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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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ausbleiben, daß die plebejischen Krieger einen mit ihrer Zahl stets wachsenden
Einfluß auf die Beschlüsse übten, welche das geordnete Heer als Volksver¬
sammlung faßte, auch wenn sie nicht unmittelbar stimmberechtigt waren; es
war unvermeidlich, daß eine Vertheilung der politischen Rechte nach dem
Maße der politischen Pflichten eintreten mußte.*) -- Solchen Erwägungen
entsprach Centurien - Verfassung, welche sich an den Namen des Servius
Tullius knüpft. Sie ist die vornehmste Grundlage des römischen Lebens,
sowohl in bürgerlicher als in kriegerischer Hinsicht.

Die servia mische Verfassung ordnet das römische Volk nach Ab¬
theilungen der streitbaren Männer wie sie im Heerbanne stehen und kämpfen
und wie sie in der Bürgerschaft stimmen sollten. Sie berücksichtigt jedoch,
gleich der solonischen Verfassung Athens, lediglich solche Männer, welche vom
eigenen Grundbesitze Steuer" zahlten, die assiäui (Steuerzahler) oder loeuxlstes
(Begüterte). Damit erhielt die Kriegsverfassung Roms statt der bisherigen geno-
kratischen Basis eine timokratische; die Dienstflicht und die damit zusammen¬
hängende Verpflichtung, dem Staate im Nothfalle vorzuschießen (das Tributum)
wurde auf alle Grundbesitzer gelegt, mochten sie bürgerlich oder blos Insassen
sein; die Heeresfolge wurde aus einer Personal- zu einer Real-Last,^) der
Kriegsdienst aber ein Ehrenrecht und eine Ehrenpflicht für Jeden , den die
Verfassung zur Ausübung politischer Rechte befähigte und den sein Vermögen
in deu Stand setzte, sich auf eigene Kosten zu rüsten. Dienstpflicht und Ein¬
fluß auf die öffentlichen Angelegenheiten wurden eng miteinander verknüpft, und
da beide nach dem Maßstabe des Vermögens geregelt wurden, so bewahrte die
ganze Verfassung die aristokratische Gestaltung und kriegerischen Charakter. --
Dies hat nicht nur deu entschiedensten Einfluß auf die Entwicklung der
römischen Weltmacht geäußert, sondern auch wesentlich zur Gesundheit des
Staates beitragen."^)

Jeder ansässige Mann vom 17. bis zum 60. Lebensjahre, mit Einschluß
der Haussöhne ansässiger Väter, war wehrpflichtig ohne Unterschied der Geburt.

Statt der Eintheilung in die Stammtribus fand nun eine solche in 5
Klassen statt, welche die gesammte Bürgerschaft einschlossen, "csiassis"
stammt von "eiüaro" ----- berufen, einladen; es heißt also die "Einberufung" und
in der Militärsprache kurzweg das Heer selbst. Die 1. Klasse umfaßte die
reichsten Bürger, die daher vorzugsweise ol-Wiel, Zuerstberufene, hießen und





") Jhre a. a, O.
Mcmunsen n, >i> O>
Vergl. Nitzsch: Das Verhältniß von Heer und Staat in der römischen Republik
(Spi^l's histor, Zeitschrift, Bd. 7. München 1362). Ferner: Lange, Römische Alterthümer.
3. Aufl. l. Bd. Berlin 1376.

ausbleiben, daß die plebejischen Krieger einen mit ihrer Zahl stets wachsenden
Einfluß auf die Beschlüsse übten, welche das geordnete Heer als Volksver¬
sammlung faßte, auch wenn sie nicht unmittelbar stimmberechtigt waren; es
war unvermeidlich, daß eine Vertheilung der politischen Rechte nach dem
Maße der politischen Pflichten eintreten mußte.*) — Solchen Erwägungen
entsprach Centurien - Verfassung, welche sich an den Namen des Servius
Tullius knüpft. Sie ist die vornehmste Grundlage des römischen Lebens,
sowohl in bürgerlicher als in kriegerischer Hinsicht.

Die servia mische Verfassung ordnet das römische Volk nach Ab¬
theilungen der streitbaren Männer wie sie im Heerbanne stehen und kämpfen
und wie sie in der Bürgerschaft stimmen sollten. Sie berücksichtigt jedoch,
gleich der solonischen Verfassung Athens, lediglich solche Männer, welche vom
eigenen Grundbesitze Steuer» zahlten, die assiäui (Steuerzahler) oder loeuxlstes
(Begüterte). Damit erhielt die Kriegsverfassung Roms statt der bisherigen geno-
kratischen Basis eine timokratische; die Dienstflicht und die damit zusammen¬
hängende Verpflichtung, dem Staate im Nothfalle vorzuschießen (das Tributum)
wurde auf alle Grundbesitzer gelegt, mochten sie bürgerlich oder blos Insassen
sein; die Heeresfolge wurde aus einer Personal- zu einer Real-Last,^) der
Kriegsdienst aber ein Ehrenrecht und eine Ehrenpflicht für Jeden , den die
Verfassung zur Ausübung politischer Rechte befähigte und den sein Vermögen
in deu Stand setzte, sich auf eigene Kosten zu rüsten. Dienstpflicht und Ein¬
fluß auf die öffentlichen Angelegenheiten wurden eng miteinander verknüpft, und
da beide nach dem Maßstabe des Vermögens geregelt wurden, so bewahrte die
ganze Verfassung die aristokratische Gestaltung und kriegerischen Charakter. —
Dies hat nicht nur deu entschiedensten Einfluß auf die Entwicklung der
römischen Weltmacht geäußert, sondern auch wesentlich zur Gesundheit des
Staates beitragen."^)

