Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.infizirt sind, zeigen Verständniß und Vertrauen. Schritt für Schritt geht es Mit weit größeren Schwierigkeiten ist eine andere Bestimmung der Ge¬ infizirt sind, zeigen Verständniß und Vertrauen. Schritt für Schritt geht es Mit weit größeren Schwierigkeiten ist eine andere Bestimmung der Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0298" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141177"/> <p xml:id="ID_1032" prev="#ID_1031"> infizirt sind, zeigen Verständniß und Vertrauen. Schritt für Schritt geht es<lb/> dabei freilich immer uur weiter; noch fehlt viel, daß auch nur der gesetzmäßige<lb/> Zustand überall herrsche, und lange Jahre angestrengter Arbeit wird es noch<lb/> kosten, ehe die gewerbegesetzlichen Bestimmungen in Fleisch und Blut der in¬<lb/> dustriellen Bevölkerung übergegangen sind. Selbst die verhältnißmäßig einfachen<lb/> Bestimmungen über die Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern und Kindern<lb/> in Fabriken siud noch weit entfernt davon, überall durchgeführt zu sein »der<lb/> dauernd beobachtet zu werden. Wie schon angedeutet ist, zeigen sich die Eltern<lb/> oft selbst härter und liebloser, wie der Fabrikherr. Im Allgemeinen nimmt<lb/> die Beschäftigung jener beiden Kategorien ab, was bei den jugendlichen Ar¬<lb/> beitern oft genug auf den traurigen Grund der schlechten Zeitverhältnisse zu¬<lb/> rückzuführen ist, während es bei den Kindern erfreulichere Ursachen hat. Viele<lb/> Fabrikanten verzichten lieber ganz auf Kinderarbeit, ehe sie sich den beschwer¬<lb/> lichen Weitläufigkeiten ihrer gesetzlichen Beschränkungen unterziehen. So darf<lb/> man den Zeitpunkt immer näher rücken sehen, an welchem das Gesetz überhaupt<lb/> die Fabrikarbeit schulpflichtiger Kinder untersagt, ein Erfolg, der moralisch uoch<lb/> glänzender und wirkungsvoller sein würde, als materiell. Einige der eifrigsten<lb/> Fabrikinspektoren plädiren unausgesetzt für diese Reform. Auch ist nicht zu<lb/> verkennen, daß die geltende Bestimmung der Gewerbeordnung, wonach Kinder<lb/> zwischen zwölf und vierzehn Jahren in Fabriken sechs Stunden beschäftigt<lb/> werde» dürfen, aber' dann mindestens drei Stunden die Schule besuchen müssen,<lb/> dauernd nicht haltbar ist. Erfahrungsmäßig leisten sie dann weder hier noch<lb/> dort etwas; weder nützen sie der Industrie, noch nützt ihnen die Schule. Dazu<lb/> verkehrt sich praktisch der gute Wille des Gesetzes oft genug in sein Gegen¬<lb/> theil. Namentlich in großen Städten und auf dem platten Lande kann<lb/> der Weg zwischen Fabrik, Haus und Schule mehrere Stunden in Anspruch<lb/> nehmen, so daß dann die Kinder thatsächlich schlechter gestellt sind, als die<lb/> jugendlichen Arbeiter, die täglich nicht über zehn Stunden beschäftigt werden<lb/> sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1033" next="#ID_1034"> Mit weit größeren Schwierigkeiten ist eine andere Bestimmung der Ge¬<lb/> werbeordnung verknüpft, deren Erfüllung die Fabrikinspektoren gleichfalls zu<lb/> überwachen haben: Die Pflicht nämlich, welche den Unternehmern auferlegt<lb/> ist, für Gesundheit und Leben der Arbeiter die möglichste Fürsorge zu tragen.<lb/> Hier wird beiderseits noch viel gefehlt. So wunderlich es klingt, zeigen sich<lb/> hierin die Arbeiter selbst häufig als ihre grüßen Feinde. Schutzvorrichtungen,<lb/> welche nicht niet- und nagelfest gemacht sind, beseitigen sie selbst, theils aus Bequem¬<lb/> lichkeit, theils aus alberner Grvßthuerei. Die Fabrikanten wieder lassen es<lb/> in dieser Beziehung namentlich dadurch an sich fehlen, daß sie mit allen<lb/> Mitteln ihre Haftpflicht für Unglücksfälle zu umgehen suchen. Das betreffende</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0298]
