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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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liberale Gesinnung v. Bodmann's Manchem nicht für vollwichtig erschienen sei.
Tief zu beklagen bleibt, daß der eine Universität umschließende Wahlkreis das
nationale und liberale Banner hat sinken lassen. Nach Wunsch des national-
liberalen Landesausschnsses hatte Lamey in Freiburg kcmdidiren sollen. Die
Kandidatur wurde von "Vertrauensmännern" des Wahlkreises nicht akzeptirt.
Wir haben das sofort ernstlich beklagt, wir beklagen noch mehr -- obwohl wir
diesen Schritt durchaus begreiflich finden -- daß in Folge der erfahrenen Ab¬
weisung Lamey, der von seinen Freunden zu der Kandidatur gedrängt worden
war, das Mandat zur zweiten Kammer, welches er für die Stadt Freiburg
führte, niedergelegt hat. Mannheim hat steh's diesesmal nicht nehmen lassen,
einen Demokraten zu entsenden. Die Stichwahl hat Herrn Kopfer gegen den
bisherigen national-liberalen Vertreter Scipio ans den Schild erhoben. Doch
wäre nichts weniger zutreffend, als aus diesem Wahlergebuiß zu schließen,
daß das bei der vorigen Reichstags- und Landtagswahl von den National-liberalen
okkupirte Terrain mit der Kopfer'schen Wahl an die Sonuemcmn'sche Demokratie
verloren gegangen sei. Herr Kopfer ist zufolge Kompromisses zwischen der
national-liberalen und der demokratischen Partei Vertreter der Stadt Mann¬
heim in unserer zweiten Kammer und passirr dort unter dem Titel "reichs-
sreuudlicher Demokrat". Mit dem Charakteristik"!!: der Sonneinaun'schen
Demokratie, dein infernalen Haß gegen das Reich, hat er nichts gemein. Mög¬
lich, daß er im Reichstage bei der Fortschrittspartei hospitiren wird. Seine
Wahl verdankt er wohl hauptsächlich der von ihm eingenommenen, den Inten¬
tionen der Neichsregiernng scharf entgegengesetzten Stellung zur Frage der
Tabaksbesteuerung. Mau hat getadelt, daß Herr Kopfer sich herbeigelassen
hat, vor der Stichwahl dein sozialdemokratischen Parteiausschnß bestimmte Ver¬
sprechungen zu geben, auf Grund deren das Eintreten der Sozialdemokraten
sür seine Kandidatnr beschlossen wurde. Diese Versprechungen sind zwar durch¬
aus und lediglich solche, welche als reiner Ausfluß des demokratischen Prinzips
sich von selbst verstehen, z. B. Ablehnung jedes Ausnahmegesetzes, Widerspruch
gegen jede Abschwächung des allgemeinen und direkten Wahlrechts. Allein ein
auf dem Boden unserer Staatsordnung stehender, wahrhaft liberaler Mann
weist jede Annäherung der Sozialdemokraten an ihn mit Verachtung zurück, er
verhandelt nicht ein Wort mit ihnen, verspricht diesen Feinden jeder Staats¬
und Rechtsordnung nichts, rein nichts, auch das nicht, was sich für ihn von
seinem Standpunkt aus ganz von selbst versteht. Oise!

Die Sozialdemokraten sind in Baden kein Faktor, der in Betracht kommt.
Sie haben in manchen Wahlkreisen die äußerste Rührigkeit für ihre "Zähl¬
kandidaten" entfaltet. Das für sie günstigste Ergebniß erzielten sie im 11.
Wahlkreise (Mannheim), wo von 15,052 abgegebenen Stimmen sich 2362 auf


liberale Gesinnung v. Bodmann's Manchem nicht für vollwichtig erschienen sei.
Tief zu beklagen bleibt, daß der eine Universität umschließende Wahlkreis das
nationale und liberale Banner hat sinken lassen. Nach Wunsch des national-
liberalen Landesausschnsses hatte Lamey in Freiburg kcmdidiren sollen. Die
Kandidatur wurde von „Vertrauensmännern" des Wahlkreises nicht akzeptirt.
Wir haben das sofort ernstlich beklagt, wir beklagen noch mehr — obwohl wir
diesen Schritt durchaus begreiflich finden — daß in Folge der erfahrenen Ab¬
weisung Lamey, der von seinen Freunden zu der Kandidatur gedrängt worden
war, das Mandat zur zweiten Kammer, welches er für die Stadt Freiburg
führte, niedergelegt hat. Mannheim hat steh's diesesmal nicht nehmen lassen,
einen Demokraten zu entsenden. Die Stichwahl hat Herrn Kopfer gegen den
bisherigen national-liberalen Vertreter Scipio ans den Schild erhoben. Doch
wäre nichts weniger zutreffend, als aus diesem Wahlergebuiß zu schließen,
daß das bei der vorigen Reichstags- und Landtagswahl von den National-liberalen
okkupirte Terrain mit der Kopfer'schen Wahl an die Sonuemcmn'sche Demokratie
verloren gegangen sei. Herr Kopfer ist zufolge Kompromisses zwischen der
national-liberalen und der demokratischen Partei Vertreter der Stadt Mann¬
heim in unserer zweiten Kammer und passirr dort unter dem Titel „reichs-
sreuudlicher Demokrat". Mit dem Charakteristik»!!: der Sonneinaun'schen
Demokratie, dein infernalen Haß gegen das Reich, hat er nichts gemein. Mög¬
lich, daß er im Reichstage bei der Fortschrittspartei hospitiren wird. Seine
Wahl verdankt er wohl hauptsächlich der von ihm eingenommenen, den Inten¬
tionen der Neichsregiernng scharf entgegengesetzten Stellung zur Frage der
Tabaksbesteuerung. Mau hat getadelt, daß Herr Kopfer sich herbeigelassen
hat, vor der Stichwahl dein sozialdemokratischen Parteiausschnß bestimmte Ver¬
sprechungen zu geben, auf Grund deren das Eintreten der Sozialdemokraten
sür seine Kandidatnr beschlossen wurde. Diese Versprechungen sind zwar durch¬
aus und lediglich solche, welche als reiner Ausfluß des demokratischen Prinzips
sich von selbst verstehen, z. B. Ablehnung jedes Ausnahmegesetzes, Widerspruch
gegen jede Abschwächung des allgemeinen und direkten Wahlrechts. Allein ein
auf dem Boden unserer Staatsordnung stehender, wahrhaft liberaler Mann
weist jede Annäherung der Sozialdemokraten an ihn mit Verachtung zurück, er
verhandelt nicht ein Wort mit ihnen, verspricht diesen Feinden jeder Staats¬
und Rechtsordnung nichts, rein nichts, auch das nicht, was sich für ihn von
seinem Standpunkt aus ganz von selbst versteht. Oise!

Die Sozialdemokraten sind in Baden kein Faktor, der in Betracht kommt.
Sie haben in manchen Wahlkreisen die äußerste Rührigkeit für ihre „Zähl¬
kandidaten" entfaltet. Das für sie günstigste Ergebniß erzielten sie im 11.
Wahlkreise (Mannheim), wo von 15,052 abgegebenen Stimmen sich 2362 auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/405>, abgerufen am 22.07.2024.