Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.an und ging auf die Gasse. Seitdem unterhielt sich Iwan niemals wieder Aber so leicht ist ja eine Nihilistin nicht abzuschrecken. Sie hört gelegent¬ Sie gibt indeß diesen "Helden" noch nicht verloren. Sie kommt ein Mit andern ist sie nicht glücklicher. Da haben einige Leute sie gebeten, an und ging auf die Gasse. Seitdem unterhielt sich Iwan niemals wieder Aber so leicht ist ja eine Nihilistin nicht abzuschrecken. Sie hört gelegent¬ Sie gibt indeß diesen „Helden" noch nicht verloren. Sie kommt ein Mit andern ist sie nicht glücklicher. Da haben einige Leute sie gebeten, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141169"/> <p xml:id="ID_1013" prev="#ID_1012"> an und ging auf die Gasse. Seitdem unterhielt sich Iwan niemals wieder<lb/> mit mir über die Volkssache."</p><lb/> <p xml:id="ID_1014"> Aber so leicht ist ja eine Nihilistin nicht abzuschrecken. Sie hört gelegent¬<lb/> lich von einem Arbeiter Sö. reden, der ein kühner, eifriger Vertreter der ge¬<lb/> meinsamen Interessen sei und sich vor Niemandem fürchte. Obwohl er am<lb/> äußersten Ende des Ortes wohnt, macht sie sich doch zu ihm auf, begibt sich<lb/> unter einem Vorwande zu seiner Frau und trifft den Gesuchten auch glücklich<lb/> zu Hause, da er an den Füßen leidet und nicht ausgehen kann. „Ein Riese<lb/> in einer Lederschürze (er war Schmied in einer Fabrik) — so schildert sie<lb/> ihn, — mit ungeheuren muskulösen Fünften, mit pechschwarzem krausen Haar<lb/> und Augen, die wie Feuer funkelten, so erschien mir Sö. als der Typus eines<lb/> bäuerlichen Helden." Sie lenkt denn auch unschwer das Gespräch auf die<lb/> Fabrik; ihr Mann wird zutraulich, schlägt sie auf die Schulter, ohne daß sie<lb/> vor seiner Donnerstimme erschrickt; im Gegentheil sie ist freudig erregt, sie<lb/> glaubt den Rechten gefunden zu haben. Doch was erwidert ihr endlich dies<lb/> Musterbild eines bäuerlichen Helden? „Dn sprichst von der Fabrik, mein<lb/> Täubchen. Weißt Du, was unsere Fabrik ist? Unsere Fabrik ist die erste in<lb/> ganz Rußland; eine solche wie die wirst Du nirgends sonst finden! Wir<lb/> haben die besten Maschinen, und nirgends hält man nur die Hälfte der Arbeiter<lb/> wie bei uus. Im Winter sind bis 4000 Arbeiter zusammen. Du bist keine<lb/> Hiesige, Du weißt das nicht. Und wir haben den größten Herrn im ganzen<lb/> Gouvernement; solche gibt's vielleicht in Piter (Petersburg) nicht viel." Und<lb/> damit ging mein Sö. hinaus. Er war stolz darauf, daß er die Ehre habe in<lb/> einer solchen Fabrik zu dienen und damit ans einer für andere unerreichbaren<lb/> Höhe zu stehen." Gewiß, das war niederschlagend, aber war denn dieser<lb/> Korporationsgeist des Arbeiters, der stolz ist ans das Ganze, in das er sich<lb/> einfügt, nicht auch etwas werth und mehr werth, als die fressende Unzufrieden¬<lb/> heit, der giftige Haß, den die Nihilistin erwartete?</p><lb/> <p xml:id="ID_1015"> Sie gibt indeß diesen „Helden" noch nicht verloren. Sie kommt ein<lb/> zweites Mal zu ihm. da liegt er sinnlos betrunken im Hofe.----.</p><lb/> <p xml:id="ID_1016" next="#ID_1017"> Mit andern ist sie nicht glücklicher. Da haben einige Leute sie gebeten,<lb/> ihnen etwas aus Druckschriften vorzulesen. Der nächste Feiertag wird dazu<lb/> bestimmt, bei einem bekannten Hause will man sich treffen. Sie geht denn auf<lb/> die Gasse, ihre Zuhörer zu erwarten. Es haben sich indessen andere Arbeiter<lb/> eingefunden, und ihr guter Freund Iwan Tsch. theilt diesen wahrscheinlich in<lb/> einem Anfluge von Pflichtgefühl mit, sie habe da eine Schrift, in welcher die<lb/> „ganze Wahrheit" gesagt werde. Natürlich bitten die Arbeiter sie vorzulesen.<lb/> Sie hat zwar dazu keine Neigung, indeß willigt sie schließlich ein und gibt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0290]
an und ging auf die Gasse. Seitdem unterhielt sich Iwan niemals wieder
mit mir über die Volkssache."
