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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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John Knox, der Reformator, bei den neuesten Biographen Maria Stuart's
fort. Besonders Petit gießt die ganze Schale feines Zornes über ihn aus.
Wenn man auch zugestehen muß, daß Knox sich zu viel herausnahm und in
seinem Zelotismus, namentlich in seinen Ausdrücken, zu weit ging, so wird
man doch nicht ohne Lächeln bei Petit lesen, daß der Reformator bei seiner
Zusammenkunft mit der Königin "eher einer Bestie als einem Priester ge¬
glichen habe". Nicht ohne Geist, wenn auch etwas einseitig ist Gauthier's
Charakteristik von Knox.^) Er stellt ihn als Demagogen dar, der die Kanzel
zur Tribüne gemacht habe und den Staat, nicht die Kirche habe reformiren
wollen. "Er habe stets das Evangelium im Munde gehabt, aber nicht den
Geist desselben erkannt, er habe nie an Golgatha's Stätte gebetet, denn sein
Gott sei nur der Gott des Sinai gewesen." Nicht minder hart wird Darnley
beurtheilt. Die erbitterte Kritik dieses wankelmüthigen Menschen ist nicht ohne
Berechtigung, indessen trifft sie, wenn sie allzuweit geht, doch auch die Königin.
Skelton und Petit beschuldigen Darnley sogar geradezu gemeiner Liebschaften,
was nicht beglaubigt ist und durchaus verworfen werden muß, ja Petit ver¬
steigt sich zu der kühnen Behauptung, die wenigstens neu ist, daß Maria
Daruley aus Nothwendigkeit und nicht aus Liebe geheirathet habe. Auch seine
Trunkenheit wird übertrieben; der Bericht Drury's an Cecil spricht nur von
einem einzigen derartigen Falle. ^) Auf der anderen Seite muß hervorgehoben
werden, daß der intime Umgang Maria's mit Darnley vor ihrer Vermählung
ihr mit Unrecht von einigen Schriftstellern vorgeworfen morden ist. Rcmdolph,
gewiß nicht ihr Freund,-hat Leicester ansdrücklich in einem Briefe gewarnt,
solchen Gerüchten irgend welchen Glauben zu schenken.***)

Ueber die Verhandlungen mit Elisabeth bezüglich Maria's Verheirathung
gibt neben Gauthier vor allem Fronde neue und interessante Aufschlüsse.
Leicester's Versuche, die Protektion Philipp's II. durch Versprechungen bezüg¬
lich Wiederherstellung der katholischen Religion in England zu gewinnen, sowie
namentlich die Intriguen der Lady Lennox, die, von ungemeinem Ehrgeize be¬
seelt, ihr Haus zu einem Sammelplatze aller unzufriedenen Katholiken Eng¬
land's gemacht hatte, treten hier sehr scharf hervor. Die Verbindung Maria
Stuart's mit Darnley erscheint nach dem jetzt vorliegenden Materiale immer
mehr als ein sorgsam vorbereiteter Schlag der Katholiken, den nur wenige in
Schottland damals sogleich -- darunter Murray und Argyle -- als einen
solchen empfunden haben. Margaretha Lennox war die Seele der ganzen Jn-





Gauthier I. 120.
**) Drury ein Cecil, 16. Febr. 1666. KM), 32S.
Rcmdolph an Leicester, 31. Juli 166S.

John Knox, der Reformator, bei den neuesten Biographen Maria Stuart's
fort. Besonders Petit gießt die ganze Schale feines Zornes über ihn aus.
Wenn man auch zugestehen muß, daß Knox sich zu viel herausnahm und in
seinem Zelotismus, namentlich in seinen Ausdrücken, zu weit ging, so wird
man doch nicht ohne Lächeln bei Petit lesen, daß der Reformator bei seiner
Zusammenkunft mit der Königin „eher einer Bestie als einem Priester ge¬
glichen habe". Nicht ohne Geist, wenn auch etwas einseitig ist Gauthier's
Charakteristik von Knox.^) Er stellt ihn als Demagogen dar, der die Kanzel
zur Tribüne gemacht habe und den Staat, nicht die Kirche habe reformiren
wollen. „Er habe stets das Evangelium im Munde gehabt, aber nicht den
Geist desselben erkannt, er habe nie an Golgatha's Stätte gebetet, denn sein
Gott sei nur der Gott des Sinai gewesen." Nicht minder hart wird Darnley
beurtheilt. Die erbitterte Kritik dieses wankelmüthigen Menschen ist nicht ohne
Berechtigung, indessen trifft sie, wenn sie allzuweit geht, doch auch die Königin.
Skelton und Petit beschuldigen Darnley sogar geradezu gemeiner Liebschaften,
was nicht beglaubigt ist und durchaus verworfen werden muß, ja Petit ver¬
steigt sich zu der kühnen Behauptung, die wenigstens neu ist, daß Maria
Daruley aus Nothwendigkeit und nicht aus Liebe geheirathet habe. Auch seine
Trunkenheit wird übertrieben; der Bericht Drury's an Cecil spricht nur von
einem einzigen derartigen Falle. ^) Auf der anderen Seite muß hervorgehoben
werden, daß der intime Umgang Maria's mit Darnley vor ihrer Vermählung
ihr mit Unrecht von einigen Schriftstellern vorgeworfen morden ist. Rcmdolph,
gewiß nicht ihr Freund,-hat Leicester ansdrücklich in einem Briefe gewarnt,
solchen Gerüchten irgend welchen Glauben zu schenken.***)

