Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.Das Buch leistet das, was es verspricht. In ruhiger, objektiver Weise Da nur "die Pädagogik als Wissenschaft" in Betracht kommen sollte, so Das Buch leistet das, was es verspricht. In ruhiger, objektiver Weise Da nur „die Pädagogik als Wissenschaft" in Betracht kommen sollte, so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141201"/> <p xml:id="ID_1095"> Das Buch leistet das, was es verspricht. In ruhiger, objektiver Weise<lb/> werden die pädagogischen Theorien der obengenannten Philosophen und philo-<lb/> sophirenden Pädagogen dargelegt, nur zum Schlüsse der einzelnen Abschnitte<lb/> verstattet der Verfasser sich jedesmal eine kurze Kritik, beziehentlich einen Nach¬<lb/> weis des „Fortschritts über die Vorgänger hinaus". Von den einschlägigen<lb/> Hauptwerken wird jedesmal ein gedrängtes Referat gegeben. Im Uebrigen ist man<lb/> freilich darauf angewiesen, dem Verfasser auf seiue Versicherung hin, daß er<lb/> „nach der Quelle" dargestellt habe, Glauben zu schenken, denn Verwei¬<lb/> sungen ans Quellen und Hilfsmittel finden sich fast nirgends. Für einen<lb/> Leserkreis, wie ihn der Verfasser doch von vornherein im Auge haben mußte,<lb/> d. h. für einen Leserkreis von Fachgenossen (denn welcher „Gebildete" liest heut¬<lb/> zutage dergleichen Werke zu seiner Orientirung und Erbauung?) hätte nach<lb/> dieser Seite wohl etwas mehr geboten werden müssen, zumal bei Erörterung<lb/> dispntabler Punkte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1096" next="#ID_1097"> Da nur „die Pädagogik als Wissenschaft" in Betracht kommen sollte, so<lb/> werden z. B. die Verdienste der Stoiker um Theorie und Praxis der Päda¬<lb/> gogik ebenso wenig auch nur erwähnt als alles das, was das Römerthum<lb/> auf diesem Gebiete geleistet hat. Die Kirchenväter werden in wenigen Zeilen<lb/> abgehandelt, ebenso die Humanisten und Pädagogen des Reformationszeitalters.<lb/> Nur die Titel der Werke, in welchen allgemeine erziehliche oder didaktische<lb/> Fragen von denselben abgehandelt worden sind, werden kurz erwähnt. Es<lb/> soll mit dem Verfasser deshalb nicht gerechtet werden. Da keine der bezeichneten<lb/> Gruppen ein schnlgerechtes pädagogisches System zu Stande gebracht<lb/> hat, so waren sie konsequenter Weise nach dem Plane des Werkes gar nicht<lb/> oder doch nnr ganz beiläufig zu erwähnen. „Wissenschaft" im strengen Sinne<lb/> sind aber jedenfalls die Herzensergießungen Montaigne's und Rousseau's über<lb/> pÄsäk>,MAiea nicht viel mehr, als die so eingehenden Erörterungen über Er-<lb/> ziehung im Allgemeinen und einzelne Gebiete derselben bei Cieero, Quintilian,<lb/> Plutarch und späterhin bei Erasmus, Wimpfeling, Melanchthon und Sturm,<lb/> Ebensowenig wird sich behaupten lassen können, daß die Pädagogik des Plato<lb/> und Aristoteles aus den obersten Prinzipien ihrer Systeme sich mit solcher Noth¬<lb/> wendigkeit entwickelt habe, daß die Ausführungen derselben das Prädikat der<lb/> Wissenschaftlichkeit für sich voll in Anspruch nehmen dürften; daß beide großen<lb/> Denker auf diesem Gebiete nicht nur nationalen Vorurtheilen und Herkömm¬<lb/> lichleiten, sondern auch persönlichen Liebhabereien (um nicht zu sagen: Schrullen)<lb/> reichlich Rechnung getragen haben, das darf man bei allem schuldigen Respekt<lb/> offen aussprechen. Jedenfalls berührt es doch seltsam, wenn die ganze Arbeit<lb/> in theoretischer Pädagogik, die zwischen Aristoteles und Amos Comenius liegt,<lb/> so kurz abgethan wird, daß kaum ein paar Namen und Titel angeführt sind,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0322]