Jeder ansässige Mann vom 17. bis zum 60. Lebensjahre, mit Einschluß
der Haussöhne ansässiger Väter, war wehrpflichtig ohne Unterschied der Geburt.

Statt der Eintheilung in die Stammtribus fand nun eine solche in 5
Klassen statt, welche die gesammte Bürgerschaft einschlossen, „csiassis"
stammt von „eiüaro" ----- berufen, einladen; es heißt also die „Einberufung" und
in der Militärsprache kurzweg das Heer selbst. Die 1. Klasse umfaßte die
reichsten Bürger, die daher vorzugsweise ol-Wiel, Zuerstberufene, hießen und





") Jhre a. a, O.
Mcmunsen n, >i> O>
Vergl. Nitzsch: Das Verhältniß von Heer und Staat in der römischen Republik
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[0095] ausbleiben, daß die plebejischen Krieger einen mit ihrer Zahl stets wachsenden Einfluß auf die Beschlüsse übten, welche das geordnete Heer als Volksver¬ sammlung faßte, auch wenn sie nicht unmittelbar stimmberechtigt waren; es war unvermeidlich, daß eine Vertheilung der politischen Rechte nach dem Maße der politischen Pflichten eintreten mußte.*) — Solchen Erwägungen entsprach Centurien - Verfassung, welche sich an den Namen des Servius Tullius knüpft. Sie ist die vornehmste Grundlage des römischen Lebens, sowohl in bürgerlicher als in kriegerischer Hinsicht. Die servia mische Verfassung ordnet das römische Volk nach Ab¬ theilungen der streitbaren Männer wie sie im Heerbanne stehen und kämpfen und wie sie in der Bürgerschaft stimmen sollten. Sie berücksichtigt jedoch, gleich der solonischen Verfassung Athens, lediglich solche Männer, welche vom eigenen Grundbesitze Steuer» zahlten, die assiäui (Steuerzahler) oder loeuxlstes (Begüterte). Damit erhielt die Kriegsverfassung Roms statt der bisherigen geno- kratischen Basis eine timokratische; die Dienstflicht und die damit zusammen¬ hängende Verpflichtung, dem Staate im Nothfalle vorzuschießen (das Tributum) wurde auf alle Grundbesitzer gelegt, mochten sie bürgerlich oder blos Insassen sein; die Heeresfolge wurde aus einer Personal- zu einer Real-Last,^) der Kriegsdienst aber ein Ehrenrecht und eine Ehrenpflicht für Jeden , den die Verfassung zur Ausübung politischer Rechte befähigte und den sein Vermögen in deu Stand setzte, sich auf eigene Kosten zu rüsten. Dienstpflicht und Ein¬ fluß auf die öffentlichen Angelegenheiten wurden eng miteinander verknüpft, und da beide nach dem Maßstabe des Vermögens geregelt wurden, so bewahrte die ganze Verfassung die aristokratische Gestaltung und kriegerischen Charakter. — Dies hat nicht nur deu entschiedensten Einfluß auf die Entwicklung der römischen Weltmacht geäußert, sondern auch wesentlich zur Gesundheit des Staates beitragen."^) Jeder ansässige Mann vom 17. bis zum 60. Lebensjahre, mit Einschluß der Haussöhne ansässiger Väter, war wehrpflichtig ohne Unterschied der Geburt. Statt der Eintheilung in die Stammtribus fand nun eine solche in 5 Klassen statt, welche die gesammte Bürgerschaft einschlossen, „csiassis" stammt von „eiüaro" ----- berufen, einladen; es heißt also die „Einberufung" und in der Militärsprache kurzweg das Heer selbst. Die 1. Klasse umfaßte die reichsten Bürger, die daher vorzugsweise ol-Wiel, Zuerstberufene, hießen und ") Jhre a. a, O. Mcmunsen n, >i> O> Vergl. Nitzsch: Das Verhältniß von Heer und Staat in der römischen Republik (Spi^l's histor, Zeitschrift, Bd. 7. München 1362). Ferner: Lange, Römische Alterthümer. 3. Aufl. l. Bd. Berlin 1376.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/95>, abgerufen am 22.07.2024.