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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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nicht anders sein. Entschieden unsere Heiterkeit muß es erregen, wenn mitten
in hochpoetischen Wendungen plötzlich der für unser Gefühl höchst prosaische
"Plaid" besungen wird, einmal sogar gereimt auf "laä/" ("Und hätt' ich frei
zu wählen hier, und könnte sein die reichste Lady, ich nähme doch jung Donald
mir mit blanker Mütz' und Gttrtelplciide") oder wenn das Mädchen, deren
Geliebter, Namens Colin, nach lauger Abwesenheit zurückgekehrt ist, zur "Amt¬
mannsfrau" eilen will, um ihr die frohe Kunde von seiner Rückkehr zu bringen,
vorher aber, um ihm zu gefallen, ein neues Seidenkleid, eine weiße Haube,
türkische Pantoffeln und endlich auch "Hosen, perlgestickt" anlegt. Oder man
denke sich folgende Strophen gesungen:


Hab' gelegt 'nen Hering in Salz,
Kind, sag' mir schleunigst, liebst du mich?
Hab' gebraut auch Pickling (?) in Malz,
Und ich kann ja nicht täglich frein um dich.
Hab' einen fast'gen Käse im Schrank,
Kind, nimm mich schleunigst, liebst du mich!
Wenn ich allein ihn aß', würd' ich krank,
Und ich will nicht mehr kommen zu frein um dich.

Es ist ernstlich zu bezweifeln, daß ein deutscher Liedersänger am Klavier
gerade diesem Hering und diesem Käse besonderen Geschmack abgewinnen sollte.
Und wer weiß, was hinter dem "Pickling in Malz" sich noch verbergen mag!
Auch die ausgesprochene Liebe sür den Kuhstall und den Schafpferch, für
den Mistelbaum und den Ginster, der in den schottischen Lieder hervortritt,
dürfte ein deutsches Gemüth kaum theilen.

Endlich begegnet man in unseren Liedern vielfach auch formellen Eigen-
hümlichkeiten, die dem deutschen Ohre wenig zusagen: z. B. der häufigen An¬
wendung von Reimen und Refrains, die uns entschieden einen spielenden, kindi¬
schen Eindruck machen. In den "Liedern von der grünen Insel" besingt einer
seinen Weinkrug und nennt ihn abwechselnd das "liebe Krügel mein, mein,
mein" und dann im Reime darauf sein "goldenlockig (!) Krügelein, kein, kein".
Das ist schlechterdings nicht zu goutiren. Besonders abgeschmackt wirken die
beliebten gleitenden Reime mit einsilbigen Worte am Schluß, wie:


O sieh den Maimond glühen, Lieb,
Des Leuchtwurms Fackel sprühen, Lieb,
Wie süß, im Hain
Zu schweifen allein,
Wenn die Welt verträumt ihr Mühen, Licht

oder noch schlimmer:


Selige Zeit, als noch hier war der Meine, o!
Als zu meiner Lämmerheerde er trieb stets die seine, o!
Als von seinem Plaid umhüllt ich süß geschlummert habe, o!
Und Treue er mir schwur, mein lieb Hochlandknabe, v!

nicht anders sein. Entschieden unsere Heiterkeit muß es erregen, wenn mitten
in hochpoetischen Wendungen plötzlich der für unser Gefühl höchst prosaische
„Plaid" besungen wird, einmal sogar gereimt auf „laä/" („Und hätt' ich frei
zu wählen hier, und könnte sein die reichste Lady, ich nähme doch jung Donald
mir mit blanker Mütz' und Gttrtelplciide") oder wenn das Mädchen, deren
Geliebter, Namens Colin, nach lauger Abwesenheit zurückgekehrt ist, zur „Amt¬
mannsfrau" eilen will, um ihr die frohe Kunde von seiner Rückkehr zu bringen,
vorher aber, um ihm zu gefallen, ein neues Seidenkleid, eine weiße Haube,
türkische Pantoffeln und endlich auch „Hosen, perlgestickt" anlegt. Oder man
denke sich folgende Strophen gesungen:


Hab' gelegt 'nen Hering in Salz,
Kind, sag' mir schleunigst, liebst du mich?
Hab' gebraut auch Pickling (?) in Malz,
Und ich kann ja nicht täglich frein um dich.
Hab' einen fast'gen Käse im Schrank,
Kind, nimm mich schleunigst, liebst du mich!
Wenn ich allein ihn aß', würd' ich krank,
Und ich will nicht mehr kommen zu frein um dich.

