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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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sie das ganze Gesicht, verdeckt und kaum die Kopfform erkennen lassen; sie ver¬
änderten daher die Form des Helmes; sie gestalteten das Schwert konventionell
um; sie vermieden die Darstellung des xilnm, das im Relief zu einem bloßen
Stock zusammenzuschrumpfen drohte. Die hohe Kunst auch jener Zeit schon
archaisirte und idealisirte. Das läßt sich mit Gewißheit behaupten, wenn man
jenen monumentalen Darstellungen die Abbildungen auf Grabsteinen römischer
Soldaten entgegenstellt, wo der gemeine Soldat vom Steinmetzen sicherlich die
genaueste Wiedergabe der Bewaffnung feines Kameraden forderte.*) Zwischen
solchen populären Darstellungen und den in den Kastellen gefundenen Waffen
ergibt sich denn auch die vollste Uebereinstimmung,^) und durch die Ver¬
werthung dieser Hilfsmittel hat besonders das römisch-germanische Zentral¬
museum zu Mainz uuter Leitung des Prof. Dr. Lindenschmit ganz ausgezeichnete
Ergebnisse erzielt, welche die Bewaffnung des römischen Legionars mit greifbarer
Klarheit in vortrefflichen Modellen wieder vor uns aufleben lassen. Aller¬
dings nur die des Soldaten der römischen Kaiserzeit. Für die frühere Ver¬
gangenheit wird mau wohl im Wesentlichen auf die Angaben des Polybios
über die Bewaffnung seiner Zeit, d. h. des 3. Jahrhunderts vor Chr., und
auf einige wenige spärliche Reste beschränkt bleiben.

Zunächst ein Wort über die Bekleidung der römischen Krieger.

Nach den Ueberlieferungen einiger Schriftsteller soll in den ältesten Zeiten
die Toga auch Kriegskleid gewesen sein. Die Toga ist das echt nationale
Mantelgewand der Römer und wurde in jener Frühzeit wohl ohne weiteres
Unterkleid um den bloßen Körper geschlagen, an den sie sich eng anschloß.
Um zu verhindern, daß die Arme sich in das beim Kampfe von den Schultern
herabsinkende Gewand verwickelten, wurde der über die linke Schulter zurück¬
geschlagene Zipfel unterhalb der Brust um den Körper geschlungen und fest¬
geknotet. Diese Äuews AMnus genannte Gürtuug,***) welche die Römer
wahrscheinlich während ihrer Kämpfe mit den Bewohnern von Gabii angenommen
hatten, veraltete mit dem Gebrauche der Toga als Kriegsgewand selbst schon
seit der Einführung der servianischen Heeresordnung und erhielt sich nur noch
als konventionelle Kleidung des Heeres bei gewissen Riten, wie die Eröffnung
des Janustempels oder des Feldzuges, sowie bei Städtebegründungen. Es sind
das Momente, in denen das Bttrgerthum des Soldaten hervorgehoben werden soll;





*) Ein merkwürdiges Beispiel dieser streng realistischen Forderung gewährt u, A, ein
Grabdenkmal, auf welchen:, da nicht alle Auszeichnungen (pra,1frac) am Soldaten und am
Pferde angebracht werden konnten, ein Theil derselben noch unterhalb des Rosses hinzu¬
gefügt wurde.
*"
) Bortrag des Prof. Gerede in der deutscheu Philvlogenversammlung zu Wies¬
baden 1877.
*") O. Müller: Die Etrusker I. S. 260, 267.

sie das ganze Gesicht, verdeckt und kaum die Kopfform erkennen lassen; sie ver¬
änderten daher die Form des Helmes; sie gestalteten das Schwert konventionell
um; sie vermieden die Darstellung des xilnm, das im Relief zu einem bloßen
Stock zusammenzuschrumpfen drohte. Die hohe Kunst auch jener Zeit schon
archaisirte und idealisirte. Das läßt sich mit Gewißheit behaupten, wenn man
jenen monumentalen Darstellungen die Abbildungen auf Grabsteinen römischer
Soldaten entgegenstellt, wo der gemeine Soldat vom Steinmetzen sicherlich die
genaueste Wiedergabe der Bewaffnung feines Kameraden forderte.*) Zwischen
solchen populären Darstellungen und den in den Kastellen gefundenen Waffen
ergibt sich denn auch die vollste Uebereinstimmung,^) und durch die Ver¬
werthung dieser Hilfsmittel hat besonders das römisch-germanische Zentral¬
museum zu Mainz uuter Leitung des Prof. Dr. Lindenschmit ganz ausgezeichnete
Ergebnisse erzielt, welche die Bewaffnung des römischen Legionars mit greifbarer
Klarheit in vortrefflichen Modellen wieder vor uns aufleben lassen. Aller¬
dings nur die des Soldaten der römischen Kaiserzeit. Für die frühere Ver¬
gangenheit wird mau wohl im Wesentlichen auf die Angaben des Polybios
über die Bewaffnung seiner Zeit, d. h. des 3. Jahrhunderts vor Chr., und
auf einige wenige spärliche Reste beschränkt bleiben.

Zunächst ein Wort über die Bekleidung der römischen Krieger.

