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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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3. Das Französische ist erst in IIIv (mit 4 Se.) zu beginnen, in IIIs,
mit 4, auf den höheren Stufen mit 3 Se. anzusetzen.

4. Der mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht soll auf der obersten
Stufe in 2 parallelen Cöten ertheilt werden, mit höheren Anforderungen an
die künftigen Mediziner, Mathematiker und Naturwissenschafter, mit geringeren
an die sich für die theologischen, juristischen und philologisch-historischen Studien
Entscheidenden.

5. In der Geschichte sind für die obersten Classen ausgewählte kulturge¬
schichtliche Kapitel einzufügen.

6. Dem Mittelhochdeutschen soll in Ha eine mäßige Zeit eingeräumt
werden.

7. Der Religionsunterricht in den oberen Classen ist beizubehalten.

Wir wüßten nicht, was neben einem so umgestalteten Gymnasium die
bisherige Realschule I. O. Besonders zu leisten Hütte, mit welchem Rechte sie
also in der bisherigen Weise fortbestehen sollte, um so weniger, als bereits
heute die polytechnischen Hochschulen, welche an das mathematische Verständniß
ihrer Studirenden so hohe Anforderungen stellen, die Zulassung der Gymna¬
sialabiturienten ohne Weiteres gestatten.

Groß allerdings dürften die Schwierigkeiten sein, welche der Realisirung
unseres Vorschlags sich entgegenstellte", aber sie liegen weniger in der Sache
als in den Stimmungen und Anschauungen der zunächst in Betracht kommen¬
den Kreise. Eifrige "Humanisten" und "Realisten" sind die natürlichen Gegner
des Projekts, und eben in der Einseitigkeit, mit welcher beide ihre spezielle
Richtung verfolgen, tritt ein beklagenswerthes Ergebniß der Spaltung in
unserem höheren Unterrichtswesen an den Tag. In der That stehen sich beide Kreise
trotz zahlreicher faktisch vorhandener Berührungspunkte fast vollkommen fremd und
gleichgiltig gegenüber. An den Versammlungen der Realschulmänner nimmt
selten ein Gymnasiallehrer theil, und im umgekehrten Falle steht es nicht besser.
Selbst dann, wenn Anstalten beiderlei Art am selben Orte nebeneinanderstehen,
so beschränken sich in der Regel ihre Beziehungen auf rein persönliche
Berührungen; keine nimmt ein ernsthaftes Interesse am inneren Leben der
andern.

Gegenüber diesen thatsächlichen Verhältnissen wird eine gegenseitige Ver¬
ständigung nur sehr langsam zu erreichen sein. Aber sie kann beschleunigt
werden durch die Existenz jener Doppelanstalten, die Gymnasium und Real¬
schule unter einer Leitung vereinigen. Dergleichen giebt es, selbst wenn man
von der namentlich in Preußen häufigen Verbindung höherer Bürgerschulen
bez. Realschulen II. O. oder einzelner Realklassen mit Gymnasien ganz absieht,
in Norddeutschland und in dem wesentlich von norddeutschen Grundsätzen be-


3. Das Französische ist erst in IIIv (mit 4 Se.) zu beginnen, in IIIs,
mit 4, auf den höheren Stufen mit 3 Se. anzusetzen.

4. Der mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht soll auf der obersten
Stufe in 2 parallelen Cöten ertheilt werden, mit höheren Anforderungen an
die künftigen Mediziner, Mathematiker und Naturwissenschafter, mit geringeren
an die sich für die theologischen, juristischen und philologisch-historischen Studien
Entscheidenden.

5. In der Geschichte sind für die obersten Classen ausgewählte kulturge¬
schichtliche Kapitel einzufügen.

6. Dem Mittelhochdeutschen soll in Ha eine mäßige Zeit eingeräumt
werden.

7. Der Religionsunterricht in den oberen Classen ist beizubehalten.

Wir wüßten nicht, was neben einem so umgestalteten Gymnasium die
bisherige Realschule I. O. Besonders zu leisten Hütte, mit welchem Rechte sie
also in der bisherigen Weise fortbestehen sollte, um so weniger, als bereits
heute die polytechnischen Hochschulen, welche an das mathematische Verständniß
ihrer Studirenden so hohe Anforderungen stellen, die Zulassung der Gymna¬
sialabiturienten ohne Weiteres gestatten.

