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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Logik erscheinen, das Kanalbauwesen nicht getrennt vom Eisenbahnbauwesen zu
verwalten. Man wendet freilich ein, daß die Vereinigung beider Verwaltungs-
zweige stets zur Vernachlässigung des Kanalbanes zu Gunsten des Eisenbahn¬
baues führen werde; wir sehen aber nicht, ans welchem zwingenden Grunde.
Ein Bautenminister, der seine Stellung im Dienste des allgemeinen Besten
richtig begreift, hat'gar keine Veranlassung, Eisenbahnen und Kanäle, welche
unter der Leitung einer verständigen Verkehrspolitik den wirthschaftlichen Be¬
dürfnissen Hand in Hand nützen werden, in feindlichen Gegensatz zu einan¬
der zu bringen. Eher scheint uns, bei der in der preußischen Centralverwal-
tung nur zu oft konstatirten Resforteifersucht, ein solcher Zwiespalt von einer
Trennung des Eisenbahnbauwesens und des Wasserbauwesens in zwei ver¬
schiedenen Ministerien befürchtet werden zu müssen. Wäre es da nicht vielleicht
zweckmäßiger, statt eines Eisenbahnministeriums ein besonderes Ministerium:
für das gesammte Gebiet der öffentlichen Bauten zu errichten?

Die Zahl dieser Bedenken ließe sich leicht vermehren. Wir verzichten
darauf in der Ueberzeugung, daß aus dem Vorstehenden zur Genüge erhellt,
wie es wahrlich nicht "Verstimmung" oder gar muthwillige Oppositionslust
war, woraus die ablehnende Haltung wenigstens der nationalliberalen Partei
entsprang. Auf weniger zweifelhaftem Boden steht unleugbar der Vorschlag
der Abzweigung der Domänen und Forsten vom Finanzministerium. Der
antifiskalische Charakter dieser Maßregel ist sicherlich berechtigt und muß ihr
anch in liberalen Kreisen Freunde erwerben. Aber zu beachten ist doch, daß
das Abgeordnetenhaus denselben Vorschlag früher auf die energischen Vorstel¬
lungen des Finanzministers hin wiederholt zurückgewiesen hat. Unter diesen
Umständen scheint es doch kaum anzugehen, daß jetzt eine definitive Entschei¬
dung der Frage vorgenommen werden sollte, ohne daß der Finanzminister in
der Lage wäre, vorher auch seinerseits ein sachkundiges Urtheil darüber abzu¬
geben. Man wird also zum mindesten die Beendigung der Vakanz im Finanz¬
ministerium abwarten müssen.

Von den hier gezeichneten Gesichtspunkten ans plaidirte der Abg. Miquel
für die Ablehnung der Nachtragsvorlage in ihren beiden ersten Punkten. Wie
man sieht, ist damit keineswegs eine prinzipielle Zurückweisung der Vorschläge
beabsichtigt. Was die Sache anlangt, so steht man ihr weit eher mit Sym¬
pathie, als mit Antipathie gegenüber; nur beschränkt man sich einstweilen auf
ein vollberechtigtes non U^ot. Im übrigen verweist man auf die parlamen¬
tarische Geschäftslage, welche eine weitere Ausdehnung der Session des preußi¬
schen Landtags zum Zwecke neuer weit aussehender Verhandlungen nicht ge¬
stattet. Fürst Bismarck hat dem gegenüber das ganze Gewicht seiner Persön¬
lichkeit in die Wagschale geworfen, um die Organisationsänderung sofort


Logik erscheinen, das Kanalbauwesen nicht getrennt vom Eisenbahnbauwesen zu
verwalten. Man wendet freilich ein, daß die Vereinigung beider Verwaltungs-
zweige stets zur Vernachlässigung des Kanalbanes zu Gunsten des Eisenbahn¬
baues führen werde; wir sehen aber nicht, ans welchem zwingenden Grunde.
Ein Bautenminister, der seine Stellung im Dienste des allgemeinen Besten
richtig begreift, hat'gar keine Veranlassung, Eisenbahnen und Kanäle, welche
unter der Leitung einer verständigen Verkehrspolitik den wirthschaftlichen Be¬
dürfnissen Hand in Hand nützen werden, in feindlichen Gegensatz zu einan¬
der zu bringen. Eher scheint uns, bei der in der preußischen Centralverwal-
tung nur zu oft konstatirten Resforteifersucht, ein solcher Zwiespalt von einer
Trennung des Eisenbahnbauwesens und des Wasserbauwesens in zwei ver¬
schiedenen Ministerien befürchtet werden zu müssen. Wäre es da nicht vielleicht
zweckmäßiger, statt eines Eisenbahnministeriums ein besonderes Ministerium:
für das gesammte Gebiet der öffentlichen Bauten zu errichten?

Die Zahl dieser Bedenken ließe sich leicht vermehren. Wir verzichten
darauf in der Ueberzeugung, daß aus dem Vorstehenden zur Genüge erhellt,
wie es wahrlich nicht „Verstimmung" oder gar muthwillige Oppositionslust
war, woraus die ablehnende Haltung wenigstens der nationalliberalen Partei
entsprang. Auf weniger zweifelhaftem Boden steht unleugbar der Vorschlag
der Abzweigung der Domänen und Forsten vom Finanzministerium. Der
antifiskalische Charakter dieser Maßregel ist sicherlich berechtigt und muß ihr
anch in liberalen Kreisen Freunde erwerben. Aber zu beachten ist doch, daß
das Abgeordnetenhaus denselben Vorschlag früher auf die energischen Vorstel¬
lungen des Finanzministers hin wiederholt zurückgewiesen hat. Unter diesen
Umständen scheint es doch kaum anzugehen, daß jetzt eine definitive Entschei¬
dung der Frage vorgenommen werden sollte, ohne daß der Finanzminister in
der Lage wäre, vorher auch seinerseits ein sachkundiges Urtheil darüber abzu¬
geben. Man wird also zum mindesten die Beendigung der Vakanz im Finanz¬
ministerium abwarten müssen.

Von den hier gezeichneten Gesichtspunkten ans plaidirte der Abg. Miquel
für die Ablehnung der Nachtragsvorlage in ihren beiden ersten Punkten. Wie
man sieht, ist damit keineswegs eine prinzipielle Zurückweisung der Vorschläge
beabsichtigt. Was die Sache anlangt, so steht man ihr weit eher mit Sym¬
pathie, als mit Antipathie gegenüber; nur beschränkt man sich einstweilen auf
ein vollberechtigtes non U^ot. Im übrigen verweist man auf die parlamen¬
tarische Geschäftslage, welche eine weitere Ausdehnung der Session des preußi¬
schen Landtags zum Zwecke neuer weit aussehender Verhandlungen nicht ge¬
stattet. Fürst Bismarck hat dem gegenüber das ganze Gewicht seiner Persön¬
lichkeit in die Wagschale geworfen, um die Organisationsänderung sofort


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/40>, abgerufen am 01.09.2024.