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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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wollte; infolge dessen unternahm eben Thomson, nu kritischem Geiste und Sach-
kenntniß Johnson entschieden überlegen, 1792 sein neues Sammelwerk, das
ebenso in der musikalischen Bearbeitung, wie in den untergelegten Liedertexten
alles bis dahin geleistete übertreffen sollte. So wandte sich auch Thomson
an den damals 33jährigen Burns und forderte ihn auf, überall wo die vor¬
handenen Verse der alten schönen Melodien unwürdig erschienen, "zur Ehre
Caledvnia's" helfend einzugreifen. Voll Begeisterung ging der Dichter auch
auf diese Bitte ein und lieferte für die "Noloäios ok Lootl.-ura" ebenfalls 120
Lieder. "Mit all meiner geringen, aber durch den Impuls der Begeisterung
zu ihrem höchsten Umfange angespannten Fähigkeit -- schreibt er am 16. Sep¬
tember 1792 an Thomson -- werde ich in Ihr Unternehmen eintreten." Jedes
Honorar lehnte er ab. "Bei dem ehrlichen Enthusiasmus, mit dem ich mich
zu Ihrer Unternehmung einschiffe, von Geld zu sprechen, wäre geradezu eine
Herabwürdigung der Seele (Prostitution ok forn)", heißt es in demselben
Briefe, und als später der Herausgeber sein Anerbieten einer Geldvergütnng
erneuerte, erregte er Burns' Zorn in solchem Grade, daß dieser mit seinein
Rücktritt drohte, wenn ein ähnlicher Versuch nochmals gemacht werden würde.

Interessant ist es, aus des Dichters eigenem Munde zu hören, wie er
den alten Volksweisen gegenüber verfuhr, wie er die Verse dem Klang und
Rhythmus der Melodie anpaßte. In einem späteren Briefe an Thomson schreibt
er: "Die jüngst übersandte Weise "I^Actis, tlo no^r wo" muß einige Zeit bei
mir liegen. Ich kenne die Melodie noch nicht, und ehe ich ihrer nicht, nach
meinem eignen Singen, so wie es ist, unbedingt Meister bin, kann ich nicht
danach dichten. Mein Weg ist folgender: ich betrachte die poetische Stimmung
nach meiner Idee vom musikalischen Ausdruck, wähle dann ein Thema, beginne
eine Strophe. Wenn diese fertig ist -- gewöhnlich das schwerste Stück der
Sache -- so gehe ich hinaus spazieren, setze mich ab und zu nieder, schaue
aus nach Gegenständen in der Natur um mich herum, die im Einklang mit
dem Sinnen meiner Einbildungskraft und der Arbeit meines Innern sind, und
Summe dann und wann die Melodie mit den von mir gebildeten Versen.
Fühle ich, daß meine Muse erlahmt, so ziehe ich mich nach dem einsamen
Kamin meines Stndirzimmers zurück und bringe meine Ergüsse zu Papier,
hie und da auf den Rückbeinen meines Armsessels mich wiegend, um, während
die Feder vorrückt, meine eigene zügelnde Kritik anzurufen."

Dies war sein Verfahren, wo es galt, von Grund aus Neues zu schaffen,
und mit Vorliebe ging Burns allerdings radikal zu Werke. Aber immer war
dies keineswegs der Fall. Wo der alte Text annehmbar erschien, blieb er
bestehen, und nur kleine Aenderungen, Zusätze einzelner Strophen, Umgestaltungen
einzelner Zeilen verrathen dann die kritische Hand des knnstmäßigen Dichters.


wollte; infolge dessen unternahm eben Thomson, nu kritischem Geiste und Sach-
kenntniß Johnson entschieden überlegen, 1792 sein neues Sammelwerk, das
ebenso in der musikalischen Bearbeitung, wie in den untergelegten Liedertexten
alles bis dahin geleistete übertreffen sollte. So wandte sich auch Thomson
an den damals 33jährigen Burns und forderte ihn auf, überall wo die vor¬
handenen Verse der alten schönen Melodien unwürdig erschienen, „zur Ehre
Caledvnia's" helfend einzugreifen. Voll Begeisterung ging der Dichter auch
auf diese Bitte ein und lieferte für die „Noloäios ok Lootl.-ura" ebenfalls 120
Lieder. „Mit all meiner geringen, aber durch den Impuls der Begeisterung
zu ihrem höchsten Umfange angespannten Fähigkeit — schreibt er am 16. Sep¬
tember 1792 an Thomson — werde ich in Ihr Unternehmen eintreten." Jedes
Honorar lehnte er ab. „Bei dem ehrlichen Enthusiasmus, mit dem ich mich
zu Ihrer Unternehmung einschiffe, von Geld zu sprechen, wäre geradezu eine
Herabwürdigung der Seele (Prostitution ok forn)", heißt es in demselben
Briefe, und als später der Herausgeber sein Anerbieten einer Geldvergütnng
erneuerte, erregte er Burns' Zorn in solchem Grade, daß dieser mit seinein
Rücktritt drohte, wenn ein ähnlicher Versuch nochmals gemacht werden würde.

