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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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statten seelisch zu beleben. Als Kolorist hat er freilich einen eigenen Weg
eingeschlagen. Er liebt eine düstere, schwärzliche Färbung, deren er zu einer
eindringlichen Charakteristik seiner meist melancholischen sujets bedarf. Er
sieht die Welt in einem grauen Licht: Sonnenschein und Farbenlust sind in dem
Katechismus seiner grämlichen Kunst nicht zu finden. Wenn er wirklich einmal
ein rothes Gewand zu malen hat, so zieht er erst einen grauen Schleier darüber,
damit eine Farbe gebrochen wird, die sein schwarzgraues Konzert stören könnte.
Vor Munkacsy's Gemälden wird man lebhaft an die Charakteristik erinnert,
die Heinrich Heine in seinen vortrefflichen, lange nicht genug geschätzten Pariser
Kunstberichten von Ary Scheffer als Maler entworfen hat. Heine nennt seine
Farben gedämpft, freudlos, mürrisch, todmüde. Seine Gegner sagten ihm nach, er
male mit Schnupftabak und grüner Seife. Während man aber bei Scheffer's
Bildern "aus den trübsinnigen Farben ein lichtes Gemüth" hervorbrechen sah,
wie Sonnenstrahlen aus Nebelwolken, ist und bleibt Munkacsy ein tröst- und
poesieloser Realist, der selbst einem Thema wie dem blinden Dichter Milton,
der seiner Tochter das verlorene Paradies diktirt, keine Spur von Poesie abzu¬
gewinnen wußte.

Wenn trotzdem dieses Bild auf der Pariser Weltausstellung viele Be¬
wunderer fand und auch die Jury zur Krönung veranlaßte, so ist der Grund
dieses Beifalls und dieser Auszeichnung in der barocken Farbengebung Mun¬
kacsy's zu suchen. Denn in der großen Konkurrenz auf dem Marsfelde ver¬
mochte sich das einfach Schöne nicht zur Geltung zu bringen: nur das barocke,
das außergewöhnliche, das sensationelle machte Aufsehen.

Was Wunder, daß auch Hans Makart, der Sensationsmaler xg.r sxesllöneiz,
mit seinem riesigen Bilde, dem "Einzuge Karl's V. in Antwerpen", eine entsprechend
große Sensation erregte? Makart hat in die Kunstgeschichte ein neues
Genre eingeführt: das Kolossalbild. Er malt nur "Kolossalbilder", die
wie die Wunderthiere von Bilderkornaks von Stadt zu Stadt geführt werden
und in besondern Salons für ein hohes Eintrittsgeld gezeigt werden. Und
doch ist kaum ein zweiter namhafter Maler geistig so wenig befähigt, Kolossal-
bilder zu malen wie gerade Makart. Zur Bewältigung großer Massen fehlen
ihm zwei wesentliche Vorbedingungen: er ist nicht im Stande, geschickt zu kom-
poniren und er vermag auch nicht die einzelnen Figuren geistig zu beleben. Und
wer sich nicht durch sein berauschendes "Farbenkonzert" die Sinne verwirren
läßt, wird auch finden, daß es Makart an dem vornehmsten Requisit des wahren
Künstlers, an der Phantasie, gebricht. Seine "Katharina Cornaro", die kürzlich
als Probe seiner Kunst in der Berliner Nationalgalerie nach langen Wande¬
rungen eine bleibende Stätte gefunden hat, ist nichts mehr als ein Konglomerat
einzelner Farbenstudien, die nicht einmal koloristisch zusammengestimmt sind.


statten seelisch zu beleben. Als Kolorist hat er freilich einen eigenen Weg
eingeschlagen. Er liebt eine düstere, schwärzliche Färbung, deren er zu einer
eindringlichen Charakteristik seiner meist melancholischen sujets bedarf. Er
sieht die Welt in einem grauen Licht: Sonnenschein und Farbenlust sind in dem
Katechismus seiner grämlichen Kunst nicht zu finden. Wenn er wirklich einmal
ein rothes Gewand zu malen hat, so zieht er erst einen grauen Schleier darüber,
damit eine Farbe gebrochen wird, die sein schwarzgraues Konzert stören könnte.
Vor Munkacsy's Gemälden wird man lebhaft an die Charakteristik erinnert,
die Heinrich Heine in seinen vortrefflichen, lange nicht genug geschätzten Pariser
Kunstberichten von Ary Scheffer als Maler entworfen hat. Heine nennt seine
Farben gedämpft, freudlos, mürrisch, todmüde. Seine Gegner sagten ihm nach, er
male mit Schnupftabak und grüner Seife. Während man aber bei Scheffer's
Bildern „aus den trübsinnigen Farben ein lichtes Gemüth" hervorbrechen sah,
wie Sonnenstrahlen aus Nebelwolken, ist und bleibt Munkacsy ein tröst- und
poesieloser Realist, der selbst einem Thema wie dem blinden Dichter Milton,
der seiner Tochter das verlorene Paradies diktirt, keine Spur von Poesie abzu¬
gewinnen wußte.

