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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Strafen wie in der Zeit des Servius Tullius.*) -- Befreiung vom Dienste
gewährten nur die Überschreitung der Altersgrenze von 46 (einigemal 50)
Jahren oder die Vollendung der gesetzlich vorgeschriebenen Anzahl von Feld¬
zügen, die Bekleidung gewisser Ehren- und Priesterämter, die als Belohnung
oder wegen besonderer Staatsgeschäfte bewilligte v^oatin MIit.is.o sowie endlich
körperliche Unfähigkeit.

Nach geschehener Aushebung erfolgte die Vereidigung. Zuerst schwuren
die Legaten und Tribunen. Letztere nahmen dann dem Heere den Eid ab.
Ein Mann jeder Legion sprach die Formel und alle andern, namentlich auf¬
gerufen und einzeln vortretend, bekräftigten ihren Eid mit den Worten: lasen
in ins! Dieser Eid heißt sg-er-uruzuwin, weil er mit einer savratio verbunden
ist: er erst berechtigt den Krieger, von der Waffe Gebrauch zu machen und
den Feind zu todten, und wer ihn bricht, wird s-^er d. h. geächtet und des
Todes werth.**)

Die Beförderung innerhalb der Legion geschah durch den Feld¬
herrn, aber nicht weiter als bis zur Stelle eines ersten Centurio des ersten
Manipels der Triarier. Damit endete die subaltern-Laufbahn. Die Stabs¬
offiziere wurden, wie erwähnt, abgesehen von den Tribunen der über die ge¬
wöhnliche Vierzahl aufgestellten Legionen, vom Volke in den Comitien er¬
wählt. Sie bewarben sich zu diesem Zwecke um die Stimmen, traten, wie alle
Magistrate, ihr Amt am 1. Januar an, führten dasselbe ein Jahr lang und
hießen tridum inilituw ^ xoxulo.^) Dies Verfahren, so sehr es dem Geiste
des modernen Kriegssystems widerspricht, hat sich bei den Römern durch Jahr¬
hunderte der schwersten Kriege behauptet, und daß es möglich war, mit solchen
gewählten Stabsoffizieren Pyrrhus nud Hannibal zu schlagen, beweist, daß
der Geist der Volksversammlung selbst ein wesentlich soldatischer gewesen sein
muß, voll Besonnenheit und mit nüchternem Blicke für die geeignete Persön¬
lichkeit. Eine derartige Haltung aber bewahrten sich die Comitien durch ihre
ununterbrochenen Beziehungen zu den Legionen, deren Traditionen und Er¬
fahrungen in ihnen weiterlebten. Dieser vivis linn-z-nus, zu Haus in be¬
schränkten Verhältnissen, kein besserer Bauer als jeder andere, ward in der
Legion geschult durch kriegerische Zucht und durch Ueberwindung der Gefahr.
Er gleicht den Matrosen und Kapitänen unserer friesischen Küsten, deren enger
Jnselhorizont, unter dein sie ihre beschränkte Landstelle bauen, erweitert wird
durch die wechselnden Aufgaben immer neuer Seereisen, durch die Noth und





*) Vergl. oben S. SV.
Marauard a. a. O. -- In trmmlw lieh man übrigens auch wohl alle Rekruten
einer Legion auf einmal zusammen schwören (ooniur^dio).
***) Marquard II. S. 3S4.

Strafen wie in der Zeit des Servius Tullius.*) — Befreiung vom Dienste
gewährten nur die Überschreitung der Altersgrenze von 46 (einigemal 50)
Jahren oder die Vollendung der gesetzlich vorgeschriebenen Anzahl von Feld¬
zügen, die Bekleidung gewisser Ehren- und Priesterämter, die als Belohnung
oder wegen besonderer Staatsgeschäfte bewilligte v^oatin MIit.is.o sowie endlich
körperliche Unfähigkeit.

Nach geschehener Aushebung erfolgte die Vereidigung. Zuerst schwuren
die Legaten und Tribunen. Letztere nahmen dann dem Heere den Eid ab.
Ein Mann jeder Legion sprach die Formel und alle andern, namentlich auf¬
gerufen und einzeln vortretend, bekräftigten ihren Eid mit den Worten: lasen
in ins! Dieser Eid heißt sg-er-uruzuwin, weil er mit einer savratio verbunden
ist: er erst berechtigt den Krieger, von der Waffe Gebrauch zu machen und
den Feind zu todten, und wer ihn bricht, wird s-^er d. h. geächtet und des
Todes werth.**)

