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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Ende erreicht hat. Im Uebrigen wurden diese Positionen des Etats mit
wenigen Ausnahmen bewilligt, außerdem noch einige Resolutionen hinzugefügt,
von denen die wichtigste dahin geht, daß auf die Aufhebung des Instituts der
sogenannten Militärpostämter -- 132 Postämter, welche nur mit Offizieren
besetzt werden -- natürlich unter Schonung wohlerworbener Rechte, Bedacht
genommen werde.

Aus den sonstigen Beschlüssen ist in der That wenig hervorzuheben. Einer
scharfen Kritik wurde bei Gelegenheit der Zuschußforderung für das neue
Collegiengebäude der Universität Straßburg die Weise unterzogen, wie von
Reichswegen heutzutage gebaut wird. Ein Redner meinte Angesichts der vor¬
gelegten Pläne, daß es doch unmöglich angehe, den guten Geschmack der
Elsässer mit einem solchen "australischen Ballstyl" zu beleidigen. Die Position
von 600,000 Mark wurde denn eines auf 100,000 Mark reduzirt, nicht weil
man die Beihülfe des Reichs zu dem Universitätsbau wirklich um diesen Be¬
trag schmälern, sondern weil man befriedigendere Pläne abwarten wollte. --
Die Sparsamkeit, ans welche die dermalige Finanzlage unbestreitbar hinweist,
hatte die Budgetkommission u. A. auch bei zwei Forderungen theils historisch-
künstlerischeu, theils wissenschaftlichen Interesses zum Ausdruck gebracht. Sie
beantragte die erste Rate zur Restauration der Katharinenkirche bei Oppen¬
heim, im Betrage von 16,500 Mark, sowie den Posten von 100,000 Mark
zur Unterstützung der Afrikaforschungen zu streichen. Dem ersteren Vorschlage
ist das Haus nicht beigetreten; man hielt die Wiederherstellung des in so vieler
Beziehung merkwürdigen Baues für eine nationale Ehrenpflicht, und so wurde
die Bewilligung der Budgetforderung mit großer Majorität beschlossen. Was
aber den anderen Punkt anlangt, so gelang es den Freunden der Afrikaexpedi¬
tionen nicht, die Versammlung im gewünschte" Grade zu erwärmen; die Posi¬
tion wurde, freilich fast bei Stimmengleichheit, abgelehnt.*)

Das Dazwischentreten des Landtages hat es leider unmöglich gemacht,
den Reichshaushaltsetat rechtzeitig, d. h. vor dem ersten April, fertig zu stellen.
Man hat sich auch diesmal, wie im vorigen Jahre, bequemen müssen, den
alten Etat durch ein Nothgesetz um einen Monat zu verlängern. Mit der
Verlegung des Etatsjahrsanfangs vom ersten Januar aus den ersten April
meinte man, aller Budgetnöthe überhoben zu sein. Jetzt muß schon zum
zweiten Male die Fortdauer des alten Leidens konstatirt werden. Hoffentlich
zum letzten Mal! --

Der Landtag hat mit der abgelaufenen Woche nach fünfmonatlicher, freilich
wiederholt unterbrochener Tagung sein Ende erreicht. Den Inhalt seiner

*) L D. Red. eidorl


Grmzlwlm II. 1878.10

Ende erreicht hat. Im Uebrigen wurden diese Positionen des Etats mit
wenigen Ausnahmen bewilligt, außerdem noch einige Resolutionen hinzugefügt,
von denen die wichtigste dahin geht, daß auf die Aufhebung des Instituts der
sogenannten Militärpostämter — 132 Postämter, welche nur mit Offizieren
besetzt werden — natürlich unter Schonung wohlerworbener Rechte, Bedacht
genommen werde.

Aus den sonstigen Beschlüssen ist in der That wenig hervorzuheben. Einer
scharfen Kritik wurde bei Gelegenheit der Zuschußforderung für das neue
Collegiengebäude der Universität Straßburg die Weise unterzogen, wie von
Reichswegen heutzutage gebaut wird. Ein Redner meinte Angesichts der vor¬
gelegten Pläne, daß es doch unmöglich angehe, den guten Geschmack der
Elsässer mit einem solchen „australischen Ballstyl" zu beleidigen. Die Position
von 600,000 Mark wurde denn eines auf 100,000 Mark reduzirt, nicht weil
man die Beihülfe des Reichs zu dem Universitätsbau wirklich um diesen Be¬
trag schmälern, sondern weil man befriedigendere Pläne abwarten wollte. —
Die Sparsamkeit, ans welche die dermalige Finanzlage unbestreitbar hinweist,
hatte die Budgetkommission u. A. auch bei zwei Forderungen theils historisch-
künstlerischeu, theils wissenschaftlichen Interesses zum Ausdruck gebracht. Sie
beantragte die erste Rate zur Restauration der Katharinenkirche bei Oppen¬
heim, im Betrage von 16,500 Mark, sowie den Posten von 100,000 Mark
zur Unterstützung der Afrikaforschungen zu streichen. Dem ersteren Vorschlage
ist das Haus nicht beigetreten; man hielt die Wiederherstellung des in so vieler
Beziehung merkwürdigen Baues für eine nationale Ehrenpflicht, und so wurde
die Bewilligung der Budgetforderung mit großer Majorität beschlossen. Was
aber den anderen Punkt anlangt, so gelang es den Freunden der Afrikaexpedi¬
tionen nicht, die Versammlung im gewünschte» Grade zu erwärmen; die Posi¬
tion wurde, freilich fast bei Stimmengleichheit, abgelehnt.*)

Das Dazwischentreten des Landtages hat es leider unmöglich gemacht,
den Reichshaushaltsetat rechtzeitig, d. h. vor dem ersten April, fertig zu stellen.
Man hat sich auch diesmal, wie im vorigen Jahre, bequemen müssen, den
alten Etat durch ein Nothgesetz um einen Monat zu verlängern. Mit der
Verlegung des Etatsjahrsanfangs vom ersten Januar aus den ersten April
meinte man, aller Budgetnöthe überhoben zu sein. Jetzt muß schon zum
zweiten Male die Fortdauer des alten Leidens konstatirt werden. Hoffentlich
zum letzten Mal! —

Der Landtag hat mit der abgelaufenen Woche nach fünfmonatlicher, freilich
wiederholt unterbrochener Tagung sein Ende erreicht. Den Inhalt seiner

*) L D. Red. eidorl


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[0077] Ende erreicht hat. Im Uebrigen wurden diese Positionen des Etats mit wenigen Ausnahmen bewilligt, außerdem noch einige Resolutionen hinzugefügt, von denen die wichtigste dahin geht, daß auf die Aufhebung des Instituts der sogenannten Militärpostämter — 132 Postämter, welche nur mit Offizieren besetzt werden — natürlich unter Schonung wohlerworbener Rechte, Bedacht genommen werde. Aus den sonstigen Beschlüssen ist in der That wenig hervorzuheben. Einer scharfen Kritik wurde bei Gelegenheit der Zuschußforderung für das neue Collegiengebäude der Universität Straßburg die Weise unterzogen, wie von Reichswegen heutzutage gebaut wird. Ein Redner meinte Angesichts der vor¬ gelegten Pläne, daß es doch unmöglich angehe, den guten Geschmack der Elsässer mit einem solchen „australischen Ballstyl" zu beleidigen. Die Position von 600,000 Mark wurde denn eines auf 100,000 Mark reduzirt, nicht weil man die Beihülfe des Reichs zu dem Universitätsbau wirklich um diesen Be¬ trag schmälern, sondern weil man befriedigendere Pläne abwarten wollte. — Die Sparsamkeit, ans welche die dermalige Finanzlage unbestreitbar hinweist, hatte die Budgetkommission u. A. auch bei zwei Forderungen theils historisch- künstlerischeu, theils wissenschaftlichen Interesses zum Ausdruck gebracht. Sie beantragte die erste Rate zur Restauration der Katharinenkirche bei Oppen¬ heim, im Betrage von 16,500 Mark, sowie den Posten von 100,000 Mark zur Unterstützung der Afrikaforschungen zu streichen. Dem ersteren Vorschlage ist das Haus nicht beigetreten; man hielt die Wiederherstellung des in so vieler Beziehung merkwürdigen Baues für eine nationale Ehrenpflicht, und so wurde die Bewilligung der Budgetforderung mit großer Majorität beschlossen. Was aber den anderen Punkt anlangt, so gelang es den Freunden der Afrikaexpedi¬ tionen nicht, die Versammlung im gewünschte» Grade zu erwärmen; die Posi¬ tion wurde, freilich fast bei Stimmengleichheit, abgelehnt.*) Das Dazwischentreten des Landtages hat es leider unmöglich gemacht, den Reichshaushaltsetat rechtzeitig, d. h. vor dem ersten April, fertig zu stellen. Man hat sich auch diesmal, wie im vorigen Jahre, bequemen müssen, den alten Etat durch ein Nothgesetz um einen Monat zu verlängern. Mit der Verlegung des Etatsjahrsanfangs vom ersten Januar aus den ersten April meinte man, aller Budgetnöthe überhoben zu sein. Jetzt muß schon zum zweiten Male die Fortdauer des alten Leidens konstatirt werden. Hoffentlich zum letzten Mal! — Der Landtag hat mit der abgelaufenen Woche nach fünfmonatlicher, freilich wiederholt unterbrochener Tagung sein Ende erreicht. Den Inhalt seiner *) L D. Red. eidorl Grmzlwlm II. 1878.10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/77>, abgerufen am 09.11.2024.