Das Buch leistet das, was es verspricht. In ruhiger, objektiver Weise
werden die pädagogischen Theorien der obengenannten Philosophen und philo-
sophirenden Pädagogen dargelegt, nur zum Schlüsse der einzelnen Abschnitte
verstattet der Verfasser sich jedesmal eine kurze Kritik, beziehentlich einen Nach¬
weis des „Fortschritts über die Vorgänger hinaus". Von den einschlägigen
Hauptwerken wird jedesmal ein gedrängtes Referat gegeben. Im Uebrigen ist man
freilich darauf angewiesen, dem Verfasser auf seiue Versicherung hin, daß er
„nach der Quelle" dargestellt habe, Glauben zu schenken, denn Verwei¬
sungen ans Quellen und Hilfsmittel finden sich fast nirgends. Für einen
Leserkreis, wie ihn der Verfasser doch von vornherein im Auge haben mußte,
d. h. für einen Leserkreis von Fachgenossen (denn welcher „Gebildete" liest heut¬
zutage dergleichen Werke zu seiner Orientirung und Erbauung?) hätte nach
dieser Seite wohl etwas mehr geboten werden müssen, zumal bei Erörterung
dispntabler Punkte.
Da nur „die Pädagogik als Wissenschaft" in Betracht kommen sollte, so
werden z. B. die Verdienste der Stoiker um Theorie und Praxis der Päda¬
gogik ebenso wenig auch nur erwähnt als alles das, was das Römerthum
auf diesem Gebiete geleistet hat. Die Kirchenväter werden in wenigen Zeilen
abgehandelt, ebenso die Humanisten und Pädagogen des Reformationszeitalters.
Nur die Titel der Werke, in welchen allgemeine erziehliche oder didaktische
Fragen von denselben abgehandelt worden sind, werden kurz erwähnt. Es
soll mit dem Verfasser deshalb nicht gerechtet werden. Da keine der bezeichneten
Gruppen ein schnlgerechtes pädagogisches System zu Stande gebracht
hat, so waren sie konsequenter Weise nach dem Plane des Werkes gar nicht
oder doch nnr ganz beiläufig zu erwähnen. „Wissenschaft" im strengen Sinne
sind aber jedenfalls die Herzensergießungen Montaigne's und Rousseau's über
pÄsäk>,MAiea nicht viel mehr, als die so eingehenden Erörterungen über Er-
ziehung im Allgemeinen und einzelne Gebiete derselben bei Cieero, Quintilian,
Plutarch und späterhin bei Erasmus, Wimpfeling, Melanchthon und Sturm,
Ebensowenig wird sich behaupten lassen können, daß die Pädagogik des Plato
und Aristoteles aus den obersten Prinzipien ihrer Systeme sich mit solcher Noth¬
wendigkeit entwickelt habe, daß die Ausführungen derselben das Prädikat der
Wissenschaftlichkeit für sich voll in Anspruch nehmen dürften; daß beide großen
Denker auf diesem Gebiete nicht nur nationalen Vorurtheilen und Herkömm¬
lichleiten, sondern auch persönlichen Liebhabereien (um nicht zu sagen: Schrullen)
reichlich Rechnung getragen haben, das darf man bei allem schuldigen Respekt
offen aussprechen. Jedenfalls berührt es doch seltsam, wenn die ganze Arbeit
in theoretischer Pädagogik, die zwischen Aristoteles und Amos Comenius liegt,
so kurz abgethan wird, daß kaum ein paar Namen und Titel angeführt sind,
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