Ueber die Verhandlungen mit Elisabeth bezüglich Maria's Verheirathung
gibt neben Gauthier vor allem Fronde neue und interessante Aufschlüsse.
Leicester's Versuche, die Protektion Philipp's II. durch Versprechungen bezüg¬
lich Wiederherstellung der katholischen Religion in England zu gewinnen, sowie
namentlich die Intriguen der Lady Lennox, die, von ungemeinem Ehrgeize be¬
seelt, ihr Haus zu einem Sammelplatze aller unzufriedenen Katholiken Eng¬
land's gemacht hatte, treten hier sehr scharf hervor. Die Verbindung Maria
Stuart's mit Darnley erscheint nach dem jetzt vorliegenden Materiale immer
mehr als ein sorgsam vorbereiteter Schlag der Katholiken, den nur wenige in
Schottland damals sogleich — darunter Murray und Argyle — als einen
solchen empfunden haben. Margaretha Lennox war die Seele der ganzen Jn-





Gauthier I. 120.
**) Drury ein Cecil, 16. Febr. 1666. KM), 32S.
Rcmdolph an Leicester, 31. Juli 166S.
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[0372] John Knox, der Reformator, bei den neuesten Biographen Maria Stuart's fort. Besonders Petit gießt die ganze Schale feines Zornes über ihn aus. Wenn man auch zugestehen muß, daß Knox sich zu viel herausnahm und in seinem Zelotismus, namentlich in seinen Ausdrücken, zu weit ging, so wird man doch nicht ohne Lächeln bei Petit lesen, daß der Reformator bei seiner Zusammenkunft mit der Königin „eher einer Bestie als einem Priester ge¬ glichen habe". Nicht ohne Geist, wenn auch etwas einseitig ist Gauthier's Charakteristik von Knox.^) Er stellt ihn als Demagogen dar, der die Kanzel zur Tribüne gemacht habe und den Staat, nicht die Kirche habe reformiren wollen. „Er habe stets das Evangelium im Munde gehabt, aber nicht den Geist desselben erkannt, er habe nie an Golgatha's Stätte gebetet, denn sein Gott sei nur der Gott des Sinai gewesen." Nicht minder hart wird Darnley beurtheilt. Die erbitterte Kritik dieses wankelmüthigen Menschen ist nicht ohne Berechtigung, indessen trifft sie, wenn sie allzuweit geht, doch auch die Königin. Skelton und Petit beschuldigen Darnley sogar geradezu gemeiner Liebschaften, was nicht beglaubigt ist und durchaus verworfen werden muß, ja Petit ver¬ steigt sich zu der kühnen Behauptung, die wenigstens neu ist, daß Maria Daruley aus Nothwendigkeit und nicht aus Liebe geheirathet habe. Auch seine Trunkenheit wird übertrieben; der Bericht Drury's an Cecil spricht nur von einem einzigen derartigen Falle. ^) Auf der anderen Seite muß hervorgehoben werden, daß der intime Umgang Maria's mit Darnley vor ihrer Vermählung ihr mit Unrecht von einigen Schriftstellern vorgeworfen morden ist. Rcmdolph, gewiß nicht ihr Freund,-hat Leicester ansdrücklich in einem Briefe gewarnt, solchen Gerüchten irgend welchen Glauben zu schenken.***) Ueber die Verhandlungen mit Elisabeth bezüglich Maria's Verheirathung gibt neben Gauthier vor allem Fronde neue und interessante Aufschlüsse. Leicester's Versuche, die Protektion Philipp's II. durch Versprechungen bezüg¬ lich Wiederherstellung der katholischen Religion in England zu gewinnen, sowie namentlich die Intriguen der Lady Lennox, die, von ungemeinem Ehrgeize be¬ seelt, ihr Haus zu einem Sammelplatze aller unzufriedenen Katholiken Eng¬ land's gemacht hatte, treten hier sehr scharf hervor. Die Verbindung Maria Stuart's mit Darnley erscheint nach dem jetzt vorliegenden Materiale immer mehr als ein sorgsam vorbereiteter Schlag der Katholiken, den nur wenige in Schottland damals sogleich — darunter Murray und Argyle — als einen solchen empfunden haben. Margaretha Lennox war die Seele der ganzen Jn- Gauthier I. 120. **) Drury ein Cecil, 16. Febr. 1666. KM), 32S. Rcmdolph an Leicester, 31. Juli 166S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/372>, abgerufen am 05.02.2025.