Groß allerdings dürften die Schwierigkeiten sein, welche der Realisirung
unseres Vorschlags sich entgegenstellte», aber sie liegen weniger in der Sache
als in den Stimmungen und Anschauungen der zunächst in Betracht kommen¬
den Kreise. Eifrige „Humanisten" und „Realisten" sind die natürlichen Gegner
des Projekts, und eben in der Einseitigkeit, mit welcher beide ihre spezielle
Richtung verfolgen, tritt ein beklagenswerthes Ergebniß der Spaltung in
unserem höheren Unterrichtswesen an den Tag. In der That stehen sich beide Kreise
trotz zahlreicher faktisch vorhandener Berührungspunkte fast vollkommen fremd und
gleichgiltig gegenüber. An den Versammlungen der Realschulmänner nimmt
selten ein Gymnasiallehrer theil, und im umgekehrten Falle steht es nicht besser.
Selbst dann, wenn Anstalten beiderlei Art am selben Orte nebeneinanderstehen,
so beschränken sich in der Regel ihre Beziehungen auf rein persönliche
Berührungen; keine nimmt ein ernsthaftes Interesse am inneren Leben der
andern.

Gegenüber diesen thatsächlichen Verhältnissen wird eine gegenseitige Ver¬
ständigung nur sehr langsam zu erreichen sein. Aber sie kann beschleunigt
werden durch die Existenz jener Doppelanstalten, die Gymnasium und Real¬
schule unter einer Leitung vereinigen. Dergleichen giebt es, selbst wenn man
von der namentlich in Preußen häufigen Verbindung höherer Bürgerschulen
bez. Realschulen II. O. oder einzelner Realklassen mit Gymnasien ganz absieht,
in Norddeutschland und in dem wesentlich von norddeutschen Grundsätzen be-


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[0419] 3. Das Französische ist erst in IIIv (mit 4 Se.) zu beginnen, in IIIs, mit 4, auf den höheren Stufen mit 3 Se. anzusetzen. 4. Der mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht soll auf der obersten Stufe in 2 parallelen Cöten ertheilt werden, mit höheren Anforderungen an die künftigen Mediziner, Mathematiker und Naturwissenschafter, mit geringeren an die sich für die theologischen, juristischen und philologisch-historischen Studien Entscheidenden. 5. In der Geschichte sind für die obersten Classen ausgewählte kulturge¬ schichtliche Kapitel einzufügen. 6. Dem Mittelhochdeutschen soll in Ha eine mäßige Zeit eingeräumt werden. 7. Der Religionsunterricht in den oberen Classen ist beizubehalten. Wir wüßten nicht, was neben einem so umgestalteten Gymnasium die bisherige Realschule I. O. Besonders zu leisten Hütte, mit welchem Rechte sie also in der bisherigen Weise fortbestehen sollte, um so weniger, als bereits heute die polytechnischen Hochschulen, welche an das mathematische Verständniß ihrer Studirenden so hohe Anforderungen stellen, die Zulassung der Gymna¬ sialabiturienten ohne Weiteres gestatten. Groß allerdings dürften die Schwierigkeiten sein, welche der Realisirung unseres Vorschlags sich entgegenstellte», aber sie liegen weniger in der Sache als in den Stimmungen und Anschauungen der zunächst in Betracht kommen¬ den Kreise. Eifrige „Humanisten" und „Realisten" sind die natürlichen Gegner des Projekts, und eben in der Einseitigkeit, mit welcher beide ihre spezielle Richtung verfolgen, tritt ein beklagenswerthes Ergebniß der Spaltung in unserem höheren Unterrichtswesen an den Tag. In der That stehen sich beide Kreise trotz zahlreicher faktisch vorhandener Berührungspunkte fast vollkommen fremd und gleichgiltig gegenüber. An den Versammlungen der Realschulmänner nimmt selten ein Gymnasiallehrer theil, und im umgekehrten Falle steht es nicht besser. Selbst dann, wenn Anstalten beiderlei Art am selben Orte nebeneinanderstehen, so beschränken sich in der Regel ihre Beziehungen auf rein persönliche Berührungen; keine nimmt ein ernsthaftes Interesse am inneren Leben der andern. Gegenüber diesen thatsächlichen Verhältnissen wird eine gegenseitige Ver¬ ständigung nur sehr langsam zu erreichen sein. Aber sie kann beschleunigt werden durch die Existenz jener Doppelanstalten, die Gymnasium und Real¬ schule unter einer Leitung vereinigen. Dergleichen giebt es, selbst wenn man von der namentlich in Preußen häufigen Verbindung höherer Bürgerschulen bez. Realschulen II. O. oder einzelner Realklassen mit Gymnasien ganz absieht, in Norddeutschland und in dem wesentlich von norddeutschen Grundsätzen be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/419>, abgerufen am 01.09.2024.