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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Süden im ehemals hochfürstl. Augsburgischen Gebiete) ihrer Schwester Khünd,
dem sie schon hinden den Nacken durchschnitten hatten, aus großem Hunger
wollen schlachten und eßen, maßen das Bauersvolk in den Dörfern hier auch
Menschenfleisch für Wildprett eßen; und von Göppingen bis gegen Schwal.-
memsingen, wo vorhin 1500 Seelen waren, sein jetzt nit 200 zu finden."

Für die buchstäbliche Wahrheit dieses Berichtes übernehmen wir keine
Bürgschaft; daß jedoch mancherlei schauderhafte Dinge damals vorgekommen
sind, steht fest. Und jedenfalls ist der Umstand, daß ein so verständiger
Mann wie Hciinhofer solche Dinge glauben und niederschreiben konnte, schon
für sich allein Beweis genug, daß die Noth fürchterlich war. Nichts vielleicht
giebt uns eine lebhaftere Darstellung von der grausigen Wirklichkeit, als die
kolossale Steigerung in den Preisen der nothwendigsten Lebensmittel, während
jener ? oder 8 Hungermonate. Ein paar Beispiele mögen genügen. Das
hauptsächlichste und unentbehrlichste Nahrungsmittel der großen Masse war
zu jener Zeit Getreide und zwar vorzugsweise Korn. Die Weeze Korn kostete
zu gewöhnlichen, ^ wohlfeilen Zeiten etwa 30 Krz., etwas darunter oder da¬
rüber. In der ersten Hälfte des Jahres 1634 waren die Preise allerdings
schon nicht mehr niedrig, die Metze kostete 40 Krz. bis einen si. Gegen Ende
August kostete sie schon 2--2^ si., gegen Ende Nov. 4--5 si., um Mitte
Februar 8 si. und stieg im März noch auf 16 si. und mehr. Ein Laiblein
Brod von 2/2 Pfund wurde am 12. März für 24 Krz. verkauft, und
Jemand gab um dieselbe Zeit für eine Metze Korn einen Mantel der 30 si.
gekostet. Andere Getreidesorten, wie Weizen, Gerste, Hafer, dann Erbsen,
Linsen und dergl. stiegen in ähnlichen Verhältnissen. Bei Fleisch und sonstigen
Nahrungsmitteln, die schon zu gewöhnlichen Zeiten etwas theurer waren und
zur Noth entbehrt werden konnten, war die Steigerung geringer, doch immer¬
hin bedeutend. Für das Pfund Kuhfleisch, welches im Sommer 1634 zu
2--3 Krz. verkauft wurde, zahlte man im Oktober schon 8 Krz., Ende No¬
vember 12 Krz,, und es stieg bis Mitte Febr. 1635 auf 22 Krz.; das Pfund
Schmalz wurde im Juli etwa um 10 Krz. verkauft, im Febr. schon um weit
über 1 si., der Preis der Butter hob sich in derselben Zeit von 8 Krz. auf
1 si. Ein Kuhmaul oder Kuhfuß, die vormals 3 Krz. gekostet, kosteten im
März 1635, 20 Krz., für eine Bratwurst, die vormals 4 Psge. gekostet, zahlte
man im März 10 Krz.; das Pfund Schweinefleisch stieg von 4 Krz. auf 36 Krz.
u. f. w. u. s. w/°) Welches namenlose Elend eine Steigerung in den Preisen



*) Die oben stehenden Preisangaben sind gleichzeitigen Quellen entnommen; später?
Berichterstatter, wie z. B. Stellen Geschichte Augsburgs Il. 369 u. a., wissen von noch
höheren Preisen zu sagen und es mögen auch wohl solche in der That vorgekommen sein,

Süden im ehemals hochfürstl. Augsburgischen Gebiete) ihrer Schwester Khünd,
dem sie schon hinden den Nacken durchschnitten hatten, aus großem Hunger
wollen schlachten und eßen, maßen das Bauersvolk in den Dörfern hier auch
Menschenfleisch für Wildprett eßen; und von Göppingen bis gegen Schwal.-
memsingen, wo vorhin 1500 Seelen waren, sein jetzt nit 200 zu finden."

