Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schneiden in der Höhe der Dachränder ab und sind durch senkrechte, parallele
Latten mit der Innenseite der beiden Dachhälsten verbunden. So entsteht an
beiden Giebel- und anch den übrige" Querwänden ein dreieckiges Gitter, welches
die durch die spaltenreichen Wände ohnehin schon begünstigte Lnftzirknlation
bis zum Ueberflüssigen steigert.

Die Haupttheile der gewöhnlichen Häuser in einem großen Gebiet des
tropischen Westafrika bestehen aus klassischem Material; Hunderte von Schäften
des berühmten Papyrusgrases (L/xoruL ?ax.pi'us) aneinandergereiht, bilden
die Wände. Fast überall in den Küsteulaudschaften ziehen sich in einzelnen
Thaleinschnitten ausgedehnte Papyrussüinpfe hin, und auch die Flüsse sind
hier und dort von dem schlankhalmigen, wunderbar schönen Grase umnfert.
In langsamen Ans- und Niederwallen wiegt sich der Schaftenwald im Winde
und leise erzittern die zierlichen Fadenkroueu. Kein schöures Bild, als wenn
die Nacht über der Erde lagert, das milde Licht des Mondes auf den glitzernde"
Strom herniederglänzt und durch den zarten, duftigen Schleier der Papyrus¬
graswipfel hierdurch die halbgeschlossenen, leuchtenden Blumen weißer, blauer
und rother Wasserrosen umspielt. Und wenn dann die Landesplage, der Mos-
kitcnschwarm, nicht zu lästig ist, wie wunderbar lauscht es sich dann im sest-
verankerten, verborgenen Kanoe nach den stolz bedornten M-wuliantilopen
s1'rago1axIio8 sur^esros), die dort drüben zwischen dem mächtigen Cypergras
ans Ufer treten und von der murmelnden Fluth in langen Zügen trinken.

Aus dem edlen, saftigen Grün des Loaugograses -- so heißt der Papyrus
an jeuer Küste -- wird, wenn es geschnitten worden, allmählig ein mattes
Lehmgelb, die Dächer über den Loaugowänden der Häuser sind von ähnlicher
Farbe, nur spielen sie noch mehr in ein dunkleres Braungrau; deshalb ist der
Anblick eines solchen Menschenkäfigs ein gar trister und monotoner. Um aus
dem Locmgograse eine Wand herzustellen, wird ein Bund desselben, dessen ein-
zelne Schafte auf Naturfäden lose aneinander gereiht siud, ausgerollt und an
Gerten auf beiden Seiten mit Libamba, dem dort gebräuchlichen Bindematerial,
festgeschnürt; dann wird die Wand oben lind unter beschnitten und sie ist zum
Hausbau fertig. Mit derselben Libamba, der Portugiese nennt diese elastischen
Fäden, welche unserem Stuhlrohr gleichen und in der That auch von einer
Kalamuspalme gewonnen sind, Muschinga, werden die Wände an die in die
Erde eingerammten Mangrovenholzpfosten des Hauses festgeknotet. Um dem
Bau größere Festigkeit zu geben, siud die senkrechten Wandbalken, welche zu¬
gleich das Dach stützen, durch horizontale verbunden, so daß sich leicht hier und
dort ein passender Platz findet, um einige fenster- und thurmartige Oeffnungen
aus deu Wänden herauszuschreiben. An einem der Seitenbalken hängt dann
an Lederstückeu eine Platte von Brettern; wenn es hoch kommt, werden die


schneiden in der Höhe der Dachränder ab und sind durch senkrechte, parallele
Latten mit der Innenseite der beiden Dachhälsten verbunden. So entsteht an
beiden Giebel- und anch den übrige» Querwänden ein dreieckiges Gitter, welches
die durch die spaltenreichen Wände ohnehin schon begünstigte Lnftzirknlation
bis zum Ueberflüssigen steigert.

Die Haupttheile der gewöhnlichen Häuser in einem großen Gebiet des
tropischen Westafrika bestehen aus klassischem Material; Hunderte von Schäften
des berühmten Papyrusgrases (L/xoruL ?ax.pi'us) aneinandergereiht, bilden
die Wände. Fast überall in den Küsteulaudschaften ziehen sich in einzelnen
Thaleinschnitten ausgedehnte Papyrussüinpfe hin, und auch die Flüsse sind
hier und dort von dem schlankhalmigen, wunderbar schönen Grase umnfert.
In langsamen Ans- und Niederwallen wiegt sich der Schaftenwald im Winde
und leise erzittern die zierlichen Fadenkroueu. Kein schöures Bild, als wenn
die Nacht über der Erde lagert, das milde Licht des Mondes auf den glitzernde»
Strom herniederglänzt und durch den zarten, duftigen Schleier der Papyrus¬
graswipfel hierdurch die halbgeschlossenen, leuchtenden Blumen weißer, blauer
und rother Wasserrosen umspielt. Und wenn dann die Landesplage, der Mos-
kitcnschwarm, nicht zu lästig ist, wie wunderbar lauscht es sich dann im sest-
verankerten, verborgenen Kanoe nach den stolz bedornten M-wuliantilopen
s1'rago1axIio8 sur^esros), die dort drüben zwischen dem mächtigen Cypergras
ans Ufer treten und von der murmelnden Fluth in langen Zügen trinken.

