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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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bemüht, eine Verschmelzung der beiden evangelischen Landeskirchen herbeizu¬
führen und stiftete zu dem Zweck mehrere sogenannte Kvnkordien- oder Simultan¬
kirchen, in welchen abwechselnd lutherischer und reformirter Gottesdienst ge¬
halten wurde. Deu Bedrückungen Evangelischer im Auslande gegeuüber fühlte
er sich als ein Schutzherr des Protestantismus. Eine starke Abneigung hatte
der König gegen die katholische Kirche wegen der Verfolgungen in der Pfalz,
in Böhmen und im Salzburgischen. Ein Greuel war ihm der Jesuitenorden,
der an dem furchtbare" Thoruer Blutbade von 1724 Schuld war. Trotzdem
beschränkte er keinen seiner katholischen Unterthanen in freier Ausübung seiner
Religion, nur ließ er in den evangelischen Kirchen alle Gebräuche und Zere¬
monien abschaffen, welche anch nur im Geringsten noch an das Katholische er¬
innerten. Obwohl duldsam, war der König in kirchlichen Dingen ein strenger
Mann. Diese strenge Kirchlichkeit ist es mit gewesen, welche seinen Sohn Fried¬
rich II., ähnlich wie einst den kaiserlichen Prinzen Julian, der Kirche ent¬
fremdet und dem Skeptizismus zugeführt hat.

Der Ausspruch Friedrich's des Großen, daß in seinen Staaten jeder nach
seiner Fen?on selig werden solle, ist zum Motto der Toleranz geworden: nur
scheint diese Toleranz auf dem bedenklichen Grunde der völlige" Gleichgültig¬
keit gegen alle Religion zu beruhen. Friedrich war skeptisch von Jugend auf.
Er war gleichgiltig gegen jede Form der Religion, ohne Religion war er
nicht. Am Glauben an Gott ist er nie irre geworden, weil die Moral, welche
er selbst deu nothwendigsten Theil der Philosophie nennt, ihn fordert. An
Voltaire schrieb er 1737: "Wenn kein Gott wäre, so würde ich Ihr System
annehmen, aber da gewiß einer existirt, so kann man ihn sich nicht thätig genng
denken." Und über 30 Jahre später schrieb er an d'Alembert: "Die Vernunft
zeigt mir so erstaunenswürdige Verviudungeu in der Natur und legt mir so
auffallend einleuchtende Endursachen vor, daß ich gezwungen bin zuzugeben,
ein denkendes Wesen walte über diesem Weltall." Dem Christenthum war er
völlig fremd. Er hat geschrieben: "Es läßt sich so viel Gutes gegen die
christliche Religion sagen, daß ich erstaune, wie es nicht Jedermann auffällt."
Gegen Theologen und Prediger hegte er mit wenigen Allsnahmen Gering¬
schätzung. Als ein Konsistorialrath für Königsberg ihm vorgeschlagen wurde,
reslribirte er: "Ja, wenn der Mann kein Mucker ist." Als ein theologischer
Professor für Königsberg gesucht wurde schrieb er: "Ein solcher ist leicht zu
finden, denn ein Theologus ist ein Thier ohne Vernunft." Von der Moral
des Evangeliums hingegen sagte er, daß ihre Ausübung von größtem Nutze"
sei. Auch war er fern davon, die Religion schädigen zu wollen. Die Neli-
gionsform, der ein Volk anhängt, hielt er für ein unantastbares Heiligthum.
An Voltaire schrieb er: "Muß man Vorurtheile vor den Kopf stoßen, welche


bemüht, eine Verschmelzung der beiden evangelischen Landeskirchen herbeizu¬
führen und stiftete zu dem Zweck mehrere sogenannte Kvnkordien- oder Simultan¬
kirchen, in welchen abwechselnd lutherischer und reformirter Gottesdienst ge¬
halten wurde. Deu Bedrückungen Evangelischer im Auslande gegeuüber fühlte
er sich als ein Schutzherr des Protestantismus. Eine starke Abneigung hatte
der König gegen die katholische Kirche wegen der Verfolgungen in der Pfalz,
in Böhmen und im Salzburgischen. Ein Greuel war ihm der Jesuitenorden,
der an dem furchtbare» Thoruer Blutbade von 1724 Schuld war. Trotzdem
beschränkte er keinen seiner katholischen Unterthanen in freier Ausübung seiner
Religion, nur ließ er in den evangelischen Kirchen alle Gebräuche und Zere¬
monien abschaffen, welche anch nur im Geringsten noch an das Katholische er¬
innerten. Obwohl duldsam, war der König in kirchlichen Dingen ein strenger
Mann. Diese strenge Kirchlichkeit ist es mit gewesen, welche seinen Sohn Fried¬
rich II., ähnlich wie einst den kaiserlichen Prinzen Julian, der Kirche ent¬
fremdet und dem Skeptizismus zugeführt hat.

Der Ausspruch Friedrich's des Großen, daß in seinen Staaten jeder nach
seiner Fen?on selig werden solle, ist zum Motto der Toleranz geworden: nur
scheint diese Toleranz auf dem bedenklichen Grunde der völlige» Gleichgültig¬
keit gegen alle Religion zu beruhen. Friedrich war skeptisch von Jugend auf.
Er war gleichgiltig gegen jede Form der Religion, ohne Religion war er
nicht. Am Glauben an Gott ist er nie irre geworden, weil die Moral, welche
er selbst deu nothwendigsten Theil der Philosophie nennt, ihn fordert. An
Voltaire schrieb er 1737: „Wenn kein Gott wäre, so würde ich Ihr System
annehmen, aber da gewiß einer existirt, so kann man ihn sich nicht thätig genng
denken." Und über 30 Jahre später schrieb er an d'Alembert: „Die Vernunft
zeigt mir so erstaunenswürdige Verviudungeu in der Natur und legt mir so
auffallend einleuchtende Endursachen vor, daß ich gezwungen bin zuzugeben,
ein denkendes Wesen walte über diesem Weltall." Dem Christenthum war er
völlig fremd. Er hat geschrieben: „Es läßt sich so viel Gutes gegen die
christliche Religion sagen, daß ich erstaune, wie es nicht Jedermann auffällt."
Gegen Theologen und Prediger hegte er mit wenigen Allsnahmen Gering¬
schätzung. Als ein Konsistorialrath für Königsberg ihm vorgeschlagen wurde,
reslribirte er: „Ja, wenn der Mann kein Mucker ist." Als ein theologischer
Professor für Königsberg gesucht wurde schrieb er: „Ein solcher ist leicht zu
finden, denn ein Theologus ist ein Thier ohne Vernunft." Von der Moral
des Evangeliums hingegen sagte er, daß ihre Ausübung von größtem Nutze»
sei. Auch war er fern davon, die Religion schädigen zu wollen. Die Neli-
gionsform, der ein Volk anhängt, hielt er für ein unantastbares Heiligthum.
An Voltaire schrieb er: „Muß man Vorurtheile vor den Kopf stoßen, welche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/188>, abgerufen am 23.07.2024.