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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Kommunismus in Verbindung einlassen oder dessen Tendenzen begünstigen.
Die zivilisirte Gesellschaft muß lernen, jede Organisation, gleichgültig ob sie
einen politischen oder einen andern Charakter trägt, als einen Feind des Ge¬
meinwesens anzusehen, sobald sie in irgend einem Grade sich dem Kommunis-
mus zuneigt; sie muß behandelt werden, wie die Cholera oder die Blattern,
da ihr Wirken tödtlicher sein wird, als diese."

Diesen Ausführungen der "New-Dort Tribune" stimmen nun im Wesent¬
lichen die bedeutendsten deutsch- und englisch-amerikanische" Zeitungen bei, in¬
dem auch sie empfehlen, daß alle diejenigen Politiker, welche, um bei kommen¬
den Wahlen die Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten zu gewinnen,
um deren Gunst buhlen, von dem gesunde" Theile des amerikanischen Volkes
energisch verurtheilt werden sollten. Außerdem aber wird daraus aufmerksam
gemacht, daß der Kongreß und die Legislaturen der einzelnen Unionsstaaten
bemüht sein müßten, so weit es in der Macht der Gesetzgebung liege, die
Arbeitsverhältnisse zu bessern und die Hemmnisse der industriellen Thätigkeit
aus dem Wege zu räumen. So müsse unter anderen das hohe Schutzzoll¬
system beseitigt und die Wiederaufnahme der Barzahlung gesichert
werden. Dem gegenüber lassen sich aber die beiden großen politischen Parteien,
die Republikaner und die Demokraten, vielfach dazu hinreißen, kommunistische
Anschauungen in ihre Platformen aufzunehmen, um dadurch bei den bevor¬
stehenden wichtigen Herbstwahlen an Anhang zu gewinnen. Das in seiner
Mehrheit aus Mitgliedern der demokratischen Partei zusammengesetzte Reprä¬
sentantenhaus des Kongresses hat sogar den Beschluß gefaßt, das steheude Heer
der Vereinigten. Staaten von 25,000 auf 20,000 Mann herabzumindern; und
doch stellte sich bei dem Eisenbahnaufstande im verflossenen Jahre nur zu
deutlich heraus, daß bei weitverbreiteten sozialen Unruhen die Militärmacht
der Union sehr unzureichend sei. Ja, ein Hanptführer der Demokraten, ein
gewisser Hewitt, erklärte bei der betreffenden Berathung im Repräsentanten¬
hause, "daß alle die Gewaltthätigkeiten, welche durch die Lokalbehörden und
die Miliz der Einzelstaaten uicht unterdrückt werden könnten, auch gar nicht
unterdrückt zu werden brauchten"; und ein politischer Gesinnungsgenosse des
Herrn Hewitt, ein Herr Krott, ging in seinem Amel-Militäreifer so weit, daß
er meinte, "jede Anwendung von Soldatenmacht sei verbrecherischer Natur (",
otlerioö), sobald dieselbe nicht auf ausdrücklichen Befehl des Kongresses
geschehe". Mit Recht erklärte daher die "New-York Tribune" vom 2!>. Mai
d. I., "den Vereinigten Staaten sei gegenwärtig der kommunistische Geist, der
in die politische" Parteien eingedrungen sei, gefährlicher, als alle Verschwörun¬
gen geheimer Verbindungen bei verschlossenen Thüren". Neben den Republi¬
kanern und Demokraten hat sich aber in jüngster Zeit eine neue politische


Kommunismus in Verbindung einlassen oder dessen Tendenzen begünstigen.
Die zivilisirte Gesellschaft muß lernen, jede Organisation, gleichgültig ob sie
einen politischen oder einen andern Charakter trägt, als einen Feind des Ge¬
meinwesens anzusehen, sobald sie in irgend einem Grade sich dem Kommunis-
mus zuneigt; sie muß behandelt werden, wie die Cholera oder die Blattern,
da ihr Wirken tödtlicher sein wird, als diese."

Diesen Ausführungen der „New-Dort Tribune" stimmen nun im Wesent¬
lichen die bedeutendsten deutsch- und englisch-amerikanische» Zeitungen bei, in¬
dem auch sie empfehlen, daß alle diejenigen Politiker, welche, um bei kommen¬
den Wahlen die Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten zu gewinnen,
um deren Gunst buhlen, von dem gesunde» Theile des amerikanischen Volkes
energisch verurtheilt werden sollten. Außerdem aber wird daraus aufmerksam
gemacht, daß der Kongreß und die Legislaturen der einzelnen Unionsstaaten
bemüht sein müßten, so weit es in der Macht der Gesetzgebung liege, die
Arbeitsverhältnisse zu bessern und die Hemmnisse der industriellen Thätigkeit
aus dem Wege zu räumen. So müsse unter anderen das hohe Schutzzoll¬
system beseitigt und die Wiederaufnahme der Barzahlung gesichert
werden. Dem gegenüber lassen sich aber die beiden großen politischen Parteien,
die Republikaner und die Demokraten, vielfach dazu hinreißen, kommunistische
Anschauungen in ihre Platformen aufzunehmen, um dadurch bei den bevor¬
stehenden wichtigen Herbstwahlen an Anhang zu gewinnen. Das in seiner
Mehrheit aus Mitgliedern der demokratischen Partei zusammengesetzte Reprä¬
sentantenhaus des Kongresses hat sogar den Beschluß gefaßt, das steheude Heer
der Vereinigten. Staaten von 25,000 auf 20,000 Mann herabzumindern; und
doch stellte sich bei dem Eisenbahnaufstande im verflossenen Jahre nur zu
deutlich heraus, daß bei weitverbreiteten sozialen Unruhen die Militärmacht
der Union sehr unzureichend sei. Ja, ein Hanptführer der Demokraten, ein
gewisser Hewitt, erklärte bei der betreffenden Berathung im Repräsentanten¬
hause, „daß alle die Gewaltthätigkeiten, welche durch die Lokalbehörden und
die Miliz der Einzelstaaten uicht unterdrückt werden könnten, auch gar nicht
unterdrückt zu werden brauchten"; und ein politischer Gesinnungsgenosse des
Herrn Hewitt, ein Herr Krott, ging in seinem Amel-Militäreifer so weit, daß
er meinte, „jede Anwendung von Soldatenmacht sei verbrecherischer Natur (»,
otlerioö), sobald dieselbe nicht auf ausdrücklichen Befehl des Kongresses
geschehe". Mit Recht erklärte daher die „New-York Tribune" vom 2!>. Mai
d. I., „den Vereinigten Staaten sei gegenwärtig der kommunistische Geist, der
in die politische« Parteien eingedrungen sei, gefährlicher, als alle Verschwörun¬
gen geheimer Verbindungen bei verschlossenen Thüren". Neben den Republi¬
kanern und Demokraten hat sich aber in jüngster Zeit eine neue politische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/20>, abgerufen am 22.07.2024.