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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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den sozialdemokratischen Kandidaten vereinigte". Im Ganzen haben sie nach
der amtlichen Mittheilung der "Karlsr. Zeit." über 3593 Stimmen verfügt
gegen 3575 bei der vorigen Wahl.

Die National-Liberalen haben von 11 bisher innegehabten Sitzen 3 ver¬
loren, einen (Freiburg) an die Ultrcnnvntanen, einen (Karlsruhe) an die Deutsch-
Konservativen und einen (Mannheim) an die Demokraten. In acht Wahlkreisen
blieben sie Sieger, in sieben bei der ersten Wahl, in einem (Konstanz) bei der
Stichwahl. In sechs Wahlkreisen wurden die bisherigen Abgeordneten wieder
berufen, nämlich: Heilig, Gerwig, Pflüger, Bär, Blum, Kiefer.
In zwei Wahlkreisen waren die bisherigen Abgeordneten zurückgetreten. Sie
wurden ersetzt durch Fabrikant Kr äfft in Se. Blasien und Oberhandelsge-
richtsrath Dreher in Leipzig. Zwei der drei verlorenen Sitze (Karlsruhe
und Mannheim) konnten nur durch an sich absolut widernatürliche Koalitionen
entrissen werden. Solche Verbindungen sind die National-Liberalen nirgends
eingegangen. Ihre Erwählten sind rein auf dem Boden des natioualliberalen
Programms erkoren. Daß in ihren Reihen Baden's bedeutendster Staatsmann
und hervorragendster Politiker, Jolly, fehlt, ist kein erfreuliches Zeichen.
Summa Summarum entsendet Baden in den Reichstag acht Nativnalliberale,
gegen bisherige elf, drei Ultramoutane, gegen bisherige zwei, zwei Deutsch-
Konservative, gegen bisher einen, und -- uoch uicht dagewesen -- einen Demo¬
kraten. Nach der amtlichen Mittheilung der "Karlsr. Zeit.", bei welcher
jedoch die zersplitterten und uugiltigeu Stimmen fehlen und die vier Stich¬
wahlen außer Betracht geblieben sind, ivnrden im Ganzen 219,782 Stimmen
abgegeben. Es wäre das eine um 14,890 Stimmen geringere Betheiligung,
als sie am 10. Januar 1877 stattgefunden. Auf die national-liberale Partei
kommen bei der diesjährigen Wahl 107,412 Stimmen d. i. 14,658 weniger
als 1877; auf die ultramontane 62,826 (etwa 30,900 mehr als das vorigemal),
ans die deutsch-konservative 39,721 (etwa 28,700 mehr als 1877), worunter
aber reichlich 12--15,000 von den Ultramontanen abgegebene Stimmen sich
befinden. Die Demokraten verfügten über 6230 Stimmen, was gegen das
Vorjahr ein Mehr von etwa 2400 ergibt; die Sozialdemokraten über 3593
d. i. 18 mehr als 1877. Was die gegen 1877 verringerte Wahlbetheilignng an¬
langt, so rührt dieselbe wohl ausschließlich daher, daß viele ultrcunoutcme
Wähler sich lieber der Stimmabgabe enthielten, als für den deutsch-konservativen
Kompromißkandidaten zu poliren.


Hr.


den sozialdemokratischen Kandidaten vereinigte». Im Ganzen haben sie nach
der amtlichen Mittheilung der „Karlsr. Zeit." über 3593 Stimmen verfügt
gegen 3575 bei der vorigen Wahl.

