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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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mentirung des Troeaderopalastes erforderte während des ungünstigen Bau¬
grundes allein drei Millionen.

Trotz dieser beispiellosen Dimensionen erreicht der Palast die von seinen
Erbauern, den Herren Daviond und Bourdais, beabsichtigte Wirkung nicht.
Von der ausgesprochenen Tendenz geleitet, etwas noch nie Dagewesenes in
einem neuen Baustil zu schaffen, haben die Architekten romanische, maurische
und Renaissanceelemente durcheinandergemischt, die sich gegenseitig bekämpfen.
An und für sich ist der Mittelbau, trotzdem sich gerade bei ihm die Stil-
mischerei am empfindlichsten geltend macht, ein imponirendes Bauwerk, das
seiue Wirkung nicht verfehlt, wenn man es allein, ohne die beiden Seitenbalken,
betrachtet, die sich wie ein Paar riesige Schlangen um seinen Körper lagern.
Wenn man, von der Stadt kommend, am rechten Seineufer entlang fährt und
dann eine der Brücken, den ?eine ckss Invaliäos oder den ?ont et'^,1lux>,, passirt,
genießt man den Anblick des Mittelbaus ohne die Seitenbalken, die seine
Wirkung aufheben, da diese erst später auftauchen. Auch von einem erhöhten
Punkte der Umgebung von Paris betrachtet, z B. vom ?oiQt an, ^our ober¬
halb Se. Clouds, von wo aus die niedrigen Seitenbalken fast verschwinden, ist
der Eindruck des Troeaderopalastes mit seinen Thürmen ein imposanter.

Wie der goldene Dom der Invaliden, wie die stumpfen Thürme von
Notre Dame und die Kuppel des Pantheon werden auch die Thürme des
Trocadero fortan zu den Wahrzeichen von Paris, zu den charakteristischen
Merkmalen seines Stadtbildes gehören. Denn der Trocaderopalast ist nicht
eine flüchtige Dekoration für sechs Monate, sondern ein für die Ewigkeit be¬
rechnetes Monument, das auch späteren Geschlechtern verkünden soll, wie schnell
sich die französische Republik nach einer beispiellosen Niederlage zu einem nicht
minder großen Triumphe aufgerafft!

Die Männer der dritten Republik gefallen sich gern in der römischen Toga.
Auf die Feste des Kaiserreichs soll die lakonische Strenge, auf die Ueppigkeit
einer Eugenie die Tugend einer Gracchenmutter folgen. Diese strengen Grund¬
sätze sollen sich in der Kunst ebenso offenbaren wie im öffentlichen Leben, und
der Trocaderopalast sollte gewissermaßen der monumentale Ausdruck der republi¬
kanischen Strenge und Hoheit sein. Aber wenn die Franzosen sich in der Nach¬
ahmung römischer Allüren versuchen, haben sie meist das Unglück, sich zu ver¬
greifen. Als der republikanische Maler David seinen Landsleuten die republi¬
kanischen Tugenden einimpfen wollte, indem er den Schwur der Horatier, den
Kampf der Römer und der Sabiner und das Urtheil des Brutus malte, gab
er unwillkürlich dem Zuge des französischen Nationalcharakters nach und ge¬
riet!) dabei in das theatralische Pathos. Seine Bilder sind keine Historienge¬
mälde in großem Stil, wie die eines Delaroche, eines Delacroix, sondern wohl-


mentirung des Troeaderopalastes erforderte während des ungünstigen Bau¬
grundes allein drei Millionen.

Trotz dieser beispiellosen Dimensionen erreicht der Palast die von seinen
Erbauern, den Herren Daviond und Bourdais, beabsichtigte Wirkung nicht.
Von der ausgesprochenen Tendenz geleitet, etwas noch nie Dagewesenes in
einem neuen Baustil zu schaffen, haben die Architekten romanische, maurische
und Renaissanceelemente durcheinandergemischt, die sich gegenseitig bekämpfen.
An und für sich ist der Mittelbau, trotzdem sich gerade bei ihm die Stil-
mischerei am empfindlichsten geltend macht, ein imponirendes Bauwerk, das
seiue Wirkung nicht verfehlt, wenn man es allein, ohne die beiden Seitenbalken,
betrachtet, die sich wie ein Paar riesige Schlangen um seinen Körper lagern.
Wenn man, von der Stadt kommend, am rechten Seineufer entlang fährt und
dann eine der Brücken, den ?eine ckss Invaliäos oder den ?ont et'^,1lux>,, passirt,
genießt man den Anblick des Mittelbaus ohne die Seitenbalken, die seine
Wirkung aufheben, da diese erst später auftauchen. Auch von einem erhöhten
Punkte der Umgebung von Paris betrachtet, z B. vom ?oiQt an, ^our ober¬
halb Se. Clouds, von wo aus die niedrigen Seitenbalken fast verschwinden, ist
der Eindruck des Troeaderopalastes mit seinen Thürmen ein imposanter.