Interessant ist es, aus des Dichters eigenem Munde zu hören, wie er
den alten Volksweisen gegenüber verfuhr, wie er die Verse dem Klang und
Rhythmus der Melodie anpaßte. In einem späteren Briefe an Thomson schreibt
er: „Die jüngst übersandte Weise „I^Actis, tlo no^r wo" muß einige Zeit bei
mir liegen. Ich kenne die Melodie noch nicht, und ehe ich ihrer nicht, nach
meinem eignen Singen, so wie es ist, unbedingt Meister bin, kann ich nicht
danach dichten. Mein Weg ist folgender: ich betrachte die poetische Stimmung
nach meiner Idee vom musikalischen Ausdruck, wähle dann ein Thema, beginne
eine Strophe. Wenn diese fertig ist — gewöhnlich das schwerste Stück der
Sache — so gehe ich hinaus spazieren, setze mich ab und zu nieder, schaue
aus nach Gegenständen in der Natur um mich herum, die im Einklang mit
dem Sinnen meiner Einbildungskraft und der Arbeit meines Innern sind, und
Summe dann und wann die Melodie mit den von mir gebildeten Versen.
Fühle ich, daß meine Muse erlahmt, so ziehe ich mich nach dem einsamen
Kamin meines Stndirzimmers zurück und bringe meine Ergüsse zu Papier,
hie und da auf den Rückbeinen meines Armsessels mich wiegend, um, während
die Feder vorrückt, meine eigene zügelnde Kritik anzurufen."

Dies war sein Verfahren, wo es galt, von Grund aus Neues zu schaffen,
und mit Vorliebe ging Burns allerdings radikal zu Werke. Aber immer war
dies keineswegs der Fall. Wo der alte Text annehmbar erschien, blieb er
bestehen, und nur kleine Aenderungen, Zusätze einzelner Strophen, Umgestaltungen
einzelner Zeilen verrathen dann die kritische Hand des knnstmäßigen Dichters.


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[0387] wollte; infolge dessen unternahm eben Thomson, nu kritischem Geiste und Sach- kenntniß Johnson entschieden überlegen, 1792 sein neues Sammelwerk, das ebenso in der musikalischen Bearbeitung, wie in den untergelegten Liedertexten alles bis dahin geleistete übertreffen sollte. So wandte sich auch Thomson an den damals 33jährigen Burns und forderte ihn auf, überall wo die vor¬ handenen Verse der alten schönen Melodien unwürdig erschienen, „zur Ehre Caledvnia's" helfend einzugreifen. Voll Begeisterung ging der Dichter auch auf diese Bitte ein und lieferte für die „Noloäios ok Lootl.-ura" ebenfalls 120 Lieder. „Mit all meiner geringen, aber durch den Impuls der Begeisterung zu ihrem höchsten Umfange angespannten Fähigkeit — schreibt er am 16. Sep¬ tember 1792 an Thomson — werde ich in Ihr Unternehmen eintreten." Jedes Honorar lehnte er ab. „Bei dem ehrlichen Enthusiasmus, mit dem ich mich zu Ihrer Unternehmung einschiffe, von Geld zu sprechen, wäre geradezu eine Herabwürdigung der Seele (Prostitution ok forn)", heißt es in demselben Briefe, und als später der Herausgeber sein Anerbieten einer Geldvergütnng erneuerte, erregte er Burns' Zorn in solchem Grade, daß dieser mit seinein Rücktritt drohte, wenn ein ähnlicher Versuch nochmals gemacht werden würde. Interessant ist es, aus des Dichters eigenem Munde zu hören, wie er den alten Volksweisen gegenüber verfuhr, wie er die Verse dem Klang und Rhythmus der Melodie anpaßte. In einem späteren Briefe an Thomson schreibt er: „Die jüngst übersandte Weise „I^Actis, tlo no^r wo" muß einige Zeit bei mir liegen. Ich kenne die Melodie noch nicht, und ehe ich ihrer nicht, nach meinem eignen Singen, so wie es ist, unbedingt Meister bin, kann ich nicht danach dichten. Mein Weg ist folgender: ich betrachte die poetische Stimmung nach meiner Idee vom musikalischen Ausdruck, wähle dann ein Thema, beginne eine Strophe. Wenn diese fertig ist — gewöhnlich das schwerste Stück der Sache — so gehe ich hinaus spazieren, setze mich ab und zu nieder, schaue aus nach Gegenständen in der Natur um mich herum, die im Einklang mit dem Sinnen meiner Einbildungskraft und der Arbeit meines Innern sind, und Summe dann und wann die Melodie mit den von mir gebildeten Versen. Fühle ich, daß meine Muse erlahmt, so ziehe ich mich nach dem einsamen Kamin meines Stndirzimmers zurück und bringe meine Ergüsse zu Papier, hie und da auf den Rückbeinen meines Armsessels mich wiegend, um, während die Feder vorrückt, meine eigene zügelnde Kritik anzurufen." Dies war sein Verfahren, wo es galt, von Grund aus Neues zu schaffen, und mit Vorliebe ging Burns allerdings radikal zu Werke. Aber immer war dies keineswegs der Fall. Wo der alte Text annehmbar erschien, blieb er bestehen, und nur kleine Aenderungen, Zusätze einzelner Strophen, Umgestaltungen einzelner Zeilen verrathen dann die kritische Hand des knnstmäßigen Dichters.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/387>, abgerufen am 22.07.2024.