Aus dem edlen, saftigen Grün des Loaugograses — so heißt der Papyrus
an jeuer Küste — wird, wenn es geschnitten worden, allmählig ein mattes
Lehmgelb, die Dächer über den Loaugowänden der Häuser sind von ähnlicher
Farbe, nur spielen sie noch mehr in ein dunkleres Braungrau; deshalb ist der
Anblick eines solchen Menschenkäfigs ein gar trister und monotoner. Um aus
dem Locmgograse eine Wand herzustellen, wird ein Bund desselben, dessen ein-
zelne Schafte auf Naturfäden lose aneinander gereiht siud, ausgerollt und an
Gerten auf beiden Seiten mit Libamba, dem dort gebräuchlichen Bindematerial,
festgeschnürt; dann wird die Wand oben lind unter beschnitten und sie ist zum
Hausbau fertig. Mit derselben Libamba, der Portugiese nennt diese elastischen
Fäden, welche unserem Stuhlrohr gleichen und in der That auch von einer
Kalamuspalme gewonnen sind, Muschinga, werden die Wände an die in die
Erde eingerammten Mangrovenholzpfosten des Hauses festgeknotet. Um dem
Bau größere Festigkeit zu geben, siud die senkrechten Wandbalken, welche zu¬
gleich das Dach stützen, durch horizontale verbunden, so daß sich leicht hier und
dort ein passender Platz findet, um einige fenster- und thurmartige Oeffnungen
aus deu Wänden herauszuschreiben. An einem der Seitenbalken hängt dann
an Lederstückeu eine Platte von Brettern; wenn es hoch kommt, werden die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140375"/>
          <p xml:id="ID_52" prev="#ID_51"> schneiden in der Höhe der Dachränder ab und sind durch senkrechte, parallele<lb/>
Latten mit der Innenseite der beiden Dachhälsten verbunden. So entsteht an<lb/>
beiden Giebel- und anch den übrige» Querwänden ein dreieckiges Gitter, welches<lb/>
die durch die spaltenreichen Wände ohnehin schon begünstigte Lnftzirknlation<lb/>
bis zum Ueberflüssigen steigert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_53"> Die Haupttheile der gewöhnlichen Häuser in einem großen Gebiet des<lb/>
tropischen Westafrika bestehen aus klassischem Material; Hunderte von Schäften<lb/>
des berühmten Papyrusgrases (L/xoruL ?ax.pi'us) aneinandergereiht, bilden<lb/>
die Wände. Fast überall in den Küsteulaudschaften ziehen sich in einzelnen<lb/>
Thaleinschnitten ausgedehnte Papyrussüinpfe hin, und auch die Flüsse sind<lb/>
hier und dort von dem schlankhalmigen, wunderbar schönen Grase umnfert.<lb/>
In langsamen Ans- und Niederwallen wiegt sich der Schaftenwald im Winde<lb/>
und leise erzittern die zierlichen Fadenkroueu. Kein schöures Bild, als wenn<lb/>
die Nacht über der Erde lagert, das milde Licht des Mondes auf den glitzernde»<lb/>
Strom herniederglänzt und durch den zarten, duftigen Schleier der Papyrus¬<lb/>
graswipfel hierdurch die halbgeschlossenen, leuchtenden Blumen weißer, blauer<lb/>
und rother Wasserrosen umspielt. Und wenn dann die Landesplage, der Mos-<lb/>
kitcnschwarm, nicht zu lästig ist, wie wunderbar lauscht es sich dann im sest-<lb/>
verankerten, verborgenen Kanoe nach den stolz bedornten M-wuliantilopen<lb/>
s1'rago1axIio8 sur^esros), die dort drüben zwischen dem mächtigen Cypergras<lb/>
ans Ufer treten und von der murmelnden Fluth in langen Zügen trinken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_54" next="#ID_55"> Aus dem edlen, saftigen Grün des Loaugograses &#x2014; so heißt der Papyrus<lb/>
an jeuer Küste &#x2014; wird, wenn es geschnitten worden, allmählig ein mattes<lb/>
Lehmgelb, die Dächer über den Loaugowänden der Häuser sind von ähnlicher<lb/>
Farbe, nur spielen sie noch mehr in ein dunkleres Braungrau; deshalb ist der<lb/>
Anblick eines solchen Menschenkäfigs ein gar trister und monotoner. Um aus<lb/>
dem Locmgograse eine Wand herzustellen, wird ein Bund desselben, dessen ein-<lb/>
zelne Schafte auf Naturfäden lose aneinander gereiht siud, ausgerollt und an<lb/>
Gerten auf beiden Seiten mit Libamba, dem dort gebräuchlichen Bindematerial,<lb/>
