Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.bei der großen Breite der Predigten Luther's nur zu billigendes Verfahren. 2. Die "Wissenschaftlicher Vortrüge über Religiöse Fragen" erörtern die Der Streit um die christliche Schvpfungslehre, -- so lautet das Thema, Grenzboten III. 1878.
bei der großen Breite der Predigten Luther's nur zu billigendes Verfahren. 2. Die „Wissenschaftlicher Vortrüge über Religiöse Fragen" erörtern die Der Streit um die christliche Schvpfungslehre, — so lautet das Thema, Grenzboten III. 1878.
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bei der großen Breite der Predigten Luther's nur zu billigendes Verfahren.
Dagegen sind die geistlichen Lieder Luther's, wie der maßgebende Gesichtspunkt
der Sammlung es erheischte, in vollem Umfange aufgenommen worden. Und
so giebt uns das Buch ein zutreffendes Bild sowohl der religiös-sittlichen Ge-
sammtanschauung und des inneren Lebensgehalts, die Luther im öffentlichen
Wirken zur Geltung gebracht hat, als auch der Einfalt und Schlichtheit, der
Kraft und Wärme, der Zartheit und Gemüthsinnigkeit seiner Darstellung, durch
welche er der deutschen Sprache eine ihr bis dahin fremde Freiheit der Be¬
wegung verliehen hat. Mit einem Worte, es zeigt uns Luther als den Be¬
gründer der geistigen Strömung, welche die neue Zeit eingeleitet hat, und welche
auch die Gegenwart trägt, als einen Klassiker deutscher Nation, der mit schöpfe¬
rischer Gewalt die neue Geisteswelt hervorgebracht hat, und der, gleich ausge¬
zeichnet durch Klarheit und Tiefe, eben deshalb zum Eigenthum aller Bildungs¬
schichten unseres Volkes geworden ist.
2. Die „Wissenschaftlicher Vortrüge über Religiöse Fragen" erörtern die
wichtigsten Gegenstände des christlichen Glaubens von entgegengesetzten Stand-
Punkten aus. Schließlich bringt daher diese Sammlung keinen einheitlichen
Eindruck hervor. Und wir fürchten, so mancher nicht theologisch orientirte
Leser wird vielmehr verwirrt als aufgeklärt von der Lektüre dieser Aufsätze
aufstehen. Der Verleger hat der Schrift ein Vorwort mitgegeben, in welchem
er die Differenz der hier vertretenen Standpunkte zu verdecken sucht, indem er
sie darauf zurückführt, daß hier größeres Gewicht darauf gelegt werde, die Un¬
Haltbarkeit des alten dogmatischen Baues nachzuweisen, dort, den werdenden
Neubau zu zeigen. Der Gegensatz liegt aber tiefer. Denn erstens ist das
Verhältniß zum alten dogmatischen Bau hier eine positive, fortbildende Thä¬
tigkeit, dort ein Verlassen der gegebenen Grundlage; sodann ist der Neubau,
der in's Auge gefaßt ist, hier ein wesentlich andrer als dort. Eben deshalb
halten wir es nicht für einen glücklichen Gedanken, daß diese innerlich so wenig
übereinstimmenden Vorträge, um deswillen, daß sie in einer Stadt und in einem
Winter gehalten wurden, hier zu einem Ganzen verbunden sind, zumal da zwei
andere, ebenfalls diesem Zyklus ungehörige Vorträge selbständig erschienen sind
und deshalb hier fehlen. Wir versuchen unser Urtheil durch eine kurze Charak¬
teristik der einzelnen Aufsätze zu begründen.
Der Streit um die christliche Schvpfungslehre, — so lautet das Thema,
das Professor or. Holtzmann in Straßburg sich gestellt hat. Wir erkennen es
an, daß Holtzmann gegen eine materialistische Weltanschauung die ideale ver¬
tritt, aber bedauern es, daß es ihm nicht gelungen ist, die Schöpfung als eine
That Gottes, mag diese auch eine ewige sein, und Gott als Ursache, als freie
Ursache, oder richtiger als Urheber der Welt zu begreifen. Er kommt nicht
Grenzboten III. 1878.
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