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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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itzo an seinem Ort" schreibt Lotter -- kurz, es sei alles darauf angelegt, ihn
von Wittenberg fortzubringen. Doch hoffe er, es werde nicht die Absicht des
Kurfürsten sein, ihn mit seinen acht Kindern so von Wittenberg zu verjagen.

Im letzten Theile seines Schreibens kommt Lotter nochmals auf den schon
anfangs berührten Vorwurf zurück, daß es ihm nicht Ernst damit gewesen
sei, sich in Wittenberg ansässig zu machen. Mit dem Gewinn, den er angeb¬
lich in Wittenberg gemacht, sei es nicht weit her. Allerdings habe er beim
Drucken gewonnen, aber davon habe er sich wahrlich das neue Haus nicht
bauen können, sondern er habe zwei Miethhänser in Leipzig, von denen ihm
das eine 8, das andere 20 Gulden jährlichen Miethzins eingebracht, verkaufen
müssen. In Leipzig habe er gar keine Druckerei mehr, nur die Gewölbe lägen
ihm noch "voll alter Bücher, die niemands acht, noch begehrt"; wäre es reines
Papier, so könnte er wenigstens noch etwas daraus lösen. Sollte er das Hans
in Leipzig erst jetzt bauen, wie man doch behaupte, so würde er's wohl bleiben
lassen. Er habe es aber von Grund aus bis in den zweiten Stock gebaut,
noch ehe er mit einem Schritt nach Wittenberg gekommen sei. Dies würden
ihm Luther, Melcinchthon und die anderen Herren von Wittenberg, die 1519
während der Leipziger Disputation bei ihm "zu Herberge gelegen", bezeugen.
Was er in der letzten Zeit noch an dem Hause gebaut, das habe er thun
müssen, weil ihm aufgegeben worden sei, es auszubauen. Es geschehe aber
nicht mit seinem, sondern mit fremder Leute Geld, Gott möge wissen, wann es
endlich einmal fertig werden würde. Er wolle seinen Widersachern nicht
wünschen, "daß sie solche Gnade und Gunst, auch Gewinnst und Gedeihen er¬
langten", wie er sie in Wittenberg erlangt habe; sollten sie die Buße und Un¬
gnade tragen, wie er, so würde ihnen wohl anders zu Muthe sein, als jetzt,
wo sie "in Gnade und glücklichem Wesen" ständen. Er gönne ihnen alles von
Herzen gern, aber man möge nur auch ihn und seine Kinder bestehen lassen
und nicht ohne Ursache verfolgen. Er habe nicht bloß ihnen, sondern auch
vielen andern Wittenbergern allezeit nach seinem Vermögen gethan, was ihnen
"Dienst und lieb" sei, auch der ganzen Universität, Doctoribus, Magistris und
allen Studenten, und er hoffe, daß sich niemand auch nur im geringsten über
ihn zu beklagen habe.

Schließlich appellirt er an die Gerechtigkeitsliebe des Kurfürsten, bittet
ihn, auf die Verunglimpfungen, die hinter seinem Rücken dem Fürsten zuge¬
tragen worden, nicht zu achten, ehe er ihn nicht mündlich oder schriftlich habe
zu Verhör kommen lassen. Er möge sich seiner und seiner armen Kinder er¬
barmen, und gnädiglich nachlassen, daß sie in Wittenberg neben anderen auch
gefördert und nicht so schimpflich und elendiglich verjagt werden möchten. Er
sei einer der ersten Drucker zu Wittenberg gewesen, habe seine Pressen und sein


itzo an seinem Ort" schreibt Lotter — kurz, es sei alles darauf angelegt, ihn
von Wittenberg fortzubringen. Doch hoffe er, es werde nicht die Absicht des
Kurfürsten sein, ihn mit seinen acht Kindern so von Wittenberg zu verjagen.

Im letzten Theile seines Schreibens kommt Lotter nochmals auf den schon
anfangs berührten Vorwurf zurück, daß es ihm nicht Ernst damit gewesen
sei, sich in Wittenberg ansässig zu machen. Mit dem Gewinn, den er angeb¬
lich in Wittenberg gemacht, sei es nicht weit her. Allerdings habe er beim
Drucken gewonnen, aber davon habe er sich wahrlich das neue Haus nicht
bauen können, sondern er habe zwei Miethhänser in Leipzig, von denen ihm
das eine 8, das andere 20 Gulden jährlichen Miethzins eingebracht, verkaufen
müssen. In Leipzig habe er gar keine Druckerei mehr, nur die Gewölbe lägen
ihm noch „voll alter Bücher, die niemands acht, noch begehrt"; wäre es reines
Papier, so könnte er wenigstens noch etwas daraus lösen. Sollte er das Hans
in Leipzig erst jetzt bauen, wie man doch behaupte, so würde er's wohl bleiben
lassen. Er habe es aber von Grund aus bis in den zweiten Stock gebaut,
noch ehe er mit einem Schritt nach Wittenberg gekommen sei. Dies würden
ihm Luther, Melcinchthon und die anderen Herren von Wittenberg, die 1519
während der Leipziger Disputation bei ihm „zu Herberge gelegen", bezeugen.
Was er in der letzten Zeit noch an dem Hause gebaut, das habe er thun
müssen, weil ihm aufgegeben worden sei, es auszubauen. Es geschehe aber
nicht mit seinem, sondern mit fremder Leute Geld, Gott möge wissen, wann es
endlich einmal fertig werden würde. Er wolle seinen Widersachern nicht
wünschen, „daß sie solche Gnade und Gunst, auch Gewinnst und Gedeihen er¬
langten", wie er sie in Wittenberg erlangt habe; sollten sie die Buße und Un¬
gnade tragen, wie er, so würde ihnen wohl anders zu Muthe sein, als jetzt,
wo sie „in Gnade und glücklichem Wesen" ständen. Er gönne ihnen alles von
Herzen gern, aber man möge nur auch ihn und seine Kinder bestehen lassen
und nicht ohne Ursache verfolgen. Er habe nicht bloß ihnen, sondern auch
vielen andern Wittenbergern allezeit nach seinem Vermögen gethan, was ihnen
„Dienst und lieb" sei, auch der ganzen Universität, Doctoribus, Magistris und
allen Studenten, und er hoffe, daß sich niemand auch nur im geringsten über
ihn zu beklagen habe.