Nach den Ueberlieferungen einiger Schriftsteller soll in den ältesten Zeiten
die Toga auch Kriegskleid gewesen sein. Die Toga ist das echt nationale
Mantelgewand der Römer und wurde in jener Frühzeit wohl ohne weiteres
Unterkleid um den bloßen Körper geschlagen, an den sie sich eng anschloß.
Um zu verhindern, daß die Arme sich in das beim Kampfe von den Schultern
herabsinkende Gewand verwickelten, wurde der über die linke Schulter zurück¬
geschlagene Zipfel unterhalb der Brust um den Körper geschlungen und fest¬
geknotet. Diese Äuews AMnus genannte Gürtuug,***) welche die Römer
wahrscheinlich während ihrer Kämpfe mit den Bewohnern von Gabii angenommen
hatten, veraltete mit dem Gebrauche der Toga als Kriegsgewand selbst schon
seit der Einführung der servianischen Heeresordnung und erhielt sich nur noch
als konventionelle Kleidung des Heeres bei gewissen Riten, wie die Eröffnung
des Janustempels oder des Feldzuges, sowie bei Städtebegründungen. Es sind
das Momente, in denen das Bttrgerthum des Soldaten hervorgehoben werden soll;





*) Ein merkwürdiges Beispiel dieser streng realistischen Forderung gewährt u, A, ein
Grabdenkmal, auf welchen:, da nicht alle Auszeichnungen (pra,1frac) am Soldaten und am
Pferde angebracht werden konnten, ein Theil derselben noch unterhalb des Rosses hinzu¬
gefügt wurde.
*"
) Bortrag des Prof. Gerede in der deutscheu Philvlogenversammlung zu Wies¬
baden 1877.
*«) O. Müller: Die Etrusker I. S. 260, 267.
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[0210] sie das ganze Gesicht, verdeckt und kaum die Kopfform erkennen lassen; sie ver¬ änderten daher die Form des Helmes; sie gestalteten das Schwert konventionell um; sie vermieden die Darstellung des xilnm, das im Relief zu einem bloßen Stock zusammenzuschrumpfen drohte. Die hohe Kunst auch jener Zeit schon archaisirte und idealisirte. Das läßt sich mit Gewißheit behaupten, wenn man jenen monumentalen Darstellungen die Abbildungen auf Grabsteinen römischer Soldaten entgegenstellt, wo der gemeine Soldat vom Steinmetzen sicherlich die genaueste Wiedergabe der Bewaffnung feines Kameraden forderte.*) Zwischen solchen populären Darstellungen und den in den Kastellen gefundenen Waffen ergibt sich denn auch die vollste Uebereinstimmung,^) und durch die Ver¬ werthung dieser Hilfsmittel hat besonders das römisch-germanische Zentral¬ museum zu Mainz uuter Leitung des Prof. Dr. Lindenschmit ganz ausgezeichnete Ergebnisse erzielt, welche die Bewaffnung des römischen Legionars mit greifbarer Klarheit in vortrefflichen Modellen wieder vor uns aufleben lassen. Aller¬ dings nur die des Soldaten der römischen Kaiserzeit. Für die frühere Ver¬ gangenheit wird mau wohl im Wesentlichen auf die Angaben des Polybios über die Bewaffnung seiner Zeit, d. h. des 3. Jahrhunderts vor Chr., und auf einige wenige spärliche Reste beschränkt bleiben. Zunächst ein Wort über die Bekleidung der römischen Krieger. Nach den Ueberlieferungen einiger Schriftsteller soll in den ältesten Zeiten die Toga auch Kriegskleid gewesen sein. Die Toga ist das echt nationale Mantelgewand der Römer und wurde in jener Frühzeit wohl ohne weiteres Unterkleid um den bloßen Körper geschlagen, an den sie sich eng anschloß. Um zu verhindern, daß die Arme sich in das beim Kampfe von den Schultern herabsinkende Gewand verwickelten, wurde der über die linke Schulter zurück¬ geschlagene Zipfel unterhalb der Brust um den Körper geschlungen und fest¬ geknotet. Diese Äuews AMnus genannte Gürtuug,***) welche die Römer wahrscheinlich während ihrer Kämpfe mit den Bewohnern von Gabii angenommen hatten, veraltete mit dem Gebrauche der Toga als Kriegsgewand selbst schon seit der Einführung der servianischen Heeresordnung und erhielt sich nur noch als konventionelle Kleidung des Heeres bei gewissen Riten, wie die Eröffnung des Janustempels oder des Feldzuges, sowie bei Städtebegründungen. Es sind das Momente, in denen das Bttrgerthum des Soldaten hervorgehoben werden soll; *) Ein merkwürdiges Beispiel dieser streng realistischen Forderung gewährt u, A, ein Grabdenkmal, auf welchen:, da nicht alle Auszeichnungen (pra,1frac) am Soldaten und am Pferde angebracht werden konnten, ein Theil derselben noch unterhalb des Rosses hinzu¬ gefügt wurde. *" ) Bortrag des Prof. Gerede in der deutscheu Philvlogenversammlung zu Wies¬ baden 1877. *«) O. Müller: Die Etrusker I. S. 260, 267.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/210>, abgerufen am 03.07.2024.