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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Maße die früher für nothwendig erachteten Bedürfnisse. Da aber, wo das '
Brausen der Meeresbrandung nicht mehr hörbar ist, nur wenige Meilen
lautem, verschwindet auch das; er ist in der Wildniß.

Trotzdem aber haben die weißen Ansiedler jenen Gebieten einen eigen¬
thümlichen Charakter aufgeprägt -- meist freilich nicht zum Vortheil derselben,
sie haben durch den Handel in den Verhältnissen der Eingebornen große,
tiefgreifende Veränderungen herbeigeführt, und die Kenntniß der westafrikanischen
Küstengelände und deren Eingeborenen würde unvollkommen sein, wenn sie
nicht auch das Treiben des dortigen Weißen mit berücksichtigte.

Der Hauptvertreter des Europäerthums an der Niederguinea-Küste ist
der Portugiese. Abgesehen davon, daß er fast ausschließlich die Kvlonialge-
gebiete Angolas bevölkert, lebt er als Händler an der ganzen Küstenstrecke
nördlich von dieser Provinz und hat hier das Portugiesische als hauptsächliche
Verkehrssprache eingebürgert. Wie aber in Angola die offizielle Herrschaft der
Lusitanen mehr und mehr zusammenschrumpft, schwindet auch im Süden und
Norden vom Congo jetzt mehr und mehr das Uebergewicht der im freien
Lande angesiedelten, privaten Portugiesen. Wo früher von den am Ufer der
See erbauten Faktoreihäusern nur die portugiesische Flagge die vorüberziehenden
Schiffe grüßte, hat sie jetzt bis auf winzige Reste den Bannern der Nieder¬
lande, Englands und stellenweise auch schon dem Frankreichs weichen müssen.
Die einst portugiesischen Kaufhäuser gingen in die Hände von Firmen anderer
Nationen über, aber trotzdem gehört die Mehrzahl der Weißen Niederguineas
noch dem portugiesischen Volke an; nach Uebernahme der Faktoreien durch die
Fremden wurden aus den einstigen Besitzern nun Verwalter derselben, d. h.
die Portugiesen, welche früher für eigene Rechnung oder im Dienste vater¬
ländischer Firmen arbeiteten, sind jetzt Agenten holländischer, englischer und
französischer Hänser.

Diese letzteren scheinen der Ansicht zu sein, daß der Portugiese als Händler
für jene Gegenden am vortheilhaftesten zu verwenden sei; aber nur in einer
Beziehung -- und auch hier noch mit Beschränkung -- kann dieser Annahme
Recht gegeben werden. Der Portugiese erträgt trotz einer meist unzweckmäßigen
Lebensweise das Klima besser, als der Holländer, Brite oder Franzose, und ist
daher billiger zu haben. Die Meinung, daß er am besten mit den Eingeborenen
zu verkehren verstehe -- und diese Ansicht ist bei dem Engagement der Portu¬
giesen die hauptleitende -- ist grundfalsch. Der Portugiese hat sich in den
Augen des Negers allerdings von Alters her ein gewisses Air zu geben ver¬
standen, allein nur durch seiue Härte, Grausamkeit und inhumane Rücksichts¬
losigkeit; aber schon jetzt läßt sich mancherorten absehen, wie weit das von
portugiesischen Händlern gegen die Eingeborenen eingeschlagene Verfahren aus-


Maße die früher für nothwendig erachteten Bedürfnisse. Da aber, wo das '
Brausen der Meeresbrandung nicht mehr hörbar ist, nur wenige Meilen
lautem, verschwindet auch das; er ist in der Wildniß.

Trotzdem aber haben die weißen Ansiedler jenen Gebieten einen eigen¬
thümlichen Charakter aufgeprägt — meist freilich nicht zum Vortheil derselben,
sie haben durch den Handel in den Verhältnissen der Eingebornen große,
tiefgreifende Veränderungen herbeigeführt, und die Kenntniß der westafrikanischen
Küstengelände und deren Eingeborenen würde unvollkommen sein, wenn sie
nicht auch das Treiben des dortigen Weißen mit berücksichtigte.

Der Hauptvertreter des Europäerthums an der Niederguinea-Küste ist
der Portugiese. Abgesehen davon, daß er fast ausschließlich die Kvlonialge-
gebiete Angolas bevölkert, lebt er als Händler an der ganzen Küstenstrecke
nördlich von dieser Provinz und hat hier das Portugiesische als hauptsächliche
Verkehrssprache eingebürgert. Wie aber in Angola die offizielle Herrschaft der
Lusitanen mehr und mehr zusammenschrumpft, schwindet auch im Süden und
Norden vom Congo jetzt mehr und mehr das Uebergewicht der im freien
Lande angesiedelten, privaten Portugiesen. Wo früher von den am Ufer der
See erbauten Faktoreihäusern nur die portugiesische Flagge die vorüberziehenden
Schiffe grüßte, hat sie jetzt bis auf winzige Reste den Bannern der Nieder¬
lande, Englands und stellenweise auch schon dem Frankreichs weichen müssen.
Die einst portugiesischen Kaufhäuser gingen in die Hände von Firmen anderer
Nationen über, aber trotzdem gehört die Mehrzahl der Weißen Niederguineas
noch dem portugiesischen Volke an; nach Uebernahme der Faktoreien durch die
Fremden wurden aus den einstigen Besitzern nun Verwalter derselben, d. h.
die Portugiesen, welche früher für eigene Rechnung oder im Dienste vater¬
ländischer Firmen arbeiteten, sind jetzt Agenten holländischer, englischer und
französischer Hänser.