Wenn trotzdem dieses Bild auf der Pariser Weltausstellung viele Be¬
wunderer fand und auch die Jury zur Krönung veranlaßte, so ist der Grund
dieses Beifalls und dieser Auszeichnung in der barocken Farbengebung Mun¬
kacsy's zu suchen. Denn in der großen Konkurrenz auf dem Marsfelde ver¬
mochte sich das einfach Schöne nicht zur Geltung zu bringen: nur das barocke,
das außergewöhnliche, das sensationelle machte Aufsehen.

Was Wunder, daß auch Hans Makart, der Sensationsmaler xg.r sxesllöneiz,
mit seinem riesigen Bilde, dem „Einzuge Karl's V. in Antwerpen", eine entsprechend
große Sensation erregte? Makart hat in die Kunstgeschichte ein neues
Genre eingeführt: das Kolossalbild. Er malt nur „Kolossalbilder", die
wie die Wunderthiere von Bilderkornaks von Stadt zu Stadt geführt werden
und in besondern Salons für ein hohes Eintrittsgeld gezeigt werden. Und
doch ist kaum ein zweiter namhafter Maler geistig so wenig befähigt, Kolossal-
bilder zu malen wie gerade Makart. Zur Bewältigung großer Massen fehlen
ihm zwei wesentliche Vorbedingungen: er ist nicht im Stande, geschickt zu kom-
poniren und er vermag auch nicht die einzelnen Figuren geistig zu beleben. Und
wer sich nicht durch sein berauschendes „Farbenkonzert" die Sinne verwirren
läßt, wird auch finden, daß es Makart an dem vornehmsten Requisit des wahren
Künstlers, an der Phantasie, gebricht. Seine „Katharina Cornaro", die kürzlich
als Probe seiner Kunst in der Berliner Nationalgalerie nach langen Wande¬
rungen eine bleibende Stätte gefunden hat, ist nichts mehr als ein Konglomerat
einzelner Farbenstudien, die nicht einmal koloristisch zusammengestimmt sind.


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[0508] statten seelisch zu beleben. Als Kolorist hat er freilich einen eigenen Weg eingeschlagen. Er liebt eine düstere, schwärzliche Färbung, deren er zu einer eindringlichen Charakteristik seiner meist melancholischen sujets bedarf. Er sieht die Welt in einem grauen Licht: Sonnenschein und Farbenlust sind in dem Katechismus seiner grämlichen Kunst nicht zu finden. Wenn er wirklich einmal ein rothes Gewand zu malen hat, so zieht er erst einen grauen Schleier darüber, damit eine Farbe gebrochen wird, die sein schwarzgraues Konzert stören könnte. Vor Munkacsy's Gemälden wird man lebhaft an die Charakteristik erinnert, die Heinrich Heine in seinen vortrefflichen, lange nicht genug geschätzten Pariser Kunstberichten von Ary Scheffer als Maler entworfen hat. Heine nennt seine Farben gedämpft, freudlos, mürrisch, todmüde. Seine Gegner sagten ihm nach, er male mit Schnupftabak und grüner Seife. Während man aber bei Scheffer's Bildern „aus den trübsinnigen Farben ein lichtes Gemüth" hervorbrechen sah, wie Sonnenstrahlen aus Nebelwolken, ist und bleibt Munkacsy ein tröst- und poesieloser Realist, der selbst einem Thema wie dem blinden Dichter Milton, der seiner Tochter das verlorene Paradies diktirt, keine Spur von Poesie abzu¬ gewinnen wußte. Wenn trotzdem dieses Bild auf der Pariser Weltausstellung viele Be¬ wunderer fand und auch die Jury zur Krönung veranlaßte, so ist der Grund dieses Beifalls und dieser Auszeichnung in der barocken Farbengebung Mun¬ kacsy's zu suchen. Denn in der großen Konkurrenz auf dem Marsfelde ver¬ mochte sich das einfach Schöne nicht zur Geltung zu bringen: nur das barocke, das außergewöhnliche, das sensationelle machte Aufsehen. Was Wunder, daß auch Hans Makart, der Sensationsmaler xg.r sxesllöneiz, mit seinem riesigen Bilde, dem „Einzuge Karl's V. in Antwerpen", eine entsprechend große Sensation erregte? Makart hat in die Kunstgeschichte ein neues Genre eingeführt: das Kolossalbild. Er malt nur „Kolossalbilder", die wie die Wunderthiere von Bilderkornaks von Stadt zu Stadt geführt werden und in besondern Salons für ein hohes Eintrittsgeld gezeigt werden. Und doch ist kaum ein zweiter namhafter Maler geistig so wenig befähigt, Kolossal- bilder zu malen wie gerade Makart. Zur Bewältigung großer Massen fehlen ihm zwei wesentliche Vorbedingungen: er ist nicht im Stande, geschickt zu kom- poniren und er vermag auch nicht die einzelnen Figuren geistig zu beleben. Und wer sich nicht durch sein berauschendes „Farbenkonzert" die Sinne verwirren läßt, wird auch finden, daß es Makart an dem vornehmsten Requisit des wahren Künstlers, an der Phantasie, gebricht. Seine „Katharina Cornaro", die kürzlich als Probe seiner Kunst in der Berliner Nationalgalerie nach langen Wande¬ rungen eine bleibende Stätte gefunden hat, ist nichts mehr als ein Konglomerat einzelner Farbenstudien, die nicht einmal koloristisch zusammengestimmt sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/508>, abgerufen am 22.07.2024.