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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Bündniß; dann sollten beide, wie Arnim an seinen Kurfürsten schrieb, "die
Waffen mit vereinten Kräften wieder die, so sich unterfangen würden, den
Ltawin IiiPMii noch weiter zu turbiren und die Freiheit der Religion zu
hemmen, gebrauchen." Aber über diese Einleitung kam man nicht hinaus, ob¬
wohl schon der Kriegsrath Questenberg zu Wien sich zur Reise nach dem
Hauptquartiere rüstete; denn weder am kaiserlichen noch am sächsischen Hose
vermochte man zu einem kräftigen Entschlüsse sich emporzuheben. In Wien
arbeiteten jesuitisch-spanische Einflüsse gegen den Frieden mit den Ketzern, in
Dresden überwog das Mißtrauen gegen Wallenstein. Ungeduldig brach end-^
lich der kaiserliche Feldherr die Unterhandlungen ab, vielleicht auch, weil er
auf die neuen Anknüpfungen rechnete, die unter dünischer Vermittlung zu
Breslau stattfinden sollten, und rückte, wie es schien zum Kampfe entschlossen,
gegen Schweidnitz vor. Zugleich überschritt sein Generalleutnant Holt, um '
auf Sachsen zwingenden Druck zu üben, am 14. August von Joachimsthal aus '
in drei Kolonnen die völlig ungedeckte sächsische Grenze, überschwemmte mit
seinen fürchterlichen Horden mordend, plündernd, verwüstend das schon im
vorigen Jahre von ihm schrecklich heimgesuchte Land, nahm das geängstete
Leipzig durch Uebergabe bis auf die Pleißenburg, sandte seine Streifschaaren
bis Würzen, Eilenburg, Halle, Naumburg vor. Um so eifriger eilte Arnim mit'
Wallenstein sich zu verständigen; in einer persönlichen Zusammenkunft stellten
sie einen Waffenstillstand von vier Wochen fest, der am 22. August unterzeichnet,
für die kaiserlichen Erdtaube, Brandenburg und Sachsen, nicht aber für Süd¬
deutschland, also nicht für die schwedische Hauptarmee gelten sollte. Da er
auch Holt band, so trat der Schreckliche den Rückzug an, und wie ein Gottes¬
gericht erschien den Bedrängten sein plötzlicher Tod am 9. September.

Inzwischen schienen die Friedensverhandlungen in Schlesien günstigen
Fortgang zu nehmen; in kurzer Zeit, so schrieb Wallenstein (25. September)
dem Kaiser, der vou allen diesen Besprechungen beständig unterrichtet wurde,
sei "ein erfreulicher guter Schluß zu verhoffen", und wie sehr dem Monarchen
selbst daran lag, konnte der Feldherr aus dem lebhaften Danke schließen, mit
dem er ihm seine "gnädigste Satisfaktion und unausgesetzte Sorgfältigkeit" ver¬
sicherte. Auch in Dresden meinte man rasch zu Ende zu kommeu, und völlig
einverstanden zeigte sich Brandenburg.

Da trat plötzlich eine unvorhergesehene Wendung ein: Arnim forderte,
daß Wallenstein dem Verlaufe des Feldzuges in Baiern ruhig zusehe, gewiß,
weil er dort das Uebergewicht der Schweden wünschen mußte, um den Kaiser¬
lichen die günstigsten Bedingungen abzuringen. Auf eine solche Beschränkung
konnte jedoch Wallenstein um so weniger eingehen, als er die ohnehin vorhan¬
dene Verstimmung des Kurfürsten Maximilian nicht überHand nehmen lassen


Grenzboten IV. 1878. 2

Bündniß; dann sollten beide, wie Arnim an seinen Kurfürsten schrieb, „die
Waffen mit vereinten Kräften wieder die, so sich unterfangen würden, den
Ltawin IiiPMii noch weiter zu turbiren und die Freiheit der Religion zu
hemmen, gebrauchen." Aber über diese Einleitung kam man nicht hinaus, ob¬
wohl schon der Kriegsrath Questenberg zu Wien sich zur Reise nach dem
Hauptquartiere rüstete; denn weder am kaiserlichen noch am sächsischen Hose
vermochte man zu einem kräftigen Entschlüsse sich emporzuheben. In Wien
arbeiteten jesuitisch-spanische Einflüsse gegen den Frieden mit den Ketzern, in
Dresden überwog das Mißtrauen gegen Wallenstein. Ungeduldig brach end-^
lich der kaiserliche Feldherr die Unterhandlungen ab, vielleicht auch, weil er
auf die neuen Anknüpfungen rechnete, die unter dünischer Vermittlung zu
Breslau stattfinden sollten, und rückte, wie es schien zum Kampfe entschlossen,
gegen Schweidnitz vor. Zugleich überschritt sein Generalleutnant Holt, um '
auf Sachsen zwingenden Druck zu üben, am 14. August von Joachimsthal aus '
in drei Kolonnen die völlig ungedeckte sächsische Grenze, überschwemmte mit
seinen fürchterlichen Horden mordend, plündernd, verwüstend das schon im
vorigen Jahre von ihm schrecklich heimgesuchte Land, nahm das geängstete
Leipzig durch Uebergabe bis auf die Pleißenburg, sandte seine Streifschaaren
bis Würzen, Eilenburg, Halle, Naumburg vor. Um so eifriger eilte Arnim mit'
Wallenstein sich zu verständigen; in einer persönlichen Zusammenkunft stellten
sie einen Waffenstillstand von vier Wochen fest, der am 22. August unterzeichnet,
für die kaiserlichen Erdtaube, Brandenburg und Sachsen, nicht aber für Süd¬
deutschland, also nicht für die schwedische Hauptarmee gelten sollte. Da er
auch Holt band, so trat der Schreckliche den Rückzug an, und wie ein Gottes¬
gericht erschien den Bedrängten sein plötzlicher Tod am 9. September.

Inzwischen schienen die Friedensverhandlungen in Schlesien günstigen
Fortgang zu nehmen; in kurzer Zeit, so schrieb Wallenstein (25. September)
dem Kaiser, der vou allen diesen Besprechungen beständig unterrichtet wurde,
sei „ein erfreulicher guter Schluß zu verhoffen", und wie sehr dem Monarchen
selbst daran lag, konnte der Feldherr aus dem lebhaften Danke schließen, mit
dem er ihm seine „gnädigste Satisfaktion und unausgesetzte Sorgfältigkeit" ver¬
sicherte. Auch in Dresden meinte man rasch zu Ende zu kommeu, und völlig
einverstanden zeigte sich Brandenburg.

Da trat plötzlich eine unvorhergesehene Wendung ein: Arnim forderte,
daß Wallenstein dem Verlaufe des Feldzuges in Baiern ruhig zusehe, gewiß,
weil er dort das Uebergewicht der Schweden wünschen mußte, um den Kaiser¬
lichen die günstigsten Bedingungen abzuringen. Auf eine solche Beschränkung
konnte jedoch Wallenstein um so weniger eingehen, als er die ohnehin vorhan¬
dene Verstimmung des Kurfürsten Maximilian nicht überHand nehmen lassen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/13>, abgerufen am 05.02.2025.