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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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lassungen der Phönizier, die wir uns wohl mir als große Handelsfaktoreien
vorzustellen haben, ohne weitere Kolonien im Binnenlande, denn die Phönizier
waren wesentlich randsässig. In späterer Zeit erst erfolgte eine hellenische
Einwanderung, die sich namentlich an der nördlichen und östlichen Seite der
Insel niederließ. Aber auch eine dritte Race war aus Cypern vorhanden,
wie die vor wenigen Jahren von dem Assyriologen George Smith entzifferten
Inschriften beweisen. Das Alphabet dieser Inschriften enthält nur wenige
griechische Buchstaben, gleicht aber im wesentlichen dem lyrischen. Auf den
alten 500 und 400 v. Chr. geschlagenen cyprischen Silbermünzen wird dieses
Alphabet indessen mit Ausschluß alles Griechischen benutzt, während man noch
keine griechische Münze ans der Insel fand, welche in ein so hohes Alter zurück¬
reicht. Die Sprache der cyprischen Inschriften scheint indessen eine der grie¬
chischen verwandte gewesen zu sein, sie glich in dieser Beziehung etwa dem
Phrygischen und anderen kleinasiatischen Sprachen. Wahrscheinlich ist, daß die
Race, welche diese Sprache redete, von Cilicien her kam und wohl phrygischer
Abkunft war; hier wollen wir sie einfach als eingeborene Cyprer bezeichnen,
im Gegensatz zu den eingewanderten Phöniziern und Hellenen.

Cypern war in den ältesten historischen Zeiten in neun oder zehn kleine
Königreiche getheilt, doch weiß man nicht, wie diese in nationaler Beziehung
beschaffen waren, wie Cyprer, Hellenen und Phönizier in diesen sich schieden
und mischten. Nach den Münzen und Inschriften zu schließen überwogen, was
auch natürlich ist, die Eingebornen der Zahl nach, während auf hellenischer
und phönizischer Seite die höhere Intelligenz war. Kann Cypern mit dem
Kifa der Hieroglyphen identifizirt werden, so datirt sein Zusammenhang als
Tributstaat mit Aegypten aus der Zeit Thothmes' III. Citium und vielleicht
auch andere phönizische Städte zahlten schon vor der Zeit des Königs Salomo
(1000 vor Chr.) Tribut an Tyrus. Nachdem die phönizische Macht auf dem
Festlande von den Assyrern zerstört war, folgte auch bald die Unterwerfung
von Cypern. Im 8. Jahrhundert vor Chr. sandten sieben cyprische Könige
Gesandte an den assyrischen König Sargon, und unter dessen Nachfolger
Essarhaddon wurde Cypern Assyrien tributpflichtig.

Diese erst neuerdings aus den Keilschriften geschöpften Thatsachen werden
dnrch die Entdeckung eines Monolith mit Inschriften bestätigt, der 1866 bei
Citium gefunden wurde und sich im Berliner Museum befindet; auf ihm steht
Sargon's Name in Keilschrift. Nach dem Zerfall des großen assyrischen Reichs
blieb Cypern, nachdem zuerst Amasis und dann Kcnnbyses es erobert, unter
persischer Herrschaft, bis 410 vor Chr. Euagoras, der König von Salamis, das
Persische Joch abwarf.

Mit diesen Hauptdaten der alten cyprischen Geschichte vor Augen wird


lassungen der Phönizier, die wir uns wohl mir als große Handelsfaktoreien
vorzustellen haben, ohne weitere Kolonien im Binnenlande, denn die Phönizier
waren wesentlich randsässig. In späterer Zeit erst erfolgte eine hellenische
Einwanderung, die sich namentlich an der nördlichen und östlichen Seite der
Insel niederließ. Aber auch eine dritte Race war aus Cypern vorhanden,
wie die vor wenigen Jahren von dem Assyriologen George Smith entzifferten
Inschriften beweisen. Das Alphabet dieser Inschriften enthält nur wenige
griechische Buchstaben, gleicht aber im wesentlichen dem lyrischen. Auf den
alten 500 und 400 v. Chr. geschlagenen cyprischen Silbermünzen wird dieses
Alphabet indessen mit Ausschluß alles Griechischen benutzt, während man noch
keine griechische Münze ans der Insel fand, welche in ein so hohes Alter zurück¬
reicht. Die Sprache der cyprischen Inschriften scheint indessen eine der grie¬
chischen verwandte gewesen zu sein, sie glich in dieser Beziehung etwa dem
Phrygischen und anderen kleinasiatischen Sprachen. Wahrscheinlich ist, daß die
Race, welche diese Sprache redete, von Cilicien her kam und wohl phrygischer
Abkunft war; hier wollen wir sie einfach als eingeborene Cyprer bezeichnen,
im Gegensatz zu den eingewanderten Phöniziern und Hellenen.

