Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.Hagen der katholischen Kirche, da, wo sie einst geherrscht hatte, dem protestan¬ Als Friedrich Wilhelm IV. 1840 den Thron bestieg, war eine seiner ersten Hagen der katholischen Kirche, da, wo sie einst geherrscht hatte, dem protestan¬ Als Friedrich Wilhelm IV. 1840 den Thron bestieg, war eine seiner ersten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140543"/> <p xml:id="ID_589" prev="#ID_588"> Hagen der katholischen Kirche, da, wo sie einst geherrscht hatte, dem protestan¬<lb/> tischen Staate unterworfen zu sein, gesteigert durch die in allen Ländern sich<lb/> erneuende Macht derselben nach der französischen Revolution, kam in Preußen<lb/> zum Ausbruch als Kirchenstreit über die gemischten Ehen. Der Erzbischof<lb/> Droste von Vischering war seinem Versprechen, das friedliche Einvernehmen<lb/> mit der Regierung in dieser Frage zu wahren, untren geworden. Vergeblich<lb/> zur Einstellung seiner Amtsthätigkeit aufgefordert, ward er am 20. Novr. 1837<lb/> verhaftet und nach der Festung Minden gebracht. Auch der Erzbischof Duuiu<lb/> von Gnesen wurde nicht wegen seines Glaubens, sondern wegen seines Unge¬<lb/> horsams gegen die Staatsgesetze verurtheilt und, als er entfloh, verhaftet und<lb/> nach Colberg gebracht. Es galt die Autorität der Staatsgesetze zu schützen.</p><lb/> <p xml:id="ID_590" next="#ID_591"> Als Friedrich Wilhelm IV. 1840 den Thron bestieg, war eine seiner ersten<lb/> Regierungshandlungen die Absendung des katholischen Grafen Brust nach Rom,<lb/> um den Frieden mit der Kurie herzustellen. Er gestattete dem Erzbischof<lb/> Durm die Rückkehr in sein Amt, den Erzbischof von Köln reinigte er in einem<lb/> öffentlichen Schreiben von jeder Schuld an revolutionären Umtrieben. Eine<lb/> katholische Abtheilung im Kultusministerium wurde eingerichtet und den Bischöfen<lb/> der Verkehr mit dem römischen Stuhl freigegeben, mit Verzichtleistung des<lb/> Staates auf das Plaeet in Sachen der Lehre. Eine geistreiche kleine<lb/> Schrift von Strauß verglich damals den König mit Kaiser Julian, dem Roman¬<lb/> tiker auf dem Throne der Cäsaren. Aber Friedrich Wilhelm IV. war selbst zu<lb/> geistreich, als daß er in kirchlichen Dingen hätte engherzig oder gewaltthätig<lb/> handeln können. Er hat nicht nnr die katholischen Erzbischöfe, er hat auch die<lb/> letzten verhafteten Geistlichen der Altlntheraner sofort freigegeben. Als durch<lb/> evangelische Geistliche, welche von den Konsistorien um Irrlehre oder Ungehorsam<lb/> willen ihrer Aemter entsetzt worden waren, freie Gemeinden sich bildeten, die<lb/> Konsistorien aber auf unberechtigt vollzogene Amtshandlungen klagten, als<lb/> Straferkenntnisse erfolgten und die von solchen abgesetzten Geistlichen einge¬<lb/> segneten Ehen als Kontubinate angesehen wurden, da hat der König am<lb/> 30. März 1847 ein Toleranzedikt erlassen, welches einesteils die Bestimmungen<lb/> des Landrechts zusammenstellte, die im Sinne Friedrich's des Großen gestatten,<lb/> die evangelische und die katholische Landeskirche mit mannigfachen, berechtigten<lb/> Kapellen Andersgläubiger zu umgeben, andrerseits aussprach, daß bestimmte<lb/> bürgerliche Rechte nicht durch bestimmte religiöse Akte einer vom Staate aner¬<lb/> kannten Religionsgesellschaft bedingt seien. Die freien Gemeinden haben hiervon<lb/> Gebrauch gemacht. Wenn mehrere polizeilich geschlossen worden sind, so geschah<lb/> es, weil sie sich als politische Vereine gerirt hatten. Der Sinn des Königs für<lb/> kirchliche Oecnmeuicitcit bewies sich nicht nnr bei der Begründung des englisch-<lb/> preußischen Bisthums in Jerusalem, sondern auch in der Einladung der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0192]