Es ist ernstlich zu bezweifeln, daß ein deutscher Liedersänger am Klavier
gerade diesem Hering und diesem Käse besonderen Geschmack abgewinnen sollte.
Und wer weiß, was hinter dem „Pickling in Malz" sich noch verbergen mag!
Auch die ausgesprochene Liebe sür den Kuhstall und den Schafpferch, für
den Mistelbaum und den Ginster, der in den schottischen Lieder hervortritt,
dürfte ein deutsches Gemüth kaum theilen.

Endlich begegnet man in unseren Liedern vielfach auch formellen Eigen-
hümlichkeiten, die dem deutschen Ohre wenig zusagen: z. B. der häufigen An¬
wendung von Reimen und Refrains, die uns entschieden einen spielenden, kindi¬
schen Eindruck machen. In den „Liedern von der grünen Insel" besingt einer
seinen Weinkrug und nennt ihn abwechselnd das „liebe Krügel mein, mein,
mein" und dann im Reime darauf sein „goldenlockig (!) Krügelein, kein, kein".
Das ist schlechterdings nicht zu goutiren. Besonders abgeschmackt wirken die
beliebten gleitenden Reime mit einsilbigen Worte am Schluß, wie:


O sieh den Maimond glühen, Lieb,
Des Leuchtwurms Fackel sprühen, Lieb,
Wie süß, im Hain
Zu schweifen allein,
Wenn die Welt verträumt ihr Mühen, Licht

oder noch schlimmer:


Selige Zeit, als noch hier war der Meine, o!
Als zu meiner Lämmerheerde er trieb stets die seine, o!
Als von seinem Plaid umhüllt ich süß geschlummert habe, o!
Und Treue er mir schwur, mein lieb Hochlandknabe, v!

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[0394] nicht anders sein. Entschieden unsere Heiterkeit muß es erregen, wenn mitten in hochpoetischen Wendungen plötzlich der für unser Gefühl höchst prosaische „Plaid" besungen wird, einmal sogar gereimt auf „laä/" („Und hätt' ich frei zu wählen hier, und könnte sein die reichste Lady, ich nähme doch jung Donald mir mit blanker Mütz' und Gttrtelplciide") oder wenn das Mädchen, deren Geliebter, Namens Colin, nach lauger Abwesenheit zurückgekehrt ist, zur „Amt¬ mannsfrau" eilen will, um ihr die frohe Kunde von seiner Rückkehr zu bringen, vorher aber, um ihm zu gefallen, ein neues Seidenkleid, eine weiße Haube, türkische Pantoffeln und endlich auch „Hosen, perlgestickt" anlegt. Oder man denke sich folgende Strophen gesungen: Hab' gelegt 'nen Hering in Salz, Kind, sag' mir schleunigst, liebst du mich? Hab' gebraut auch Pickling (?) in Malz, Und ich kann ja nicht täglich frein um dich. Hab' einen fast'gen Käse im Schrank, Kind, nimm mich schleunigst, liebst du mich! Wenn ich allein ihn aß', würd' ich krank, Und ich will nicht mehr kommen zu frein um dich. Es ist ernstlich zu bezweifeln, daß ein deutscher Liedersänger am Klavier gerade diesem Hering und diesem Käse besonderen Geschmack abgewinnen sollte. Und wer weiß, was hinter dem „Pickling in Malz" sich noch verbergen mag! Auch die ausgesprochene Liebe sür den Kuhstall und den Schafpferch, für den Mistelbaum und den Ginster, der in den schottischen Lieder hervortritt, dürfte ein deutsches Gemüth kaum theilen. Endlich begegnet man in unseren Liedern vielfach auch formellen Eigen- hümlichkeiten, die dem deutschen Ohre wenig zusagen: z. B. der häufigen An¬ wendung von Reimen und Refrains, die uns entschieden einen spielenden, kindi¬ schen Eindruck machen. In den „Liedern von der grünen Insel" besingt einer seinen Weinkrug und nennt ihn abwechselnd das „liebe Krügel mein, mein, mein" und dann im Reime darauf sein „goldenlockig (!) Krügelein, kein, kein". Das ist schlechterdings nicht zu goutiren. Besonders abgeschmackt wirken die beliebten gleitenden Reime mit einsilbigen Worte am Schluß, wie: O sieh den Maimond glühen, Lieb, Des Leuchtwurms Fackel sprühen, Lieb, Wie süß, im Hain Zu schweifen allein, Wenn die Welt verträumt ihr Mühen, Licht oder noch schlimmer: Selige Zeit, als noch hier war der Meine, o! Als zu meiner Lämmerheerde er trieb stets die seine, o! Als von seinem Plaid umhüllt ich süß geschlummert habe, o! Und Treue er mir schwur, mein lieb Hochlandknabe, v!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/394>, abgerufen am 22.07.2024.