Für die buchstäbliche Wahrheit dieses Berichtes übernehmen wir keine
Bürgschaft; daß jedoch mancherlei schauderhafte Dinge damals vorgekommen
sind, steht fest. Und jedenfalls ist der Umstand, daß ein so verständiger
Mann wie Hciinhofer solche Dinge glauben und niederschreiben konnte, schon
für sich allein Beweis genug, daß die Noth fürchterlich war. Nichts vielleicht
giebt uns eine lebhaftere Darstellung von der grausigen Wirklichkeit, als die
kolossale Steigerung in den Preisen der nothwendigsten Lebensmittel, während
jener ? oder 8 Hungermonate. Ein paar Beispiele mögen genügen. Das
hauptsächlichste und unentbehrlichste Nahrungsmittel der großen Masse war
zu jener Zeit Getreide und zwar vorzugsweise Korn. Die Weeze Korn kostete
zu gewöhnlichen, ^ wohlfeilen Zeiten etwa 30 Krz., etwas darunter oder da¬
rüber. In der ersten Hälfte des Jahres 1634 waren die Preise allerdings
schon nicht mehr niedrig, die Metze kostete 40 Krz. bis einen si. Gegen Ende
August kostete sie schon 2—2^ si., gegen Ende Nov. 4—5 si., um Mitte
Februar 8 si. und stieg im März noch auf 16 si. und mehr. Ein Laiblein
Brod von 2/2 Pfund wurde am 12. März für 24 Krz. verkauft, und
Jemand gab um dieselbe Zeit für eine Metze Korn einen Mantel der 30 si.
gekostet. Andere Getreidesorten, wie Weizen, Gerste, Hafer, dann Erbsen,
Linsen und dergl. stiegen in ähnlichen Verhältnissen. Bei Fleisch und sonstigen
Nahrungsmitteln, die schon zu gewöhnlichen Zeiten etwas theurer waren und
zur Noth entbehrt werden konnten, war die Steigerung geringer, doch immer¬
hin bedeutend. Für das Pfund Kuhfleisch, welches im Sommer 1634 zu
2—3 Krz. verkauft wurde, zahlte man im Oktober schon 8 Krz., Ende No¬
vember 12 Krz,, und es stieg bis Mitte Febr. 1635 auf 22 Krz.; das Pfund
Schmalz wurde im Juli etwa um 10 Krz. verkauft, im Febr. schon um weit
über 1 si., der Preis der Butter hob sich in derselben Zeit von 8 Krz. auf
1 si. Ein Kuhmaul oder Kuhfuß, die vormals 3 Krz. gekostet, kosteten im
März 1635, 20 Krz., für eine Bratwurst, die vormals 4 Psge. gekostet, zahlte
man im März 10 Krz.; das Pfund Schweinefleisch stieg von 4 Krz. auf 36 Krz.
u. f. w. u. s. w/°) Welches namenlose Elend eine Steigerung in den Preisen



*) Die oben stehenden Preisangaben sind gleichzeitigen Quellen entnommen; später?
Berichterstatter, wie z. B. Stellen Geschichte Augsburgs Il. 369 u. a., wissen von noch
höheren Preisen zu sagen und es mögen auch wohl solche in der That vorgekommen sein,
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[0465] Süden im ehemals hochfürstl. Augsburgischen Gebiete) ihrer Schwester Khünd, dem sie schon hinden den Nacken durchschnitten hatten, aus großem Hunger wollen schlachten und eßen, maßen das Bauersvolk in den Dörfern hier auch Menschenfleisch für Wildprett eßen; und von Göppingen bis gegen Schwal.- memsingen, wo vorhin 1500 Seelen waren, sein jetzt nit 200 zu finden." Für die buchstäbliche Wahrheit dieses Berichtes übernehmen wir keine Bürgschaft; daß jedoch mancherlei schauderhafte Dinge damals vorgekommen sind, steht fest. Und jedenfalls ist der Umstand, daß ein so verständiger Mann wie Hciinhofer solche Dinge glauben und niederschreiben konnte, schon für sich allein Beweis genug, daß die Noth fürchterlich war. Nichts vielleicht giebt uns eine lebhaftere Darstellung von der grausigen Wirklichkeit, als die kolossale Steigerung in den Preisen der nothwendigsten Lebensmittel, während jener ? oder 8 Hungermonate. Ein paar Beispiele mögen genügen. Das hauptsächlichste und unentbehrlichste Nahrungsmittel der großen Masse war zu jener Zeit Getreide und zwar vorzugsweise Korn. Die Weeze Korn kostete zu gewöhnlichen, ^ wohlfeilen Zeiten etwa 30 Krz., etwas darunter oder da¬ rüber. In der ersten Hälfte des Jahres 1634 waren die Preise allerdings schon nicht mehr niedrig, die Metze kostete 40 Krz. bis einen si. Gegen Ende August kostete sie schon 2—2^ si., gegen Ende Nov. 4—5 si., um Mitte Februar 8 si. und stieg im März noch auf 16 si. und mehr. Ein Laiblein Brod von 2/2 Pfund wurde am 12. März für 24 Krz. verkauft, und Jemand gab um dieselbe Zeit für eine Metze Korn einen Mantel der 30 si. gekostet. Andere Getreidesorten, wie Weizen, Gerste, Hafer, dann Erbsen, Linsen und dergl. stiegen in ähnlichen Verhältnissen. Bei Fleisch und sonstigen Nahrungsmitteln, die schon zu gewöhnlichen Zeiten etwas theurer waren und zur Noth entbehrt werden konnten, war die Steigerung geringer, doch immer¬ hin bedeutend. Für das Pfund Kuhfleisch, welches im Sommer 1634 zu 2—3 Krz. verkauft wurde, zahlte man im Oktober schon 8 Krz., Ende No¬ vember 12 Krz,, und es stieg bis Mitte Febr. 1635 auf 22 Krz.; das Pfund Schmalz wurde im Juli etwa um 10 Krz. verkauft, im Febr. schon um weit über 1 si., der Preis der Butter hob sich in derselben Zeit von 8 Krz. auf 1 si. Ein Kuhmaul oder Kuhfuß, die vormals 3 Krz. gekostet, kosteten im März 1635, 20 Krz., für eine Bratwurst, die vormals 4 Psge. gekostet, zahlte man im März 10 Krz.; das Pfund Schweinefleisch stieg von 4 Krz. auf 36 Krz. u. f. w. u. s. w/°) Welches namenlose Elend eine Steigerung in den Preisen *) Die oben stehenden Preisangaben sind gleichzeitigen Quellen entnommen; später? Berichterstatter, wie z. B. Stellen Geschichte Augsburgs Il. 369 u. a., wissen von noch höheren Preisen zu sagen und es mögen auch wohl solche in der That vorgekommen sein,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/465>, abgerufen am 27.07.2024.