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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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stützt in der Schlachtfront; nimmer ward solch ein Anblick gesehen." Geschichte
von Irland, Buch 12. Ccip. 1. -- Unter den "Liedern ans Wales" beginnt gleich
das erste, "Owain Glyndwr's Schlachtgesang", mit der Strophe:


Saht ihr den Flammcnstern?
Die Fackel blitzt aus Himmelsfern',
Weil Freiheit soll erstehn!
Blinkt auf dem Drachen hell,
Winkt: Ruhmes Fittich weilt zur Stell',
Wenn Krieger sterben gehn.

Dazu abermals folgende Bemerkung: "Sprich O-en Glendor. Dieser wali¬
sische Nationalheld ist derselbe Owen Glendower, welchen Shakespeare in
seinen: Heinrich IV. als Bundesgenossen Pereys vorführt und dort allerdings
in wenig schmeichelhaftem Lichte darstellt, als Großsprecher und Phantasten.
Die Erscheinung jenes Flammensterns vom Jahre 1402 fand Shakespeare in
seiner Quelle: "Holinshed's Histor/ ok Dr^g-na" erwähnt. -- Das Jahr 1402
wurde von einem Kometen eingeführt, welchen die Barden als Glückszeichen
für Glyndwr's Sache auslegten. Der erste Erfolg dieses Häuptlings bestätigte
diesen Glauben und ermuthigte sie. -- Glyndwr gab sich den Beinamen "der
Drache" in Nachahmung Ueber's, dessen Siege über die Sachsen durch die
Erscheinung eines in einen Drachen auslaufenden Sterns vorher verkündigt
worden waren; so wurde dies ein Lieblingssymbol der Waliser."

Ohne weiteres wird man zugeben, daß eine starke Dosis gelehrten In¬
teresses erforderlich ist, um sich als Deutscher beim Liedersingen am Klavier
beiläufig für alle möglichen antiquirten altschottischen Nationalhelden oder alt¬
walisischen Barden zu begeistern. An solchen Liedern aber, in denen sagenhafte
oder historische Reminiscenzen England's verherrlicht werden, und die in Folge
dessen für ein deutsches Publikum -- und wer weiß, ob nicht auch für einen
guten Theil des englischen? -- mit erklärenden Notizen beschwert werden
müssen, sind die vorliegenden Sammlungen so reich, daß man fast wünschen
mochte, der Herausgeber hätte in diesem Punkte eine etwas strengere Auswahl
getroffen. Denn trotz allen Ballastes von Anmerkungen bleibt doch für uns
noch immer mancherlei unerklärt und deshalb ungenießbar.

Und wie die Ereignisse, so sind auch die Lokalitäten, auf die in den Liedern
fort und fort angespielt wird, für uns oft nichts als fremdklingende Namen.
Bald follen wir uns für "Killarney's Uferrand", bald für den "See von Cool-
fin", bald für das "Thal von Avoea", bald für "Hopetoun's Berge", bald für
"Maxwelton's An'n", bald für die "Maid von Patie's Mill", bald für die
"Harfe von Tara" begeistern. Die exotischen Dichtungen Freiligrath's u. a.,
die oft nur durch fremdklingende Ortsnamen klangliche Wirkung zu erzielen
suchen, verspotten wir mit Recht als "gereimte Geographie". Wirken aber


stützt in der Schlachtfront; nimmer ward solch ein Anblick gesehen." Geschichte
von Irland, Buch 12. Ccip. 1. — Unter den „Liedern ans Wales" beginnt gleich
das erste, „Owain Glyndwr's Schlachtgesang", mit der Strophe:


Saht ihr den Flammcnstern?
Die Fackel blitzt aus Himmelsfern',
Weil Freiheit soll erstehn!
Blinkt auf dem Drachen hell,
Winkt: Ruhmes Fittich weilt zur Stell',
Wenn Krieger sterben gehn.

Dazu abermals folgende Bemerkung: „Sprich O-en Glendor. Dieser wali¬
sische Nationalheld ist derselbe Owen Glendower, welchen Shakespeare in
seinen: Heinrich IV. als Bundesgenossen Pereys vorführt und dort allerdings
in wenig schmeichelhaftem Lichte darstellt, als Großsprecher und Phantasten.
Die Erscheinung jenes Flammensterns vom Jahre 1402 fand Shakespeare in
seiner Quelle: „Holinshed's Histor/ ok Dr^g-na" erwähnt. — Das Jahr 1402
wurde von einem Kometen eingeführt, welchen die Barden als Glückszeichen
für Glyndwr's Sache auslegten. Der erste Erfolg dieses Häuptlings bestätigte
diesen Glauben und ermuthigte sie. — Glyndwr gab sich den Beinamen „der
Drache" in Nachahmung Ueber's, dessen Siege über die Sachsen durch die
Erscheinung eines in einen Drachen auslaufenden Sterns vorher verkündigt
worden waren; so wurde dies ein Lieblingssymbol der Waliser."