Cypern war in den ältesten historischen Zeiten in neun oder zehn kleine
Königreiche getheilt, doch weiß man nicht, wie diese in nationaler Beziehung
beschaffen waren, wie Cyprer, Hellenen und Phönizier in diesen sich schieden
und mischten. Nach den Münzen und Inschriften zu schließen überwogen, was
auch natürlich ist, die Eingebornen der Zahl nach, während auf hellenischer
und phönizischer Seite die höhere Intelligenz war. Kann Cypern mit dem
Kifa der Hieroglyphen identifizirt werden, so datirt sein Zusammenhang als
Tributstaat mit Aegypten aus der Zeit Thothmes' III. Citium und vielleicht
auch andere phönizische Städte zahlten schon vor der Zeit des Königs Salomo
(1000 vor Chr.) Tribut an Tyrus. Nachdem die phönizische Macht auf dem
Festlande von den Assyrern zerstört war, folgte auch bald die Unterwerfung
von Cypern. Im 8. Jahrhundert vor Chr. sandten sieben cyprische Könige
Gesandte an den assyrischen König Sargon, und unter dessen Nachfolger
Essarhaddon wurde Cypern Assyrien tributpflichtig.

Diese erst neuerdings aus den Keilschriften geschöpften Thatsachen werden
dnrch die Entdeckung eines Monolith mit Inschriften bestätigt, der 1866 bei
Citium gefunden wurde und sich im Berliner Museum befindet; auf ihm steht
Sargon's Name in Keilschrift. Nach dem Zerfall des großen assyrischen Reichs
blieb Cypern, nachdem zuerst Amasis und dann Kcnnbyses es erobert, unter
persischer Herrschaft, bis 410 vor Chr. Euagoras, der König von Salamis, das
Persische Joch abwarf.

Mit diesen Hauptdaten der alten cyprischen Geschichte vor Augen wird


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[0195] lassungen der Phönizier, die wir uns wohl mir als große Handelsfaktoreien vorzustellen haben, ohne weitere Kolonien im Binnenlande, denn die Phönizier waren wesentlich randsässig. In späterer Zeit erst erfolgte eine hellenische Einwanderung, die sich namentlich an der nördlichen und östlichen Seite der Insel niederließ. Aber auch eine dritte Race war aus Cypern vorhanden, wie die vor wenigen Jahren von dem Assyriologen George Smith entzifferten Inschriften beweisen. Das Alphabet dieser Inschriften enthält nur wenige griechische Buchstaben, gleicht aber im wesentlichen dem lyrischen. Auf den alten 500 und 400 v. Chr. geschlagenen cyprischen Silbermünzen wird dieses Alphabet indessen mit Ausschluß alles Griechischen benutzt, während man noch keine griechische Münze ans der Insel fand, welche in ein so hohes Alter zurück¬ reicht. Die Sprache der cyprischen Inschriften scheint indessen eine der grie¬ chischen verwandte gewesen zu sein, sie glich in dieser Beziehung etwa dem Phrygischen und anderen kleinasiatischen Sprachen. Wahrscheinlich ist, daß die Race, welche diese Sprache redete, von Cilicien her kam und wohl phrygischer Abkunft war; hier wollen wir sie einfach als eingeborene Cyprer bezeichnen, im Gegensatz zu den eingewanderten Phöniziern und Hellenen. Cypern war in den ältesten historischen Zeiten in neun oder zehn kleine Königreiche getheilt, doch weiß man nicht, wie diese in nationaler Beziehung beschaffen waren, wie Cyprer, Hellenen und Phönizier in diesen sich schieden und mischten. Nach den Münzen und Inschriften zu schließen überwogen, was auch natürlich ist, die Eingebornen der Zahl nach, während auf hellenischer und phönizischer Seite die höhere Intelligenz war. Kann Cypern mit dem Kifa der Hieroglyphen identifizirt werden, so datirt sein Zusammenhang als Tributstaat mit Aegypten aus der Zeit Thothmes' III. Citium und vielleicht auch andere phönizische Städte zahlten schon vor der Zeit des Königs Salomo (1000 vor Chr.) Tribut an Tyrus. Nachdem die phönizische Macht auf dem Festlande von den Assyrern zerstört war, folgte auch bald die Unterwerfung von Cypern. Im 8. Jahrhundert vor Chr. sandten sieben cyprische Könige Gesandte an den assyrischen König Sargon, und unter dessen Nachfolger Essarhaddon wurde Cypern Assyrien tributpflichtig. Diese erst neuerdings aus den Keilschriften geschöpften Thatsachen werden dnrch die Entdeckung eines Monolith mit Inschriften bestätigt, der 1866 bei Citium gefunden wurde und sich im Berliner Museum befindet; auf ihm steht Sargon's Name in Keilschrift. Nach dem Zerfall des großen assyrischen Reichs blieb Cypern, nachdem zuerst Amasis und dann Kcnnbyses es erobert, unter persischer Herrschaft, bis 410 vor Chr. Euagoras, der König von Salamis, das Persische Joch abwarf. Mit diesen Hauptdaten der alten cyprischen Geschichte vor Augen wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/195>, abgerufen am 03.07.2024.