Hagen der katholischen Kirche, da, wo sie einst geherrscht hatte, dem protestan¬
tischen Staate unterworfen zu sein, gesteigert durch die in allen Ländern sich
erneuende Macht derselben nach der französischen Revolution, kam in Preußen
zum Ausbruch als Kirchenstreit über die gemischten Ehen. Der Erzbischof
Droste von Vischering war seinem Versprechen, das friedliche Einvernehmen
mit der Regierung in dieser Frage zu wahren, untren geworden. Vergeblich
zur Einstellung seiner Amtsthätigkeit aufgefordert, ward er am 20. Novr. 1837
verhaftet und nach der Festung Minden gebracht. Auch der Erzbischof Duuiu
von Gnesen wurde nicht wegen seines Glaubens, sondern wegen seines Unge¬
horsams gegen die Staatsgesetze verurtheilt und, als er entfloh, verhaftet und
nach Colberg gebracht. Es galt die Autorität der Staatsgesetze zu schützen.
Als Friedrich Wilhelm IV. 1840 den Thron bestieg, war eine seiner ersten
Regierungshandlungen die Absendung des katholischen Grafen Brust nach Rom,
um den Frieden mit der Kurie herzustellen. Er gestattete dem Erzbischof
Durm die Rückkehr in sein Amt, den Erzbischof von Köln reinigte er in einem
öffentlichen Schreiben von jeder Schuld an revolutionären Umtrieben. Eine
katholische Abtheilung im Kultusministerium wurde eingerichtet und den Bischöfen
der Verkehr mit dem römischen Stuhl freigegeben, mit Verzichtleistung des
Staates auf das Plaeet in Sachen der Lehre. Eine geistreiche kleine
Schrift von Strauß verglich damals den König mit Kaiser Julian, dem Roman¬
tiker auf dem Throne der Cäsaren. Aber Friedrich Wilhelm IV. war selbst zu
geistreich, als daß er in kirchlichen Dingen hätte engherzig oder gewaltthätig
handeln können. Er hat nicht nnr die katholischen Erzbischöfe, er hat auch die
letzten verhafteten Geistlichen der Altlntheraner sofort freigegeben. Als durch
evangelische Geistliche, welche von den Konsistorien um Irrlehre oder Ungehorsam
willen ihrer Aemter entsetzt worden waren, freie Gemeinden sich bildeten, die
Konsistorien aber auf unberechtigt vollzogene Amtshandlungen klagten, als
Straferkenntnisse erfolgten und die von solchen abgesetzten Geistlichen einge¬
segneten Ehen als Kontubinate angesehen wurden, da hat der König am
30. März 1847 ein Toleranzedikt erlassen, welches einesteils die Bestimmungen
des Landrechts zusammenstellte, die im Sinne Friedrich's des Großen gestatten,
die evangelische und die katholische Landeskirche mit mannigfachen, berechtigten
Kapellen Andersgläubiger zu umgeben, andrerseits aussprach, daß bestimmte
bürgerliche Rechte nicht durch bestimmte religiöse Akte einer vom Staate aner¬
kannten Religionsgesellschaft bedingt seien. Die freien Gemeinden haben hiervon
Gebrauch gemacht. Wenn mehrere polizeilich geschlossen worden sind, so geschah
es, weil sie sich als politische Vereine gerirt hatten. Der Sinn des Königs für
kirchliche Oecnmeuicitcit bewies sich nicht nnr bei der Begründung des englisch-
preußischen Bisthums in Jerusalem, sondern auch in der Einladung der
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