Die National-Liberalen haben von 11 bisher innegehabten Sitzen 3 ver¬
loren, einen (Freiburg) an die Ultrcnnvntanen, einen (Karlsruhe) an die Deutsch-
Konservativen und einen (Mannheim) an die Demokraten. In acht Wahlkreisen
blieben sie Sieger, in sieben bei der ersten Wahl, in einem (Konstanz) bei der
Stichwahl. In sechs Wahlkreisen wurden die bisherigen Abgeordneten wieder
berufen, nämlich: Heilig, Gerwig, Pflüger, Bär, Blum, Kiefer.
In zwei Wahlkreisen waren die bisherigen Abgeordneten zurückgetreten. Sie
wurden ersetzt durch Fabrikant Kr äfft in Se. Blasien und Oberhandelsge-
richtsrath Dreher in Leipzig. Zwei der drei verlorenen Sitze (Karlsruhe
und Mannheim) konnten nur durch an sich absolut widernatürliche Koalitionen
entrissen werden. Solche Verbindungen sind die National-Liberalen nirgends
eingegangen. Ihre Erwählten sind rein auf dem Boden des natioualliberalen
Programms erkoren. Daß in ihren Reihen Baden's bedeutendster Staatsmann
und hervorragendster Politiker, Jolly, fehlt, ist kein erfreuliches Zeichen.
Summa Summarum entsendet Baden in den Reichstag acht Nativnalliberale,
gegen bisherige elf, drei Ultramoutane, gegen bisherige zwei, zwei Deutsch-
Konservative, gegen bisher einen, und — uoch uicht dagewesen — einen Demo¬
kraten. Nach der amtlichen Mittheilung der „Karlsr. Zeit.", bei welcher
jedoch die zersplitterten und uugiltigeu Stimmen fehlen und die vier Stich¬
wahlen außer Betracht geblieben sind, ivnrden im Ganzen 219,782 Stimmen
abgegeben. Es wäre das eine um 14,890 Stimmen geringere Betheiligung,
als sie am 10. Januar 1877 stattgefunden. Auf die national-liberale Partei
kommen bei der diesjährigen Wahl 107,412 Stimmen d. i. 14,658 weniger
als 1877; auf die ultramontane 62,826 (etwa 30,900 mehr als das vorigemal),
ans die deutsch-konservative 39,721 (etwa 28,700 mehr als 1877), worunter
aber reichlich 12—15,000 von den Ultramontanen abgegebene Stimmen sich
befinden. Die Demokraten verfügten über 6230 Stimmen, was gegen das
Vorjahr ein Mehr von etwa 2400 ergibt; die Sozialdemokraten über 3593
d. i. 18 mehr als 1877. Was die gegen 1877 verringerte Wahlbetheilignng an¬
langt, so rührt dieselbe wohl ausschließlich daher, daß viele ultrcunoutcme
Wähler sich lieber der Stimmabgabe enthielten, als für den deutsch-konservativen
Kompromißkandidaten zu poliren.


Hr.


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[0406] den sozialdemokratischen Kandidaten vereinigte». Im Ganzen haben sie nach der amtlichen Mittheilung der „Karlsr. Zeit." über 3593 Stimmen verfügt gegen 3575 bei der vorigen Wahl. Die National-Liberalen haben von 11 bisher innegehabten Sitzen 3 ver¬ loren, einen (Freiburg) an die Ultrcnnvntanen, einen (Karlsruhe) an die Deutsch- Konservativen und einen (Mannheim) an die Demokraten. In acht Wahlkreisen blieben sie Sieger, in sieben bei der ersten Wahl, in einem (Konstanz) bei der Stichwahl. In sechs Wahlkreisen wurden die bisherigen Abgeordneten wieder berufen, nämlich: Heilig, Gerwig, Pflüger, Bär, Blum, Kiefer. In zwei Wahlkreisen waren die bisherigen Abgeordneten zurückgetreten. Sie wurden ersetzt durch Fabrikant Kr äfft in Se. Blasien und Oberhandelsge- richtsrath Dreher in Leipzig. Zwei der drei verlorenen Sitze (Karlsruhe und Mannheim) konnten nur durch an sich absolut widernatürliche Koalitionen entrissen werden. Solche Verbindungen sind die National-Liberalen nirgends eingegangen. Ihre Erwählten sind rein auf dem Boden des natioualliberalen Programms erkoren. Daß in ihren Reihen Baden's bedeutendster Staatsmann und hervorragendster Politiker, Jolly, fehlt, ist kein erfreuliches Zeichen. Summa Summarum entsendet Baden in den Reichstag acht Nativnalliberale, gegen bisherige elf, drei Ultramoutane, gegen bisherige zwei, zwei Deutsch- Konservative, gegen bisher einen, und — uoch uicht dagewesen — einen Demo¬ kraten. Nach der amtlichen Mittheilung der „Karlsr. Zeit.", bei welcher jedoch die zersplitterten und uugiltigeu Stimmen fehlen und die vier Stich¬ wahlen außer Betracht geblieben sind, ivnrden im Ganzen 219,782 Stimmen abgegeben. Es wäre das eine um 14,890 Stimmen geringere Betheiligung, als sie am 10. Januar 1877 stattgefunden. Auf die national-liberale Partei kommen bei der diesjährigen Wahl 107,412 Stimmen d. i. 14,658 weniger als 1877; auf die ultramontane 62,826 (etwa 30,900 mehr als das vorigemal), ans die deutsch-konservative 39,721 (etwa 28,700 mehr als 1877), worunter aber reichlich 12—15,000 von den Ultramontanen abgegebene Stimmen sich befinden. Die Demokraten verfügten über 6230 Stimmen, was gegen das Vorjahr ein Mehr von etwa 2400 ergibt; die Sozialdemokraten über 3593 d. i. 18 mehr als 1877. Was die gegen 1877 verringerte Wahlbetheilignng an¬ langt, so rührt dieselbe wohl ausschließlich daher, daß viele ultrcunoutcme Wähler sich lieber der Stimmabgabe enthielten, als für den deutsch-konservativen Kompromißkandidaten zu poliren. Hr.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/406>, abgerufen am 24.08.2024.