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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Heimath und spricht von dem Interesse für Dinge auch außerhalb der Sphäre
eines Kaufmanns, der nur mit Negern in Handelsverkehr steht.

Blicken wir durch die offenstehende Thür ins Nebenzimmer, so sehen wir
dort am Fenster eine ziemlich helle Mulattin bei einer Näharbeit sitzen und
ihr zu Füßen eine junge Schwarze, ihre Dienerin, bei ähnlicher Arbeit hocken;
um die Gruppe herum spielt ein Knabe von etwa 3 Jahren. Die Mnlattin
ist ein anständiges Weib, in einer Mission gut erzogen und mit den Lebens¬
bedürfnissen ihres Mannes vertraut. Das Verhältniß zwischen ihr und dem
Engländer würde einer der gewöhnlichen Nomanschilderuugcu wohl nicht ent¬
sprechen, allein es ist ein achtungswerthes und in der gegenseitigen Werth¬
schätzung beider Theile begründet; hier ist der Frau eine Stellung angewiesen,
die ihrer würdiger, denn sie sorgt für ihre Hausgenossen, sie hat manche
Theile des Hauswesens, besonders die Diener und die Küche, unter sich und
macht sich ihrem Mann schwer entbehrlich. Das Kind -- es hat die grau¬
blauen Augen des Vaters und das dunkle, starklockige Haar der Mutter --
ist das Glück seiner Mutter, der sorgfältig behütete Schatz des Engländers
und könnte nicht mehr Liebe genießen, wenn er von einer in der Farbe Eben¬
bürtigen geboren wäre.

Stören wir nicht die leise geführte Unterhaltung der beiden Frauen und
treten wir lieber in das Zimmer des Hausherrn zurück; der Thür desselben
nähert sich eben der Dragoman, sein zierlich geflochtenes Käppchen ehrerbietig
in der Hand. Es sind Leute gekommen, die Elfenbein zum Verkauf anbieten.
Der Faktorist verschließt seiue Bücher und eilt hinab in das Palmenkern-
magazin, um zu erfahren, wie weit die Vorräthe verladen seien und von dem
dort angestellte" Clerk den großen Schlüsselbund zu holen. Dann öffnet er
die fest verwahrten Gewölbe im unteren Gelaß seines Wohnhauses, um die
mächtigen Elephantenzähne zu wiegen und zu sortiren -- denn je schwerer der
Zahn, desto theurer das Gewicht desselben -- und dann mit den Karawanen¬
männern über die Bezahlung der Waaren zu verhandeln. Dasselbe Schau¬
spiel, wie im Busch, wiederholt sich hier, nur ist es ruhiger und entspricht
mehr unseren civilisirten Anschauungen vom Handel. Schimpfen und Schelten
hören wir hier nicht, höchstens ein höhnendes Witzwort des Weißen, welches
die Lachmuskeln der Neger in langanhaltende Arbeit setzt, ein Ruf des höchsten
Erstaunens aus dem Mund des Schwarzen über die erstaunliche Hartnäckig¬
keit des "Englishman". Die ganze Sache geht verhältnißmäßig ziemlich schnell
von Statten, mäkeln auch die Eingeborenen noch lange genug -- denn.sie
können ohne zu feilschen nicht handeln -- so wissen sie doch genau genug, wie
weit sie gehen dürfen, und daß der Engländer selten nachgiebt. Immerhin
kommt es vor, daß beide Parteien sich nicht einigen können, aber ohne Zedern,


Heimath und spricht von dem Interesse für Dinge auch außerhalb der Sphäre
eines Kaufmanns, der nur mit Negern in Handelsverkehr steht.

Blicken wir durch die offenstehende Thür ins Nebenzimmer, so sehen wir
dort am Fenster eine ziemlich helle Mulattin bei einer Näharbeit sitzen und
ihr zu Füßen eine junge Schwarze, ihre Dienerin, bei ähnlicher Arbeit hocken;
um die Gruppe herum spielt ein Knabe von etwa 3 Jahren. Die Mnlattin
ist ein anständiges Weib, in einer Mission gut erzogen und mit den Lebens¬
bedürfnissen ihres Mannes vertraut. Das Verhältniß zwischen ihr und dem
Engländer würde einer der gewöhnlichen Nomanschilderuugcu wohl nicht ent¬
sprechen, allein es ist ein achtungswerthes und in der gegenseitigen Werth¬
schätzung beider Theile begründet; hier ist der Frau eine Stellung angewiesen,
die ihrer würdiger, denn sie sorgt für ihre Hausgenossen, sie hat manche
Theile des Hauswesens, besonders die Diener und die Küche, unter sich und
macht sich ihrem Mann schwer entbehrlich. Das Kind — es hat die grau¬
blauen Augen des Vaters und das dunkle, starklockige Haar der Mutter —
ist das Glück seiner Mutter, der sorgfältig behütete Schatz des Engländers
und könnte nicht mehr Liebe genießen, wenn er von einer in der Farbe Eben¬
bürtigen geboren wäre.

Stören wir nicht die leise geführte Unterhaltung der beiden Frauen und
treten wir lieber in das Zimmer des Hausherrn zurück; der Thür desselben
nähert sich eben der Dragoman, sein zierlich geflochtenes Käppchen ehrerbietig
in der Hand. Es sind Leute gekommen, die Elfenbein zum Verkauf anbieten.
Der Faktorist verschließt seiue Bücher und eilt hinab in das Palmenkern-
magazin, um zu erfahren, wie weit die Vorräthe verladen seien und von dem
dort angestellte» Clerk den großen Schlüsselbund zu holen. Dann öffnet er
die fest verwahrten Gewölbe im unteren Gelaß seines Wohnhauses, um die
mächtigen Elephantenzähne zu wiegen und zu sortiren — denn je schwerer der
Zahn, desto theurer das Gewicht desselben — und dann mit den Karawanen¬
männern über die Bezahlung der Waaren zu verhandeln. Dasselbe Schau¬
spiel, wie im Busch, wiederholt sich hier, nur ist es ruhiger und entspricht
mehr unseren civilisirten Anschauungen vom Handel. Schimpfen und Schelten
hören wir hier nicht, höchstens ein höhnendes Witzwort des Weißen, welches
die Lachmuskeln der Neger in langanhaltende Arbeit setzt, ein Ruf des höchsten
Erstaunens aus dem Mund des Schwarzen über die erstaunliche Hartnäckig¬
keit des „Englishman". Die ganze Sache geht verhältnißmäßig ziemlich schnell
von Statten, mäkeln auch die Eingeborenen noch lange genug — denn.sie
können ohne zu feilschen nicht handeln — so wissen sie doch genau genug, wie
weit sie gehen dürfen, und daß der Engländer selten nachgiebt. Immerhin
kommt es vor, daß beide Parteien sich nicht einigen können, aber ohne Zedern,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/64>, abgerufen am 22.07.2024.