festgeschnürt; dann wird die Wand oben lind unter beschnitten und sie ist zum<lb/>
Hausbau fertig. Mit derselben Libamba, der Portugiese nennt diese elastischen<lb/>
Fäden, welche unserem Stuhlrohr gleichen und in der That auch von einer<lb/>
Kalamuspalme gewonnen sind, Muschinga, werden die Wände an die in die<lb/>
Erde eingerammten Mangrovenholzpfosten des Hauses festgeknotet. Um dem<lb/>
Bau größere Festigkeit zu geben, siud die senkrechten Wandbalken, welche zu¬<lb/>
gleich das Dach stützen, durch horizontale verbunden, so daß sich leicht hier und<lb/>
dort ein passender Platz findet, um einige fenster- und thurmartige Oeffnungen<lb/>
aus deu Wänden herauszuschreiben. An einem der Seitenbalken hängt dann<lb/>
an Lederstückeu eine Platte von Brettern; wenn es hoch kommt, werden die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0024] schneiden in der Höhe der Dachränder ab und sind durch senkrechte, parallele Latten mit der Innenseite der beiden Dachhälsten verbunden. So entsteht an beiden Giebel- und anch den übrige» Querwänden ein dreieckiges Gitter, welches die durch die spaltenreichen Wände ohnehin schon begünstigte Lnftzirknlation bis zum Ueberflüssigen steigert. Die Haupttheile der gewöhnlichen Häuser in einem großen Gebiet des tropischen Westafrika bestehen aus klassischem Material; Hunderte von Schäften des berühmten Papyrusgrases (L/xoruL ?ax.pi'us) aneinandergereiht, bilden die Wände. Fast überall in den Küsteulaudschaften ziehen sich in einzelnen Thaleinschnitten ausgedehnte Papyrussüinpfe hin, und auch die Flüsse sind hier und dort von dem schlankhalmigen, wunderbar schönen Grase umnfert. In langsamen Ans- und Niederwallen wiegt sich der Schaftenwald im Winde und leise erzittern die zierlichen Fadenkroueu. Kein schöures Bild, als wenn die Nacht über der Erde lagert, das milde Licht des Mondes auf den glitzernde» Strom herniederglänzt und durch den zarten, duftigen Schleier der Papyrus¬ graswipfel hierdurch die halbgeschlossenen, leuchtenden Blumen weißer, blauer und rother Wasserrosen umspielt. Und wenn dann die Landesplage, der Mos- kitcnschwarm, nicht zu lästig ist, wie wunderbar lauscht es sich dann im sest- verankerten, verborgenen Kanoe nach den stolz bedornten M-wuliantilopen s1'rago1axIio8 sur^esros), die dort drüben zwischen dem mächtigen Cypergras ans Ufer treten und von der murmelnden Fluth in langen Zügen trinken. Aus dem edlen, saftigen Grün des Loaugograses — so heißt der Papyrus an jeuer Küste — wird, wenn es geschnitten worden, allmählig ein mattes Lehmgelb, die Dächer über den Loaugowänden der Häuser sind von ähnlicher Farbe, nur spielen sie noch mehr in ein dunkleres Braungrau; deshalb ist der Anblick eines solchen Menschenkäfigs ein gar trister und monotoner. Um aus dem Locmgograse eine Wand herzustellen, wird ein Bund desselben, dessen ein- zelne Schafte auf Naturfäden lose aneinander gereiht siud, ausgerollt und an Gerten auf beiden Seiten mit Libamba, dem dort gebräuchlichen Bindematerial, festgeschnürt; dann wird die Wand oben lind unter beschnitten und sie ist zum Hausbau fertig. Mit derselben Libamba, der Portugiese nennt diese elastischen Fäden, welche unserem Stuhlrohr gleichen und in der That auch von einer Kalamuspalme gewonnen sind, Muschinga, werden die Wände an die in die Erde eingerammten Mangrovenholzpfosten des Hauses festgeknotet. Um dem Bau größere Festigkeit zu geben, siud die senkrechten Wandbalken, welche zu¬ gleich das Dach stützen, durch horizontale verbunden, so daß sich leicht hier und dort ein passender Platz findet, um einige fenster- und thurmartige Oeffnungen aus deu Wänden herauszuschreiben. An einem der Seitenbalken hängt dann an Lederstückeu eine Platte von Brettern; wenn es hoch kommt, werden die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/24
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/24>, abgerufen am 22.07.2024.