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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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in den Besitz eines großen Theils von Unteritalien, Es kam nun darauf an,
ob es möglich war, sich derart zu verstärken, daß man gegen das Zentrum der
feindlichen Macht vorgehen konnte.

Die karthagische Regierung, begeistert durch den ccmnensischen Sieg, be¬
schloß 4000 numidische Reiter und 40 Elephanten nach Italien zu schicken und
in Spanien neue Werbungen von 20,000 Mann zu Fuß und 4000 zu Pferd
zu machen. Denn Spanien war die beste Rekrutirungsquelle, und am Ende
hing jetzt alles davon ab, wie sich die Dinge auf dem Boden der iberischen
Halbinsel gestalten würden. Selbst neue Siege in Italien konnten Hannibal's
Sache nicht wesentlich fördern, so lange er nicht in die Lage kam, erfolg¬
reich gegen die festen Plätze vorzugehen. Wie wenig er das zur Zeit vermochte,
geht auf das Deutlichste aus dem monatelangen Widerstande hervor, den ihm
eben jetzt ein ganz kleines Nest, Casilinum, das kaum 1000 Mann Besatzung
hatte, mit rühmlicher Entschlossenheit entgegensetzte. Er nahm das Städtchen
endlich nur durch Hunger. Und diese Erfahrung war nicht neu; sie hatte sich
vielmehr während des ganzen Krieges wiederholt. Placentici, Cremona, Mutina
im cisalpinischen Gallien blieben, obgleich kaum befestigt, ununterbrochen in
römischen Händen und bildeten einen festen Wall nach Norden; von den vielen
etrurischen Städten hatte Hannibal auch keine einzige bezwungen; nach der
Schlacht am Trasimenus war das kleine Spoleto im Stande gewesen, ihn ab¬
zuweisen. Seine Angriffe auf Neapel, auf Cumae, Nola, Puteoli schlugen fehl.
Man begreift, wie unter diesen Umständen der Angriff der Stadt Rom dem
Hannibal als eine noch kaum in Frage kommende Aufgabe erscheinen mochte.

Nun jedoch erstand Rom auch noch auf einem audern Schauplatz ein neuer
Feind : in Sizilien. Diese Insel war seit 227 einem Prätor untergeben, welcher
die gestimmte Verwaltung, die Rechtspflege wie das Militärkommando leitete
Diese Prätur war das erste jener jährlichen Vice-Königthümer, welche in der
Folge so verhängnißvolle Bedeutung gewinnen sollten. Nun drehte sich der
Krieg auf Sizilien um. Bisher war die Insel in der Treue zu Rom erhalten
worden wesentlich dnrch die Weisheit des alten Tyrannen Hiero von Syrcikus.
Als dieser aber, mehr denn 90 Jahre alt, die Augen schloß, knüpfte sein Nach¬
folger Hieronhmos sofort Verbindungen mit den Karthagern an, die ihm bereit¬
willig den Besitz der ganzen Insel versprachen. Er selbst fiel zwar bald als ein
Opfer seiner Tyrannei; doch der Abfall von Syrakus wie vieler anderer Plätze
Sizilien's vollzog sich dennoch, und damit war Rom eine neue große Schwierig¬
keit bereitet.

Das römische Volk hatte sich zu den höchsten Anstrengungen aufzuraffen.
Außerordentlich wuchsen die Ansprüche, welche Heer und Flotte stellten, und
dabei waren die Kassen leer, die Kräfte des Staates im Schwinden, ein großer


in den Besitz eines großen Theils von Unteritalien, Es kam nun darauf an,
ob es möglich war, sich derart zu verstärken, daß man gegen das Zentrum der
feindlichen Macht vorgehen konnte.

Die karthagische Regierung, begeistert durch den ccmnensischen Sieg, be¬
schloß 4000 numidische Reiter und 40 Elephanten nach Italien zu schicken und
in Spanien neue Werbungen von 20,000 Mann zu Fuß und 4000 zu Pferd
zu machen. Denn Spanien war die beste Rekrutirungsquelle, und am Ende
hing jetzt alles davon ab, wie sich die Dinge auf dem Boden der iberischen
Halbinsel gestalten würden. Selbst neue Siege in Italien konnten Hannibal's
Sache nicht wesentlich fördern, so lange er nicht in die Lage kam, erfolg¬
reich gegen die festen Plätze vorzugehen. Wie wenig er das zur Zeit vermochte,
geht auf das Deutlichste aus dem monatelangen Widerstande hervor, den ihm
eben jetzt ein ganz kleines Nest, Casilinum, das kaum 1000 Mann Besatzung
hatte, mit rühmlicher Entschlossenheit entgegensetzte. Er nahm das Städtchen
endlich nur durch Hunger. Und diese Erfahrung war nicht neu; sie hatte sich
vielmehr während des ganzen Krieges wiederholt. Placentici, Cremona, Mutina
im cisalpinischen Gallien blieben, obgleich kaum befestigt, ununterbrochen in
römischen Händen und bildeten einen festen Wall nach Norden; von den vielen
etrurischen Städten hatte Hannibal auch keine einzige bezwungen; nach der
Schlacht am Trasimenus war das kleine Spoleto im Stande gewesen, ihn ab¬
zuweisen. Seine Angriffe auf Neapel, auf Cumae, Nola, Puteoli schlugen fehl.
Man begreift, wie unter diesen Umständen der Angriff der Stadt Rom dem
Hannibal als eine noch kaum in Frage kommende Aufgabe erscheinen mochte.

Nun jedoch erstand Rom auch noch auf einem audern Schauplatz ein neuer
Feind : in Sizilien. Diese Insel war seit 227 einem Prätor untergeben, welcher
die gestimmte Verwaltung, die Rechtspflege wie das Militärkommando leitete
Diese Prätur war das erste jener jährlichen Vice-Königthümer, welche in der
Folge so verhängnißvolle Bedeutung gewinnen sollten. Nun drehte sich der
Krieg auf Sizilien um. Bisher war die Insel in der Treue zu Rom erhalten
worden wesentlich dnrch die Weisheit des alten Tyrannen Hiero von Syrcikus.
Als dieser aber, mehr denn 90 Jahre alt, die Augen schloß, knüpfte sein Nach¬
folger Hieronhmos sofort Verbindungen mit den Karthagern an, die ihm bereit¬
willig den Besitz der ganzen Insel versprachen. Er selbst fiel zwar bald als ein
Opfer seiner Tyrannei; doch der Abfall von Syrakus wie vieler anderer Plätze
Sizilien's vollzog sich dennoch, und damit war Rom eine neue große Schwierig¬
keit bereitet.

Das römische Volk hatte sich zu den höchsten Anstrengungen aufzuraffen.
Außerordentlich wuchsen die Ansprüche, welche Heer und Flotte stellten, und
dabei waren die Kassen leer, die Kräfte des Staates im Schwinden, ein großer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/319>, abgerufen am 22.07.2024.