Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

kräftigen Vorstoß von Böhmen her, das wie eine riesige Festung zwischen
beiden Kriegsschauplätzen lag, gegen Baiern gefordert, um dort den gefährlich¬
sten Feind, die Schweden, entscheidend zu schlagen. Aber nicht der militärische
Gesichtspunkt war für Wallenstein damals der maßgebende. Sein nächstes
Ziel war der Friede mit Sachsen und Brandenburg, ihre Loslösung vom
schwedischen Bündniß, und für solche Gedanken durfte er bei seinem Gegner
in Schlesien, bei Arnim, auf volles Verständniß rechnen. Hatte doch dieser
lange Zeit in kaiserlichen Diensten gestanden, an der untern Weichsel und vor
Stralsund den Befehl geführt, und war erst infolge des unseligen Restitutions¬
edikts und von Wallenstein's Entsetzung uach Kursachsen gegangen. Denn
einer von den wenigen, weitblickenden Patrioten jener Tage hielt er zwar den
Anschluß an Schweden für geboten, so lange die Habsburgische Uebermacht
Alles zu Boden drückte; als sie aber gebrochen war, da schien ihm der Ueber¬
tritt zum Kaiser zur Herbeiführung des Friedens das wichtigste Interesse, und
vor allem nach des großen Königs Tode. So war er beständig, wie Wallen¬
stein, zu Unterhandlungen bereit, und eben dies giebt dem Kriege in Schlesien
seinen eigenthümlichen Charakter; beide Gegner erstreben den Frieden, nicht
den Waffensieg, oder wenigstens diesen nur als Mittel, um zu jenem zu ge¬
langen.

So gingen schon im Januar 1633, als Arnim von Breslau her gegen
Reiße vorging, die Unterhandlungen zwischen ihm und Gallas hin und wieder,
nur daß beide zunächst über Versicherungen ihrer Friedenswünsche nicht hin¬
auskamen. Als aber die sächsisch-brandenburgischen Truppen sich um Schweid-
uitz konzentrirten zum Einbruch in Böhmen, und zugleich Arnim zu Strehlen
mit Gesandten des Siebenbürgerfürsten Georg Rü-köezh über einen Angriff
auf Mähren sich verständigte, da hielt es Wallenstein selbst für an der Zeit,
indem er nach allen Richtungen seine Dispositionen traf, seinen Vertrauten,
den furchtbaren Holt, zwischen Pilsen und Eger mit Front gegen Sachsen
Stellung nehmen hieß und zum Schutze Baiern's den Einmarsch eines spani¬
schen Heeres unter dem Herzog von Feria von Mailand her gestattete, per¬
sönlich nicht nach Baiern, sondern nach dem schlesischen Kriegsschauplatze auf¬
zubrechen. Mitte Mai verließ er sein Gitschin, mit dem ganzen Pomp eines
fürstlichen Hofhalts, mit 14 sechsspännigen Karossen, einer Reihe von Gepäck¬
wagen, einem zahlreichen glänzenden Gefolge und nahm sein Hauptquartier in
Glatz, traf aber schon Ende des Monats mit Gallas bei Münsterberg zu¬
sammen. Sofort ruhten die Waffen, die Parlamentäre ritten hin und her, und
schon am 8. Juni begrüßten sich Wallenstein und Arnim zu gemeinschaftlicher
Unterredung in der Nähe von Nimtsch. Ihre vorläufige Verständigung gelang
rasch genug: auf 14 Tage trat Stillstand ein als Einleitung zu Frieden und


kräftigen Vorstoß von Böhmen her, das wie eine riesige Festung zwischen
beiden Kriegsschauplätzen lag, gegen Baiern gefordert, um dort den gefährlich¬
sten Feind, die Schweden, entscheidend zu schlagen. Aber nicht der militärische
Gesichtspunkt war für Wallenstein damals der maßgebende. Sein nächstes
Ziel war der Friede mit Sachsen und Brandenburg, ihre Loslösung vom
schwedischen Bündniß, und für solche Gedanken durfte er bei seinem Gegner
in Schlesien, bei Arnim, auf volles Verständniß rechnen. Hatte doch dieser
lange Zeit in kaiserlichen Diensten gestanden, an der untern Weichsel und vor
Stralsund den Befehl geführt, und war erst infolge des unseligen Restitutions¬
edikts und von Wallenstein's Entsetzung uach Kursachsen gegangen. Denn
einer von den wenigen, weitblickenden Patrioten jener Tage hielt er zwar den
Anschluß an Schweden für geboten, so lange die Habsburgische Uebermacht
Alles zu Boden drückte; als sie aber gebrochen war, da schien ihm der Ueber¬
tritt zum Kaiser zur Herbeiführung des Friedens das wichtigste Interesse, und
vor allem nach des großen Königs Tode. So war er beständig, wie Wallen¬
stein, zu Unterhandlungen bereit, und eben dies giebt dem Kriege in Schlesien
seinen eigenthümlichen Charakter; beide Gegner erstreben den Frieden, nicht
den Waffensieg, oder wenigstens diesen nur als Mittel, um zu jenem zu ge¬
langen.