Wie der goldene Dom der Invaliden, wie die stumpfen Thürme von
Notre Dame und die Kuppel des Pantheon werden auch die Thürme des
Trocadero fortan zu den Wahrzeichen von Paris, zu den charakteristischen
Merkmalen seines Stadtbildes gehören. Denn der Trocaderopalast ist nicht
eine flüchtige Dekoration für sechs Monate, sondern ein für die Ewigkeit be¬
rechnetes Monument, das auch späteren Geschlechtern verkünden soll, wie schnell
sich die französische Republik nach einer beispiellosen Niederlage zu einem nicht
minder großen Triumphe aufgerafft!

Die Männer der dritten Republik gefallen sich gern in der römischen Toga.
Auf die Feste des Kaiserreichs soll die lakonische Strenge, auf die Ueppigkeit
einer Eugenie die Tugend einer Gracchenmutter folgen. Diese strengen Grund¬
sätze sollen sich in der Kunst ebenso offenbaren wie im öffentlichen Leben, und
der Trocaderopalast sollte gewissermaßen der monumentale Ausdruck der republi¬
kanischen Strenge und Hoheit sein. Aber wenn die Franzosen sich in der Nach¬
ahmung römischer Allüren versuchen, haben sie meist das Unglück, sich zu ver¬
greifen. Als der republikanische Maler David seinen Landsleuten die republi¬
kanischen Tugenden einimpfen wollte, indem er den Schwur der Horatier, den
Kampf der Römer und der Sabiner und das Urtheil des Brutus malte, gab
er unwillkürlich dem Zuge des französischen Nationalcharakters nach und ge¬
riet!) dabei in das theatralische Pathos. Seine Bilder sind keine Historienge¬
mälde in großem Stil, wie die eines Delaroche, eines Delacroix, sondern wohl-


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[0512] mentirung des Troeaderopalastes erforderte während des ungünstigen Bau¬ grundes allein drei Millionen. Trotz dieser beispiellosen Dimensionen erreicht der Palast die von seinen Erbauern, den Herren Daviond und Bourdais, beabsichtigte Wirkung nicht. Von der ausgesprochenen Tendenz geleitet, etwas noch nie Dagewesenes in einem neuen Baustil zu schaffen, haben die Architekten romanische, maurische und Renaissanceelemente durcheinandergemischt, die sich gegenseitig bekämpfen. An und für sich ist der Mittelbau, trotzdem sich gerade bei ihm die Stil- mischerei am empfindlichsten geltend macht, ein imponirendes Bauwerk, das seiue Wirkung nicht verfehlt, wenn man es allein, ohne die beiden Seitenbalken, betrachtet, die sich wie ein Paar riesige Schlangen um seinen Körper lagern. Wenn man, von der Stadt kommend, am rechten Seineufer entlang fährt und dann eine der Brücken, den ?eine ckss Invaliäos oder den ?ont et'^,1lux>,, passirt, genießt man den Anblick des Mittelbaus ohne die Seitenbalken, die seine Wirkung aufheben, da diese erst später auftauchen. Auch von einem erhöhten Punkte der Umgebung von Paris betrachtet, z B. vom ?oiQt an, ^our ober¬ halb Se. Clouds, von wo aus die niedrigen Seitenbalken fast verschwinden, ist der Eindruck des Troeaderopalastes mit seinen Thürmen ein imposanter. Wie der goldene Dom der Invaliden, wie die stumpfen Thürme von Notre Dame und die Kuppel des Pantheon werden auch die Thürme des Trocadero fortan zu den Wahrzeichen von Paris, zu den charakteristischen Merkmalen seines Stadtbildes gehören. Denn der Trocaderopalast ist nicht eine flüchtige Dekoration für sechs Monate, sondern ein für die Ewigkeit be¬ rechnetes Monument, das auch späteren Geschlechtern verkünden soll, wie schnell sich die französische Republik nach einer beispiellosen Niederlage zu einem nicht minder großen Triumphe aufgerafft! Die Männer der dritten Republik gefallen sich gern in der römischen Toga. Auf die Feste des Kaiserreichs soll die lakonische Strenge, auf die Ueppigkeit einer Eugenie die Tugend einer Gracchenmutter folgen. Diese strengen Grund¬ sätze sollen sich in der Kunst ebenso offenbaren wie im öffentlichen Leben, und der Trocaderopalast sollte gewissermaßen der monumentale Ausdruck der republi¬ kanischen Strenge und Hoheit sein. Aber wenn die Franzosen sich in der Nach¬ ahmung römischer Allüren versuchen, haben sie meist das Unglück, sich zu ver¬ greifen. Als der republikanische Maler David seinen Landsleuten die republi¬ kanischen Tugenden einimpfen wollte, indem er den Schwur der Horatier, den Kampf der Römer und der Sabiner und das Urtheil des Brutus malte, gab er unwillkürlich dem Zuge des französischen Nationalcharakters nach und ge¬ riet!) dabei in das theatralische Pathos. Seine Bilder sind keine Historienge¬ mälde in großem Stil, wie die eines Delaroche, eines Delacroix, sondern wohl-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/512>, abgerufen am 01.09.2024.