Die Beförderung innerhalb der Legion geschah durch den Feld¬
herrn, aber nicht weiter als bis zur Stelle eines ersten Centurio des ersten
Manipels der Triarier. Damit endete die subaltern-Laufbahn. Die Stabs¬
offiziere wurden, wie erwähnt, abgesehen von den Tribunen der über die ge¬
wöhnliche Vierzahl aufgestellten Legionen, vom Volke in den Comitien er¬
wählt. Sie bewarben sich zu diesem Zwecke um die Stimmen, traten, wie alle
Magistrate, ihr Amt am 1. Januar an, führten dasselbe ein Jahr lang und
hießen tridum inilituw ^ xoxulo.^) Dies Verfahren, so sehr es dem Geiste
des modernen Kriegssystems widerspricht, hat sich bei den Römern durch Jahr¬
hunderte der schwersten Kriege behauptet, und daß es möglich war, mit solchen
gewählten Stabsoffizieren Pyrrhus nud Hannibal zu schlagen, beweist, daß
der Geist der Volksversammlung selbst ein wesentlich soldatischer gewesen sein
muß, voll Besonnenheit und mit nüchternem Blicke für die geeignete Persön¬
lichkeit. Eine derartige Haltung aber bewahrten sich die Comitien durch ihre
ununterbrochenen Beziehungen zu den Legionen, deren Traditionen und Er¬
fahrungen in ihnen weiterlebten. Dieser vivis linn-z-nus, zu Haus in be¬
schränkten Verhältnissen, kein besserer Bauer als jeder andere, ward in der
Legion geschult durch kriegerische Zucht und durch Ueberwindung der Gefahr.
Er gleicht den Matrosen und Kapitänen unserer friesischen Küsten, deren enger
Jnselhorizont, unter dein sie ihre beschränkte Landstelle bauen, erweitert wird
durch die wechselnden Aufgaben immer neuer Seereisen, durch die Noth und





*) Vergl. oben S. SV.
Marauard a. a. O. — In trmmlw lieh man übrigens auch wohl alle Rekruten
einer Legion auf einmal zusammen schwören (ooniur^dio).
***) Marquard II. S. 3S4.
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[0141] Strafen wie in der Zeit des Servius Tullius.*) — Befreiung vom Dienste gewährten nur die Überschreitung der Altersgrenze von 46 (einigemal 50) Jahren oder die Vollendung der gesetzlich vorgeschriebenen Anzahl von Feld¬ zügen, die Bekleidung gewisser Ehren- und Priesterämter, die als Belohnung oder wegen besonderer Staatsgeschäfte bewilligte v^oatin MIit.is.o sowie endlich körperliche Unfähigkeit. Nach geschehener Aushebung erfolgte die Vereidigung. Zuerst schwuren die Legaten und Tribunen. Letztere nahmen dann dem Heere den Eid ab. Ein Mann jeder Legion sprach die Formel und alle andern, namentlich auf¬ gerufen und einzeln vortretend, bekräftigten ihren Eid mit den Worten: lasen in ins! Dieser Eid heißt sg-er-uruzuwin, weil er mit einer savratio verbunden ist: er erst berechtigt den Krieger, von der Waffe Gebrauch zu machen und den Feind zu todten, und wer ihn bricht, wird s-^er d. h. geächtet und des Todes werth.**) Die Beförderung innerhalb der Legion geschah durch den Feld¬ herrn, aber nicht weiter als bis zur Stelle eines ersten Centurio des ersten Manipels der Triarier. Damit endete die subaltern-Laufbahn. Die Stabs¬ offiziere wurden, wie erwähnt, abgesehen von den Tribunen der über die ge¬ wöhnliche Vierzahl aufgestellten Legionen, vom Volke in den Comitien er¬ wählt. Sie bewarben sich zu diesem Zwecke um die Stimmen, traten, wie alle Magistrate, ihr Amt am 1. Januar an, führten dasselbe ein Jahr lang und hießen tridum inilituw ^ xoxulo.^) Dies Verfahren, so sehr es dem Geiste des modernen Kriegssystems widerspricht, hat sich bei den Römern durch Jahr¬ hunderte der schwersten Kriege behauptet, und daß es möglich war, mit solchen gewählten Stabsoffizieren Pyrrhus nud Hannibal zu schlagen, beweist, daß der Geist der Volksversammlung selbst ein wesentlich soldatischer gewesen sein muß, voll Besonnenheit und mit nüchternem Blicke für die geeignete Persön¬ lichkeit. Eine derartige Haltung aber bewahrten sich die Comitien durch ihre ununterbrochenen Beziehungen zu den Legionen, deren Traditionen und Er¬ fahrungen in ihnen weiterlebten. Dieser vivis linn-z-nus, zu Haus in be¬ schränkten Verhältnissen, kein besserer Bauer als jeder andere, ward in der Legion geschult durch kriegerische Zucht und durch Ueberwindung der Gefahr. Er gleicht den Matrosen und Kapitänen unserer friesischen Küsten, deren enger Jnselhorizont, unter dein sie ihre beschränkte Landstelle bauen, erweitert wird durch die wechselnden Aufgaben immer neuer Seereisen, durch die Noth und *) Vergl. oben S. SV. Marauard a. a. O. — In trmmlw lieh man übrigens auch wohl alle Rekruten einer Legion auf einmal zusammen schwören (ooniur^dio). ***) Marquard II. S. 3S4.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/141>, abgerufen am 22.07.2024.