So gingen schon im Januar 1633, als Arnim von Breslau her gegen
Reiße vorging, die Unterhandlungen zwischen ihm und Gallas hin und wieder,
nur daß beide zunächst über Versicherungen ihrer Friedenswünsche nicht hin¬
auskamen. Als aber die sächsisch-brandenburgischen Truppen sich um Schweid-
uitz konzentrirten zum Einbruch in Böhmen, und zugleich Arnim zu Strehlen
mit Gesandten des Siebenbürgerfürsten Georg Rü-köezh über einen Angriff
auf Mähren sich verständigte, da hielt es Wallenstein selbst für an der Zeit,
indem er nach allen Richtungen seine Dispositionen traf, seinen Vertrauten,
den furchtbaren Holt, zwischen Pilsen und Eger mit Front gegen Sachsen
Stellung nehmen hieß und zum Schutze Baiern's den Einmarsch eines spani¬
schen Heeres unter dem Herzog von Feria von Mailand her gestattete, per¬
sönlich nicht nach Baiern, sondern nach dem schlesischen Kriegsschauplatze auf¬
zubrechen. Mitte Mai verließ er sein Gitschin, mit dem ganzen Pomp eines
fürstlichen Hofhalts, mit 14 sechsspännigen Karossen, einer Reihe von Gepäck¬
wagen, einem zahlreichen glänzenden Gefolge und nahm sein Hauptquartier in
Glatz, traf aber schon Ende des Monats mit Gallas bei Münsterberg zu¬
sammen. Sofort ruhten die Waffen, die Parlamentäre ritten hin und her, und
schon am 8. Juni begrüßten sich Wallenstein und Arnim zu gemeinschaftlicher
Unterredung in der Nähe von Nimtsch. Ihre vorläufige Verständigung gelang
rasch genug: auf 14 Tage trat Stillstand ein als Einleitung zu Frieden und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0012" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140891"/>
          <p xml:id="ID_18" prev="#ID_17"> kräftigen Vorstoß von Böhmen her, das wie eine riesige Festung zwischen<lb/>
beiden Kriegsschauplätzen lag, gegen Baiern gefordert, um dort den gefährlich¬<lb/>
sten Feind, die Schweden, entscheidend zu schlagen. Aber nicht der militärische<lb/>
Gesichtspunkt war für Wallenstein damals der maßgebende. Sein nächstes<lb/>
Ziel war der Friede mit Sachsen und Brandenburg, ihre Loslösung vom<lb/>
schwedischen Bündniß, und für solche Gedanken durfte er bei seinem Gegner<lb/>
in Schlesien, bei Arnim, auf volles Verständniß rechnen. Hatte doch dieser<lb/>
lange Zeit in kaiserlichen Diensten gestanden, an der untern Weichsel und vor<lb/>
Stralsund den Befehl geführt, und war erst infolge des unseligen Restitutions¬<lb/>
edikts und von Wallenstein's Entsetzung uach Kursachsen gegangen. Denn<lb/>
einer von den wenigen, weitblickenden Patrioten jener Tage hielt er zwar den<lb/>
Anschluß an Schweden für geboten, so lange die Habsburgische Uebermacht<lb/>
Alles zu Boden drückte; als sie aber gebrochen war, da schien ihm der Ueber¬<lb/>
tritt zum Kaiser zur Herbeiführung des Friedens das wichtigste Interesse, und<lb/>
vor allem nach des großen Königs Tode. So war er beständig, wie Wallen¬<lb/>
stein, zu Unterhandlungen bereit, und eben dies giebt dem Kriege in Schlesien<lb/>
seinen eigenthümlichen Charakter; beide Gegner erstreben den Frieden, nicht<lb/>
den Waffensieg, oder wenigstens diesen nur als Mittel, um zu jenem zu ge¬<lb/>
langen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_19" next="#ID_20"> So gingen schon im Januar 1633, als Arnim von Breslau her gegen<lb/>
Reiße vorging, die Unterhandlungen zwischen ihm und Gallas hin und wieder,<lb/>
nur daß beide zunächst über Versicherungen ihrer Friedenswünsche nicht hin¬<lb/>
auskamen. Als aber die sächsisch-brandenburgischen Truppen sich um Schweid-<lb/>
uitz konzentrirten zum Einbruch in Böhmen, und zugleich Arnim zu Strehlen<lb/>
mit Gesandten des Siebenbürgerfürsten Georg Rü-köezh über einen Angriff<lb/>
auf Mähren sich verständigte, da hielt es Wallenstein selbst für an der Zeit,<lb/>
indem er nach allen Richtungen seine Dispositionen traf, seinen Vertrauten,<lb/>
den furchtbaren Holt, zwischen Pilsen und Eger mit Front gegen Sachsen<lb/>
