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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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gerliche Ordnung nur gerade so weit galt, als die Militärverwaltung sie gelten
zu lassen für gut fand.

Daß die Mannszucht im schwedischen Heere schon zur Zeit der Besitz¬
ergreifung der Stadt durch Gustav Adolf viel zu wünschen übrig ließ, erkannte
der König selber an, indem er den Abgesandten der evangelischen Bürgerschaft
gegenüber sein Bedauern aussprach, daß es in seiner Armee so viele schlechte
Elemente gäbe, es sei eben nicht zu ändern. Der fleißige Gebrauch, den man
besonders während des ersten Jahres der Okkupation von dem Galgen
machte, half wenig und beweist nur, daß es in der That schlimm aussah. Ein
enragirter protestantischer Chronist Ludwig Haintzelmann, "teutscher Mägdlein
Schulhalter", der schon zur Zeit der katholischen Reformation um seines Glau¬
bens willen vielfach Verfolgungen erduldet und später, nachdem die Stadt
wieder kaiserlich geworden war, sofort seine Stelle verlor, schildert unter dem
26. April, also 6 Tage nach der Uebergabe der Stadt das Betragen der
schwedischen Truppen folgendermaßen:*) "Sie Hausen im Bayrischen sehr übel,
indem sie alles ausblündern, gantze Wägen voll Sachen hierher bringen, als
Roß, Kühe, Kälber, Leinwand, Bett, Kupfer, Zinn, Kleider und was sie be¬
kommen mögen, verkaufen solches vor dem Thor bey der Stadt gar wohlfeil;
ist auch ziemlich unsicher vor der Stadt wie auch in der Stadt; und stehlen
die Soldaten was sie nur können." -- Dessenungeachtet begrüßt Haintzelmann
selbst sowohl wie sast die gesammte evangelische Bürgerschaft die Ankunft der
Schweden mit großem Jubel; die Befriedigung scheint auch während der ersten
Monate angehalten zu haben. Nur hie und da in den Kreisen der protestan¬
tischen Patrizier, denen nun mit Ausschluß der katholischen die Regierung der
Stadt übertragen worden, zeigte sich gleich von Anfang an Verstimmung und
Bedenklichkeit. Es gefiel nicht, daß durch Gustav Adolf neue Patrizier creirt
wurden, lieber hätte man einige von den alten katholischen Geschlechtern zum
Rathe zugezogen. Man leistete dem König von Schweden nur widerwillig deu
Treueid. Man sah mit Argwohn, daß ein schwedischer Statthalter und ein
schwedischer Kommandant ernannt und eine starke schwedische Garnison in die
Stadt gelegt wurde. Man erkannte auch, daß die Kriegssteuer von monatlich
20,000 si. bei den schon zerrütteten finanziellen Zuständen des Gemeinwesens
eine im hohen Grade drückende Last sein werde. Man wäre in dem gewal¬
tigen Kampfe, welcher ganz Deutschland zerfleischte, am liebsten als unbethei-
ligter Neutraler zur Seite gestanden, ganz ähnlich wie ein paar Jahre zuvor
auch die katholischen Patrizier sich nur ungern und mit halbem Herzen der
Politik des Kaisers angeschlossen hatten.



*) Haintzelmann führte von 1"2S an ein Tagebuch und damns hat er später seine
mehrfach handschriftlich verbreitete Chronik Msammengestellt.

gerliche Ordnung nur gerade so weit galt, als die Militärverwaltung sie gelten
zu lassen für gut fand.

Daß die Mannszucht im schwedischen Heere schon zur Zeit der Besitz¬
ergreifung der Stadt durch Gustav Adolf viel zu wünschen übrig ließ, erkannte
der König selber an, indem er den Abgesandten der evangelischen Bürgerschaft
gegenüber sein Bedauern aussprach, daß es in seiner Armee so viele schlechte
Elemente gäbe, es sei eben nicht zu ändern. Der fleißige Gebrauch, den man
besonders während des ersten Jahres der Okkupation von dem Galgen
machte, half wenig und beweist nur, daß es in der That schlimm aussah. Ein
enragirter protestantischer Chronist Ludwig Haintzelmann, „teutscher Mägdlein
Schulhalter", der schon zur Zeit der katholischen Reformation um seines Glau¬
bens willen vielfach Verfolgungen erduldet und später, nachdem die Stadt
wieder kaiserlich geworden war, sofort seine Stelle verlor, schildert unter dem
26. April, also 6 Tage nach der Uebergabe der Stadt das Betragen der
schwedischen Truppen folgendermaßen:*) „Sie Hausen im Bayrischen sehr übel,
indem sie alles ausblündern, gantze Wägen voll Sachen hierher bringen, als
Roß, Kühe, Kälber, Leinwand, Bett, Kupfer, Zinn, Kleider und was sie be¬
kommen mögen, verkaufen solches vor dem Thor bey der Stadt gar wohlfeil;
ist auch ziemlich unsicher vor der Stadt wie auch in der Stadt; und stehlen
die Soldaten was sie nur können." — Dessenungeachtet begrüßt Haintzelmann
selbst sowohl wie sast die gesammte evangelische Bürgerschaft die Ankunft der
Schweden mit großem Jubel; die Befriedigung scheint auch während der ersten
Monate angehalten zu haben. Nur hie und da in den Kreisen der protestan¬
tischen Patrizier, denen nun mit Ausschluß der katholischen die Regierung der
Stadt übertragen worden, zeigte sich gleich von Anfang an Verstimmung und
Bedenklichkeit. Es gefiel nicht, daß durch Gustav Adolf neue Patrizier creirt
wurden, lieber hätte man einige von den alten katholischen Geschlechtern zum
Rathe zugezogen. Man leistete dem König von Schweden nur widerwillig deu
Treueid. Man sah mit Argwohn, daß ein schwedischer Statthalter und ein
schwedischer Kommandant ernannt und eine starke schwedische Garnison in die
Stadt gelegt wurde. Man erkannte auch, daß die Kriegssteuer von monatlich
20,000 si. bei den schon zerrütteten finanziellen Zuständen des Gemeinwesens
eine im hohen Grade drückende Last sein werde. Man wäre in dem gewal¬
tigen Kampfe, welcher ganz Deutschland zerfleischte, am liebsten als unbethei-
ligter Neutraler zur Seite gestanden, ganz ähnlich wie ein paar Jahre zuvor
auch die katholischen Patrizier sich nur ungern und mit halbem Herzen der
Politik des Kaisers angeschlossen hatten.



*) Haintzelmann führte von 1«2S an ein Tagebuch und damns hat er später seine
mehrfach handschriftlich verbreitete Chronik Msammengestellt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/462>, abgerufen am 09.11.2024.