei, eine andere vom 16. November fand den noch östlich Trojan gelegenen hohen Rosalita-Paß, wahrscheinlich seiner Unwegsamkeit wegen nicht besetzt. Westlich der Vormarsch¬ linie Gurko's hatten die Türken in Wratza bedeutende Proviantvorräthe an¬ gesammelt. Gurko ließ den mit nur 800 Mann Infanterie und 300 Mann Reiterei besetzten Ort am 9. November durch zwei starke Kavallerie-Detache- *) Vergleiche S. 2S4 und 266.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/411>, abgerufen am 05.02.2025.