Stellung nehmen hieß und zum Schutze Baiern's den Einmarsch eines spani¬<lb/>
schen Heeres unter dem Herzog von Feria von Mailand her gestattete, per¬<lb/>
sönlich nicht nach Baiern, sondern nach dem schlesischen Kriegsschauplatze auf¬<lb/>
zubrechen. Mitte Mai verließ er sein Gitschin, mit dem ganzen Pomp eines<lb/>
fürstlichen Hofhalts, mit 14 sechsspännigen Karossen, einer Reihe von Gepäck¬<lb/>
wagen, einem zahlreichen glänzenden Gefolge und nahm sein Hauptquartier in<lb/>
Glatz, traf aber schon Ende des Monats mit Gallas bei Münsterberg zu¬<lb/>
sammen. Sofort ruhten die Waffen, die Parlamentäre ritten hin und her, und<lb/>
schon am 8. Juni begrüßten sich Wallenstein und Arnim zu gemeinschaftlicher<lb/>
Unterredung in der Nähe von Nimtsch. Ihre vorläufige Verständigung gelang<lb/>
rasch genug: auf 14 Tage trat Stillstand ein als Einleitung zu Frieden und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0012] kräftigen Vorstoß von Böhmen her, das wie eine riesige Festung zwischen beiden Kriegsschauplätzen lag, gegen Baiern gefordert, um dort den gefährlich¬ sten Feind, die Schweden, entscheidend zu schlagen. Aber nicht der militärische Gesichtspunkt war für Wallenstein damals der maßgebende. Sein nächstes Ziel war der Friede mit Sachsen und Brandenburg, ihre Loslösung vom schwedischen Bündniß, und für solche Gedanken durfte er bei seinem Gegner in Schlesien, bei Arnim, auf volles Verständniß rechnen. Hatte doch dieser lange Zeit in kaiserlichen Diensten gestanden, an der untern Weichsel und vor Stralsund den Befehl geführt, und war erst infolge des unseligen Restitutions¬ edikts und von Wallenstein's Entsetzung uach Kursachsen gegangen. Denn einer von den wenigen, weitblickenden Patrioten jener Tage hielt er zwar den Anschluß an Schweden für geboten, so lange die Habsburgische Uebermacht Alles zu Boden drückte; als sie aber gebrochen war, da schien ihm der Ueber¬ tritt zum Kaiser zur Herbeiführung des Friedens das wichtigste Interesse, und vor allem nach des großen Königs Tode. So war er beständig, wie Wallen¬ stein, zu Unterhandlungen bereit, und eben dies giebt dem Kriege in Schlesien seinen eigenthümlichen Charakter; beide Gegner erstreben den Frieden, nicht den Waffensieg, oder wenigstens diesen nur als Mittel, um zu jenem zu ge¬ langen. So gingen schon im Januar 1633, als Arnim von Breslau her gegen Reiße vorging, die Unterhandlungen zwischen ihm und Gallas hin und wieder, nur daß beide zunächst über Versicherungen ihrer Friedenswünsche nicht hin¬ auskamen. Als aber die sächsisch-brandenburgischen Truppen sich um Schweid- uitz konzentrirten zum Einbruch in Böhmen, und zugleich Arnim zu Strehlen mit Gesandten des Siebenbürgerfürsten Georg Rü-köezh über einen Angriff auf Mähren sich verständigte, da hielt es Wallenstein selbst für an der Zeit, indem er nach allen Richtungen seine Dispositionen traf, seinen Vertrauten, den furchtbaren Holt, zwischen Pilsen und Eger mit Front gegen Sachsen Stellung nehmen hieß und zum Schutze Baiern's den Einmarsch eines spani¬ schen Heeres unter dem Herzog von Feria von Mailand her gestattete, per¬ sönlich nicht nach Baiern, sondern nach dem schlesischen Kriegsschauplatze auf¬ zubrechen. Mitte Mai verließ er sein Gitschin, mit dem ganzen Pomp eines fürstlichen Hofhalts, mit 14 sechsspännigen Karossen, einer Reihe von Gepäck¬ wagen, einem zahlreichen glänzenden Gefolge und nahm sein Hauptquartier in Glatz, traf aber schon Ende des Monats mit Gallas bei Münsterberg zu¬ sammen. Sofort ruhten die Waffen, die Parlamentäre ritten hin und her, und schon am 8. Juni begrüßten sich Wallenstein und Arnim zu gemeinschaftlicher Unterredung in der Nähe von Nimtsch. Ihre vorläufige Verständigung gelang rasch genug: auf 14 Tage trat Stillstand ein als Einleitung zu Frieden und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/12
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/12>, abgerufen am 05.02.2025.