infizirt sind, zeigen Verständniß und Vertrauen. Schritt für Schritt geht es
dabei freilich immer uur weiter; noch fehlt viel, daß auch nur der gesetzmäßige
Zustand überall herrsche, und lange Jahre angestrengter Arbeit wird es noch
kosten, ehe die gewerbegesetzlichen Bestimmungen in Fleisch und Blut der in¬
dustriellen Bevölkerung übergegangen sind. Selbst die verhältnißmäßig einfachen
Bestimmungen über die Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern und Kindern
in Fabriken siud noch weit entfernt davon, überall durchgeführt zu sein »der
dauernd beobachtet zu werden. Wie schon angedeutet ist, zeigen sich die Eltern
oft selbst härter und liebloser, wie der Fabrikherr. Im Allgemeinen nimmt
die Beschäftigung jener beiden Kategorien ab, was bei den jugendlichen Ar¬
beitern oft genug auf den traurigen Grund der schlechten Zeitverhältnisse zu¬
rückzuführen ist, während es bei den Kindern erfreulichere Ursachen hat. Viele
Fabrikanten verzichten lieber ganz auf Kinderarbeit, ehe sie sich den beschwer¬
lichen Weitläufigkeiten ihrer gesetzlichen Beschränkungen unterziehen. So darf
man den Zeitpunkt immer näher rücken sehen, an welchem das Gesetz überhaupt
die Fabrikarbeit schulpflichtiger Kinder untersagt, ein Erfolg, der moralisch uoch
glänzender und wirkungsvoller sein würde, als materiell. Einige der eifrigsten
Fabrikinspektoren plädiren unausgesetzt für diese Reform. Auch ist nicht zu
verkennen, daß die geltende Bestimmung der Gewerbeordnung, wonach Kinder
zwischen zwölf und vierzehn Jahren in Fabriken sechs Stunden beschäftigt
werde» dürfen, aber' dann mindestens drei Stunden die Schule besuchen müssen,
dauernd nicht haltbar ist. Erfahrungsmäßig leisten sie dann weder hier noch
dort etwas; weder nützen sie der Industrie, noch nützt ihnen die Schule. Dazu
verkehrt sich praktisch der gute Wille des Gesetzes oft genug in sein Gegen¬
theil. Namentlich in großen Städten und auf dem platten Lande kann
der Weg zwischen Fabrik, Haus und Schule mehrere Stunden in Anspruch
nehmen, so daß dann die Kinder thatsächlich schlechter gestellt sind, als die
jugendlichen Arbeiter, die täglich nicht über zehn Stunden beschäftigt werden
sollen.
Mit weit größeren Schwierigkeiten ist eine andere Bestimmung der Ge¬
werbeordnung verknüpft, deren Erfüllung die Fabrikinspektoren gleichfalls zu
überwachen haben: Die Pflicht nämlich, welche den Unternehmern auferlegt
ist, für Gesundheit und Leben der Arbeiter die möglichste Fürsorge zu tragen.
Hier wird beiderseits noch viel gefehlt. So wunderlich es klingt, zeigen sich
hierin die Arbeiter selbst häufig als ihre grüßen Feinde. Schutzvorrichtungen,
welche nicht niet- und nagelfest gemacht sind, beseitigen sie selbst, theils aus Bequem¬
lichkeit, theils aus alberner Grvßthuerei. Die Fabrikanten wieder lassen es
in dieser Beziehung namentlich dadurch an sich fehlen, daß sie mit allen
Mitteln ihre Haftpflicht für Unglücksfälle zu umgehen suchen. Das betreffende
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |