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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Schrader gegen Fox Talbot Recht behält, der eine Art religiösen Dramas in
diesem Gedichte findet.*) --

Es gehört dieses Poüm dein rasch berühmt gewordenen Legendeueyklus an,
der sich um den Flnthheros Jzdubar gruppirt, und der nenerdings das Inter¬
esse der ganzen gebildeten Welt in Anspruch genommen hat.

Nachdem nämlich Smith in Verfolg seiner assyrischen Sintfluthsstudien
ans das Fragment eines Schöpfungsberichtes gestoßen war, suchte er unter
der großen Zahl der vorhandenen Thontäfelchen, deren Werth vor den größeren
monumentalen Funden nun erst hervortrat, eine fortlaufende Serie herzustellen,
welche, wenn auch äußerst fragmentarisch, eine Urgeschichte der Menschheit er¬
gab. -- Bei diesen Untersuchungen gelang es Smith festzustellen, daß dieses
Epos der assyrischen Urgeschichte eine Redaktion einer Anzahl unabhängiger
Lieder älteren Datums war, welche sämmtlich von der sagenhaften Persön¬
lichkeit des abenteuerreichen Jzdubar beherrscht sind. Das ganze Epos, das
in seiner gegenwärtigen Form etwa ums Jahr 2000 v. Ch. entstanden ist, ist
eine auf astronomischem Prinzipe ruhende Compilation, die in 12 Bücher zer¬
fällt, von denen jedes dem entsprechenden Zeichen des Zodiacus, resp, demjenigen
akkadischen Monate entspricht, der den korrespondirenden Namen trägt; so ist
z. B., um dies vorauszunehmen, der Sintfluthsbericht im 11. Buche gegeben,
welches mit dein Wassermann des Thierkreises, resp, dem "Regenmond" des
akkadischen Kalenders korrespondirt.**)

Die erste Serie, die Geschichte der Schöpfung und des Falles, umfaßte
ursprünglich 9 oder 10 Thontäfelchen, von denen leider nur wenige Fragmente
erhalten sind; sie gaben ein bei weitem vollständigeres Material als der bib¬
lische Bericht. In der Bibliothek Assurbanipals gefunden, stammen sie aus
der Mitte des 7. Jahrh, v. Chr., find aber sämmtlich Kopien von viel älteren
Originaltexten, welche sich ursprünglich in der Bibliothek von Cnthah befanden***)

Mit Ausnahme des ersten und fünften sind sämmtliche Täfelchen fast
ganz zerbröckelt und eignen sich deshalb nicht zur geschlossenen Mittheilung.
Die vollkommneren Bruchstücke dieser chaldäischen Schöpfungsgeschichte, die
etwa deu beiden ersten Versen der Genesis entspricht, lauten nun so:

"Als die obere Beste noch nicht genannt war Himmel, -- Als die untere
Region noch nicht genannt war Erde, -- Und der Abgrund des Hades noch nicht
geöffnet hatte seine Arme, -- Da brachte das Chaos der Wasser, die Ticunat, sie
alle hervor, -- Und die Wasser wurden versammelt an Einen Ort. -- Kein Mensch





") rrg,vsg,etion8 oL tlo Loeiöt. lor LM. ^rvkköol,, London, s, Mai 1374 (v5 auch
^Lg.a"in^, 16. Mai 1874).
K. Simtli, Mök. ok Laiiz?1>, xax. 29.
S, Linitd, SI.< ok Li^l,, xgK 1!>.

Schrader gegen Fox Talbot Recht behält, der eine Art religiösen Dramas in
diesem Gedichte findet.*) —

Es gehört dieses Poüm dein rasch berühmt gewordenen Legendeueyklus an,
der sich um den Flnthheros Jzdubar gruppirt, und der nenerdings das Inter¬
esse der ganzen gebildeten Welt in Anspruch genommen hat.

Nachdem nämlich Smith in Verfolg seiner assyrischen Sintfluthsstudien
ans das Fragment eines Schöpfungsberichtes gestoßen war, suchte er unter
der großen Zahl der vorhandenen Thontäfelchen, deren Werth vor den größeren
monumentalen Funden nun erst hervortrat, eine fortlaufende Serie herzustellen,
welche, wenn auch äußerst fragmentarisch, eine Urgeschichte der Menschheit er¬
gab. — Bei diesen Untersuchungen gelang es Smith festzustellen, daß dieses
Epos der assyrischen Urgeschichte eine Redaktion einer Anzahl unabhängiger
Lieder älteren Datums war, welche sämmtlich von der sagenhaften Persön¬
lichkeit des abenteuerreichen Jzdubar beherrscht sind. Das ganze Epos, das
in seiner gegenwärtigen Form etwa ums Jahr 2000 v. Ch. entstanden ist, ist
eine auf astronomischem Prinzipe ruhende Compilation, die in 12 Bücher zer¬
fällt, von denen jedes dem entsprechenden Zeichen des Zodiacus, resp, demjenigen
akkadischen Monate entspricht, der den korrespondirenden Namen trägt; so ist
z. B., um dies vorauszunehmen, der Sintfluthsbericht im 11. Buche gegeben,
welches mit dein Wassermann des Thierkreises, resp, dem „Regenmond" des
akkadischen Kalenders korrespondirt.**)

Die erste Serie, die Geschichte der Schöpfung und des Falles, umfaßte
ursprünglich 9 oder 10 Thontäfelchen, von denen leider nur wenige Fragmente
erhalten sind; sie gaben ein bei weitem vollständigeres Material als der bib¬
lische Bericht. In der Bibliothek Assurbanipals gefunden, stammen sie aus
der Mitte des 7. Jahrh, v. Chr., find aber sämmtlich Kopien von viel älteren
Originaltexten, welche sich ursprünglich in der Bibliothek von Cnthah befanden***)

Mit Ausnahme des ersten und fünften sind sämmtliche Täfelchen fast
ganz zerbröckelt und eignen sich deshalb nicht zur geschlossenen Mittheilung.
Die vollkommneren Bruchstücke dieser chaldäischen Schöpfungsgeschichte, die
etwa deu beiden ersten Versen der Genesis entspricht, lauten nun so:

„Als die obere Beste noch nicht genannt war Himmel, — Als die untere
Region noch nicht genannt war Erde, — Und der Abgrund des Hades noch nicht
geöffnet hatte seine Arme, — Da brachte das Chaos der Wasser, die Ticunat, sie
alle hervor, — Und die Wasser wurden versammelt an Einen Ort. — Kein Mensch





») rrg,vsg,etion8 oL tlo Loeiöt. lor LM. ^rvkköol,, London, s, Mai 1374 (v5 auch
^Lg.a«in^, 16. Mai 1874).
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/60>, abgerufen am 29.12.2024.