Ohne weiteres wird man zugeben, daß eine starke Dosis gelehrten In¬
teresses erforderlich ist, um sich als Deutscher beim Liedersingen am Klavier
beiläufig für alle möglichen antiquirten altschottischen Nationalhelden oder alt¬
walisischen Barden zu begeistern. An solchen Liedern aber, in denen sagenhafte
oder historische Reminiscenzen England's verherrlicht werden, und die in Folge
dessen für ein deutsches Publikum — und wer weiß, ob nicht auch für einen
guten Theil des englischen? — mit erklärenden Notizen beschwert werden
müssen, sind die vorliegenden Sammlungen so reich, daß man fast wünschen
mochte, der Herausgeber hätte in diesem Punkte eine etwas strengere Auswahl
getroffen. Denn trotz allen Ballastes von Anmerkungen bleibt doch für uns
noch immer mancherlei unerklärt und deshalb ungenießbar.

Und wie die Ereignisse, so sind auch die Lokalitäten, auf die in den Liedern
fort und fort angespielt wird, für uns oft nichts als fremdklingende Namen.
Bald follen wir uns für „Killarney's Uferrand", bald für den „See von Cool-
fin", bald für das „Thal von Avoea", bald für „Hopetoun's Berge", bald für
„Maxwelton's An'n", bald für die „Maid von Patie's Mill", bald für die
„Harfe von Tara" begeistern. Die exotischen Dichtungen Freiligrath's u. a.,
die oft nur durch fremdklingende Ortsnamen klangliche Wirkung zu erzielen
suchen, verspotten wir mit Recht als „gereimte Geographie". Wirken aber


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[0392] stützt in der Schlachtfront; nimmer ward solch ein Anblick gesehen." Geschichte von Irland, Buch 12. Ccip. 1. — Unter den „Liedern ans Wales" beginnt gleich das erste, „Owain Glyndwr's Schlachtgesang", mit der Strophe: Saht ihr den Flammcnstern? Die Fackel blitzt aus Himmelsfern', Weil Freiheit soll erstehn! Blinkt auf dem Drachen hell, Winkt: Ruhmes Fittich weilt zur Stell', Wenn Krieger sterben gehn. Dazu abermals folgende Bemerkung: „Sprich O-en Glendor. Dieser wali¬ sische Nationalheld ist derselbe Owen Glendower, welchen Shakespeare in seinen: Heinrich IV. als Bundesgenossen Pereys vorführt und dort allerdings in wenig schmeichelhaftem Lichte darstellt, als Großsprecher und Phantasten. Die Erscheinung jenes Flammensterns vom Jahre 1402 fand Shakespeare in seiner Quelle: „Holinshed's Histor/ ok Dr^g-na" erwähnt. — Das Jahr 1402 wurde von einem Kometen eingeführt, welchen die Barden als Glückszeichen für Glyndwr's Sache auslegten. Der erste Erfolg dieses Häuptlings bestätigte diesen Glauben und ermuthigte sie. — Glyndwr gab sich den Beinamen „der Drache" in Nachahmung Ueber's, dessen Siege über die Sachsen durch die Erscheinung eines in einen Drachen auslaufenden Sterns vorher verkündigt worden waren; so wurde dies ein Lieblingssymbol der Waliser." Ohne weiteres wird man zugeben, daß eine starke Dosis gelehrten In¬ teresses erforderlich ist, um sich als Deutscher beim Liedersingen am Klavier beiläufig für alle möglichen antiquirten altschottischen Nationalhelden oder alt¬ walisischen Barden zu begeistern. An solchen Liedern aber, in denen sagenhafte oder historische Reminiscenzen England's verherrlicht werden, und die in Folge dessen für ein deutsches Publikum — und wer weiß, ob nicht auch für einen guten Theil des englischen? — mit erklärenden Notizen beschwert werden müssen, sind die vorliegenden Sammlungen so reich, daß man fast wünschen mochte, der Herausgeber hätte in diesem Punkte eine etwas strengere Auswahl getroffen. Denn trotz allen Ballastes von Anmerkungen bleibt doch für uns noch immer mancherlei unerklärt und deshalb ungenießbar. Und wie die Ereignisse, so sind auch die Lokalitäten, auf die in den Liedern fort und fort angespielt wird, für uns oft nichts als fremdklingende Namen. Bald follen wir uns für „Killarney's Uferrand", bald für den „See von Cool- fin", bald für das „Thal von Avoea", bald für „Hopetoun's Berge", bald für „Maxwelton's An'n", bald für die „Maid von Patie's Mill", bald für die „Harfe von Tara" begeistern. Die exotischen Dichtungen Freiligrath's u. a., die oft nur durch fremdklingende Ortsnamen klangliche Wirkung zu erzielen suchen, verspotten wir mit Recht als „gereimte Geographie". Wirken aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/392>, abgerufen am 22.07.2024.