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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Die Gobelins, welche aus der Na.nrl.lÄ<zwr6 Me.loua,l6 hervorgehen, sind
nicht verkäuflich. Der Staat verschenkt sie an Museen, an öffentliche Gebäude,
an auswärtige Souverains. Durch diese Maßregel wird ihr Werth noch be¬
deutend erhöht. Auf der audern Seite ist diese Maßregel übrigens vollkommen
gerechtfertigt, da die Privatindustrie, welche bei weiten nicht über gleiche Mittel
und vor allen Dingen nicht über das gleiche Material von geübten Kräften
disponirt, mit den Manufakturen des Staates nicht konkurriren könnte. Was
die Abtheilung der französischen Industrie an Gobelins enthält, ist an sich
höchst beachtenswert!). Aber die Privatfabriken beschränken sich mehr auf das
leichtere, dekorative Genre als auf Reproduktion klassischer Gemälde und monu¬
mentaler Arbeiten.

Die Porzellaufabrik in Sevres hat ebenso wie die Gobelinmanufaktur
in Paris unter dem Kriege leiden müssen. Wer sie in Brand geschossen hat,
ob die Franzosen oder die Deutschen, mag hier unerörtert bleiben. Die Mythe
spinnt ohnehin schon ihre Fäden um die beiden vielumstrittenen Vororte von
Paris, um Se. Cloud und Sevres. Heute steht es bei jedem Einwohner von
Se. Cloud und bei den meisten Parisern bereits unumstößlich fest, daß die
Preußen nicht blos den größten Theil der Stadt in Asche gelegt, sondern daß
sie auch das Schloß in Brand geschossen, in welchem Napoleon III. in jener
verlMgnißvollen Julinacht die Kriegserklärung gegen Preußen unterzeichnete.
Daß es die Batterien waren, die auf dem jenseitigen Seineufer bis zum
Boulogmer Wäldchen standen, glaubt heute kein Franzose mehr. Die Stadt
Se. Cloud ist beinahe völlig wieder aufgebaut. Nur hie und da guckt aus
dem lauschigen Grün eines schattigen Parks ein zerfallenes Hans, das der
Besitzer zum Andenken hat stehen lassen und das sich im Laufe der Jahre zu
einer malerisch-romantischen Ruine umgestaltet hat. Auch das Schloß liegt in
Trümmern. Wer hat heute noch ein Interesse daran, die stolzen Mauern
wieder aufzurichten, welche auf die Zauberfeste der Kaiserin Eugenie herab¬
blickten? Nur der herrliche Park wird noch gepflegt. Aber auch hier wird
man auf Schritt und Tritt, wenn man an den leeren Postamenten vorüber¬
wandert, an die Bomben der französischen Batterieen erinnert, welche die
herrlichen Marmorstatuen von Se. Cloud von ihren Basen hernnterfegten.

Wenn man den Park quer durchschritten hat, gelangt man ans jene An¬
höhe, von der sich die entzückendste Fernsicht und der umfassendste Ueberblick
über die gewaltige Seinestadt bietet, auf jene Anhöhe, auf der sich einst die
Laterne des Diogenes erhob, die ebenfalls den Kriege zum Opfer siel. Steigt
man diese Anhöhe auf der entgegensetzten Seite hinunter, so führt der Weg in
das Thal von Sevres, direkt auf die Porzellanfabrik, die heute, um vieles
prächtiger um die Hälfte vergrößert, längst aus ihren Trümmern wieder er-


Die Gobelins, welche aus der Na.nrl.lÄ<zwr6 Me.loua,l6 hervorgehen, sind
nicht verkäuflich. Der Staat verschenkt sie an Museen, an öffentliche Gebäude,
an auswärtige Souverains. Durch diese Maßregel wird ihr Werth noch be¬
deutend erhöht. Auf der audern Seite ist diese Maßregel übrigens vollkommen
gerechtfertigt, da die Privatindustrie, welche bei weiten nicht über gleiche Mittel
und vor allen Dingen nicht über das gleiche Material von geübten Kräften
disponirt, mit den Manufakturen des Staates nicht konkurriren könnte. Was
die Abtheilung der französischen Industrie an Gobelins enthält, ist an sich
höchst beachtenswert!). Aber die Privatfabriken beschränken sich mehr auf das
leichtere, dekorative Genre als auf Reproduktion klassischer Gemälde und monu¬
mentaler Arbeiten.

Die Porzellaufabrik in Sevres hat ebenso wie die Gobelinmanufaktur
in Paris unter dem Kriege leiden müssen. Wer sie in Brand geschossen hat,
ob die Franzosen oder die Deutschen, mag hier unerörtert bleiben. Die Mythe
spinnt ohnehin schon ihre Fäden um die beiden vielumstrittenen Vororte von
Paris, um Se. Cloud und Sevres. Heute steht es bei jedem Einwohner von
Se. Cloud und bei den meisten Parisern bereits unumstößlich fest, daß die
Preußen nicht blos den größten Theil der Stadt in Asche gelegt, sondern daß
sie auch das Schloß in Brand geschossen, in welchem Napoleon III. in jener
verlMgnißvollen Julinacht die Kriegserklärung gegen Preußen unterzeichnete.
Daß es die Batterien waren, die auf dem jenseitigen Seineufer bis zum
Boulogmer Wäldchen standen, glaubt heute kein Franzose mehr. Die Stadt
Se. Cloud ist beinahe völlig wieder aufgebaut. Nur hie und da guckt aus
dem lauschigen Grün eines schattigen Parks ein zerfallenes Hans, das der
Besitzer zum Andenken hat stehen lassen und das sich im Laufe der Jahre zu
einer malerisch-romantischen Ruine umgestaltet hat. Auch das Schloß liegt in
Trümmern. Wer hat heute noch ein Interesse daran, die stolzen Mauern
wieder aufzurichten, welche auf die Zauberfeste der Kaiserin Eugenie herab¬
blickten? Nur der herrliche Park wird noch gepflegt. Aber auch hier wird
man auf Schritt und Tritt, wenn man an den leeren Postamenten vorüber¬
wandert, an die Bomben der französischen Batterieen erinnert, welche die
herrlichen Marmorstatuen von Se. Cloud von ihren Basen hernnterfegten.

Wenn man den Park quer durchschritten hat, gelangt man ans jene An¬
höhe, von der sich die entzückendste Fernsicht und der umfassendste Ueberblick
über die gewaltige Seinestadt bietet, auf jene Anhöhe, auf der sich einst die
Laterne des Diogenes erhob, die ebenfalls den Kriege zum Opfer siel. Steigt
man diese Anhöhe auf der entgegensetzten Seite hinunter, so führt der Weg in
das Thal von Sevres, direkt auf die Porzellanfabrik, die heute, um vieles
prächtiger um die Hälfte vergrößert, längst aus ihren Trümmern wieder er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/77>, abgerufen am 22.07.2024.