Diese letzteren scheinen der Ansicht zu sein, daß der Portugiese als Händler
für jene Gegenden am vortheilhaftesten zu verwenden sei; aber nur in einer
Beziehung — und auch hier noch mit Beschränkung — kann dieser Annahme
Recht gegeben werden. Der Portugiese erträgt trotz einer meist unzweckmäßigen
Lebensweise das Klima besser, als der Holländer, Brite oder Franzose, und ist
daher billiger zu haben. Die Meinung, daß er am besten mit den Eingeborenen
zu verkehren verstehe — und diese Ansicht ist bei dem Engagement der Portu¬
giesen die hauptleitende — ist grundfalsch. Der Portugiese hat sich in den
Augen des Negers allerdings von Alters her ein gewisses Air zu geben ver¬
standen, allein nur durch seiue Härte, Grausamkeit und inhumane Rücksichts¬
losigkeit; aber schon jetzt läßt sich mancherorten absehen, wie weit das von
portugiesischen Händlern gegen die Eingeborenen eingeschlagene Verfahren aus-


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[0022] Maße die früher für nothwendig erachteten Bedürfnisse. Da aber, wo das ' Brausen der Meeresbrandung nicht mehr hörbar ist, nur wenige Meilen lautem, verschwindet auch das; er ist in der Wildniß. Trotzdem aber haben die weißen Ansiedler jenen Gebieten einen eigen¬ thümlichen Charakter aufgeprägt — meist freilich nicht zum Vortheil derselben, sie haben durch den Handel in den Verhältnissen der Eingebornen große, tiefgreifende Veränderungen herbeigeführt, und die Kenntniß der westafrikanischen Küstengelände und deren Eingeborenen würde unvollkommen sein, wenn sie nicht auch das Treiben des dortigen Weißen mit berücksichtigte. Der Hauptvertreter des Europäerthums an der Niederguinea-Küste ist der Portugiese. Abgesehen davon, daß er fast ausschließlich die Kvlonialge- gebiete Angolas bevölkert, lebt er als Händler an der ganzen Küstenstrecke nördlich von dieser Provinz und hat hier das Portugiesische als hauptsächliche Verkehrssprache eingebürgert. Wie aber in Angola die offizielle Herrschaft der Lusitanen mehr und mehr zusammenschrumpft, schwindet auch im Süden und Norden vom Congo jetzt mehr und mehr das Uebergewicht der im freien Lande angesiedelten, privaten Portugiesen. Wo früher von den am Ufer der See erbauten Faktoreihäusern nur die portugiesische Flagge die vorüberziehenden Schiffe grüßte, hat sie jetzt bis auf winzige Reste den Bannern der Nieder¬ lande, Englands und stellenweise auch schon dem Frankreichs weichen müssen. Die einst portugiesischen Kaufhäuser gingen in die Hände von Firmen anderer Nationen über, aber trotzdem gehört die Mehrzahl der Weißen Niederguineas noch dem portugiesischen Volke an; nach Uebernahme der Faktoreien durch die Fremden wurden aus den einstigen Besitzern nun Verwalter derselben, d. h. die Portugiesen, welche früher für eigene Rechnung oder im Dienste vater¬ ländischer Firmen arbeiteten, sind jetzt Agenten holländischer, englischer und französischer Hänser. Diese letzteren scheinen der Ansicht zu sein, daß der Portugiese als Händler für jene Gegenden am vortheilhaftesten zu verwenden sei; aber nur in einer Beziehung — und auch hier noch mit Beschränkung — kann dieser Annahme Recht gegeben werden. Der Portugiese erträgt trotz einer meist unzweckmäßigen Lebensweise das Klima besser, als der Holländer, Brite oder Franzose, und ist daher billiger zu haben. Die Meinung, daß er am besten mit den Eingeborenen zu verkehren verstehe — und diese Ansicht ist bei dem Engagement der Portu¬ giesen die hauptleitende — ist grundfalsch. Der Portugiese hat sich in den Augen des Negers allerdings von Alters her ein gewisses Air zu geben ver¬ standen, allein nur durch seiue Härte, Grausamkeit und inhumane Rücksichts¬ losigkeit; aber schon jetzt läßt sich mancherorten absehen, wie weit das von portugiesischen Händlern gegen die Eingeborenen eingeschlagene Verfahren aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/22>, abgerufen am 25.08.2024.