Aber so leicht ist ja eine Nihilistin nicht abzuschrecken. Sie hört gelegent¬
lich von einem Arbeiter Sö. reden, der ein kühner, eifriger Vertreter der ge¬
meinsamen Interessen sei und sich vor Niemandem fürchte. Obwohl er am
äußersten Ende des Ortes wohnt, macht sie sich doch zu ihm auf, begibt sich
unter einem Vorwande zu seiner Frau und trifft den Gesuchten auch glücklich
zu Hause, da er an den Füßen leidet und nicht ausgehen kann. „Ein Riese
in einer Lederschürze (er war Schmied in einer Fabrik) — so schildert sie
ihn, — mit ungeheuren muskulösen Fünften, mit pechschwarzem krausen Haar
und Augen, die wie Feuer funkelten, so erschien mir Sö. als der Typus eines
bäuerlichen Helden." Sie lenkt denn auch unschwer das Gespräch auf die
Fabrik; ihr Mann wird zutraulich, schlägt sie auf die Schulter, ohne daß sie
vor seiner Donnerstimme erschrickt; im Gegentheil sie ist freudig erregt, sie
glaubt den Rechten gefunden zu haben. Doch was erwidert ihr endlich dies
Musterbild eines bäuerlichen Helden? „Dn sprichst von der Fabrik, mein
Täubchen. Weißt Du, was unsere Fabrik ist? Unsere Fabrik ist die erste in
ganz Rußland; eine solche wie die wirst Du nirgends sonst finden! Wir
haben die besten Maschinen, und nirgends hält man nur die Hälfte der Arbeiter
wie bei uus. Im Winter sind bis 4000 Arbeiter zusammen. Du bist keine
Hiesige, Du weißt das nicht. Und wir haben den größten Herrn im ganzen
Gouvernement; solche gibt's vielleicht in Piter (Petersburg) nicht viel." Und
damit ging mein Sö. hinaus. Er war stolz darauf, daß er die Ehre habe in
einer solchen Fabrik zu dienen und damit ans einer für andere unerreichbaren
Höhe zu stehen." Gewiß, das war niederschlagend, aber war denn dieser
Korporationsgeist des Arbeiters, der stolz ist ans das Ganze, in das er sich
einfügt, nicht auch etwas werth und mehr werth, als die fressende Unzufrieden¬
heit, der giftige Haß, den die Nihilistin erwartete?
Sie gibt indeß diesen „Helden" noch nicht verloren. Sie kommt ein
zweites Mal zu ihm. da liegt er sinnlos betrunken im Hofe.----.
Mit andern ist sie nicht glücklicher. Da haben einige Leute sie gebeten,
ihnen etwas aus Druckschriften vorzulesen. Der nächste Feiertag wird dazu
bestimmt, bei einem bekannten Hause will man sich treffen. Sie geht denn auf
die Gasse, ihre Zuhörer zu erwarten. Es haben sich indessen andere Arbeiter
eingefunden, und ihr guter Freund Iwan Tsch. theilt diesen wahrscheinlich in
einem Anfluge von Pflichtgefühl mit, sie habe da eine Schrift, in welcher die
„ganze Wahrheit" gesagt werde. Natürlich bitten die Arbeiter sie vorzulesen.
Sie hat zwar dazu keine Neigung, indeß willigt sie schließlich ein und gibt
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