Schließlich appellirt er an die Gerechtigkeitsliebe des Kurfürsten, bittet
ihn, auf die Verunglimpfungen, die hinter seinem Rücken dem Fürsten zuge¬
tragen worden, nicht zu achten, ehe er ihn nicht mündlich oder schriftlich habe
zu Verhör kommen lassen. Er möge sich seiner und seiner armen Kinder er¬
barmen, und gnädiglich nachlassen, daß sie in Wittenberg neben anderen auch
gefördert und nicht so schimpflich und elendiglich verjagt werden möchten. Er
sei einer der ersten Drucker zu Wittenberg gewesen, habe seine Pressen und sein


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[0302] itzo an seinem Ort" schreibt Lotter — kurz, es sei alles darauf angelegt, ihn von Wittenberg fortzubringen. Doch hoffe er, es werde nicht die Absicht des Kurfürsten sein, ihn mit seinen acht Kindern so von Wittenberg zu verjagen. Im letzten Theile seines Schreibens kommt Lotter nochmals auf den schon anfangs berührten Vorwurf zurück, daß es ihm nicht Ernst damit gewesen sei, sich in Wittenberg ansässig zu machen. Mit dem Gewinn, den er angeb¬ lich in Wittenberg gemacht, sei es nicht weit her. Allerdings habe er beim Drucken gewonnen, aber davon habe er sich wahrlich das neue Haus nicht bauen können, sondern er habe zwei Miethhänser in Leipzig, von denen ihm das eine 8, das andere 20 Gulden jährlichen Miethzins eingebracht, verkaufen müssen. In Leipzig habe er gar keine Druckerei mehr, nur die Gewölbe lägen ihm noch „voll alter Bücher, die niemands acht, noch begehrt"; wäre es reines Papier, so könnte er wenigstens noch etwas daraus lösen. Sollte er das Hans in Leipzig erst jetzt bauen, wie man doch behaupte, so würde er's wohl bleiben lassen. Er habe es aber von Grund aus bis in den zweiten Stock gebaut, noch ehe er mit einem Schritt nach Wittenberg gekommen sei. Dies würden ihm Luther, Melcinchthon und die anderen Herren von Wittenberg, die 1519 während der Leipziger Disputation bei ihm „zu Herberge gelegen", bezeugen. Was er in der letzten Zeit noch an dem Hause gebaut, das habe er thun müssen, weil ihm aufgegeben worden sei, es auszubauen. Es geschehe aber nicht mit seinem, sondern mit fremder Leute Geld, Gott möge wissen, wann es endlich einmal fertig werden würde. Er wolle seinen Widersachern nicht wünschen, „daß sie solche Gnade und Gunst, auch Gewinnst und Gedeihen er¬ langten", wie er sie in Wittenberg erlangt habe; sollten sie die Buße und Un¬ gnade tragen, wie er, so würde ihnen wohl anders zu Muthe sein, als jetzt, wo sie „in Gnade und glücklichem Wesen" ständen. Er gönne ihnen alles von Herzen gern, aber man möge nur auch ihn und seine Kinder bestehen lassen und nicht ohne Ursache verfolgen. Er habe nicht bloß ihnen, sondern auch vielen andern Wittenbergern allezeit nach seinem Vermögen gethan, was ihnen „Dienst und lieb" sei, auch der ganzen Universität, Doctoribus, Magistris und allen Studenten, und er hoffe, daß sich niemand auch nur im geringsten über ihn zu beklagen habe. Schließlich appellirt er an die Gerechtigkeitsliebe des Kurfürsten, bittet ihn, auf die Verunglimpfungen, die hinter seinem Rücken dem Fürsten zuge¬ tragen worden, nicht zu achten, ehe er ihn nicht mündlich oder schriftlich habe zu Verhör kommen lassen. Er möge sich seiner und seiner armen Kinder er¬ barmen, und gnädiglich nachlassen, daß sie in Wittenberg neben anderen auch gefördert und nicht so schimpflich und elendiglich verjagt werden möchten. Er sei einer der ersten Drucker zu Wittenberg gewesen, habe seine Pressen und sein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/302>, abgerufen am 25.07.2024.