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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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ein schwedischer Fahnenträger von Landsberg, welches ein paar Tage vorher
von den Schweden eingenommen worden war, zu uns, und schenkte uns aus
der Beute zwei fette Kühe, "müssen gleich auch mit fressen, wie ihre Hunde" u-.
Derselbe Fahnenträger kaufte, da wir während der fortwährenden kolossalen
Erpressungen gezwungen sind, nur Bier zu trinken, mitunter sogar mit bloßem
Wasser vorlieb zu nehmen, für fein eigenes Geld für sich und uns Wein.
Darauf biß er mit den Zähnen ein großes Stück Glas aus seinem Pokale
und kaute und verspeiste es vor unsern Angen. -- Am 30. kam der oberste
Quartiermeister des Liebenstein'schen Regiments ins Kloster und bedeutete uns,
es sollten bei den Geistlichen 700 schwedische Reiter einquartiert werden. Wenn
wir ihm aber ein Geschenk machen wollten, so verspreche er uns sich darum
zu bemühen, daß uns der Herr Oberst von Liebenstein selbst wieder zugetheilt
werde. Wir gestanden es ihm zu. Aus zwei Uebeln muß man eben das
kleinste wählen."

"Der Herr Oberst von Liebenstein kam denn auch in der That am 12.
November. Der Herr Kommissär blieb noch mehrere Tage mit 5 Pferden und
3 Dienern im Kloster, und versprach goldene Berge, hielt aber wie gewöhnlich
nichts. Er lud täglich Gäste ein, Menschen von seinem Schlag, d. h. solche
die gern umsonst essen und trinken. Als mau am 12. November hörte, der
Kurfürst von Baiern rücke mit einem starken Heere heran, gab es große Angst
und Verwirrung in der Stadt. Und besonders die Bürgersoldaten liefen wie
besessen in der Stadt herum, "o! gut Soldaten! hinter der Rinkhmaner! wird
besser werden wenn man sie umb die Köpf schmeißt! Was bald geschehen
wird, wenn sie sich nicht ergeben."*)

Am 22. Dezember kam der Herr Oberst von Walstein, ein Verwandter
des kaiserlichen Generals, geführt von einem "katholischen Bürger und besichtigte
das ganze Kloster aus's Genaueste, das Oratorium, die heizbaren Gemächer,
das Eremitorimn, den Garten, die Bibliothek, das Dormitorium ?c. Unter
anderem sagte er: Ihr Mönche lebt wie die Fürsten, "diese Stuben seind
fürstliche Gebäw" :e. der akatholische Bürger fragte mich unter anderm: "Wa¬
rum habt ihr unsere Kirche niedergerissen?" Ich antwortete: "Wir haben nicht
euere, sondern unsere Kirche niedergerissen, die uns, nachdem ihr sie früher
uns mit Gewalt genommen hattet, auf Befehl des Kaisers wiedergegeben war.
Darauf versetzte jener: "Ich rathe Euch, verkauft alles was ihr könnt und



") Unser Freund berichtet überhaupt mit Vorliebe allerlei spöttische Geschichtchen über
das Bürgermilitär, So erzählt er ein andermal: "Ein Stndtsoldat, der ans der Nachtwache
stand, sah einen Hund vorüber laufen, hielt ihn aber sür einen Menschen und rief wieder¬
holt tapfer: "Wer da!" Das ist die Sorte von Soldaten, die aus den Augsburger Bürgern
genommen worden!"

ein schwedischer Fahnenträger von Landsberg, welches ein paar Tage vorher
von den Schweden eingenommen worden war, zu uns, und schenkte uns aus
der Beute zwei fette Kühe, „müssen gleich auch mit fressen, wie ihre Hunde" u-.
Derselbe Fahnenträger kaufte, da wir während der fortwährenden kolossalen
Erpressungen gezwungen sind, nur Bier zu trinken, mitunter sogar mit bloßem
Wasser vorlieb zu nehmen, für fein eigenes Geld für sich und uns Wein.
Darauf biß er mit den Zähnen ein großes Stück Glas aus seinem Pokale
und kaute und verspeiste es vor unsern Angen. — Am 30. kam der oberste
Quartiermeister des Liebenstein'schen Regiments ins Kloster und bedeutete uns,
es sollten bei den Geistlichen 700 schwedische Reiter einquartiert werden. Wenn
wir ihm aber ein Geschenk machen wollten, so verspreche er uns sich darum
zu bemühen, daß uns der Herr Oberst von Liebenstein selbst wieder zugetheilt
werde. Wir gestanden es ihm zu. Aus zwei Uebeln muß man eben das
kleinste wählen."

„Der Herr Oberst von Liebenstein kam denn auch in der That am 12.
November. Der Herr Kommissär blieb noch mehrere Tage mit 5 Pferden und
3 Dienern im Kloster, und versprach goldene Berge, hielt aber wie gewöhnlich
nichts. Er lud täglich Gäste ein, Menschen von seinem Schlag, d. h. solche
die gern umsonst essen und trinken. Als mau am 12. November hörte, der
Kurfürst von Baiern rücke mit einem starken Heere heran, gab es große Angst
und Verwirrung in der Stadt. Und besonders die Bürgersoldaten liefen wie
besessen in der Stadt herum, „o! gut Soldaten! hinter der Rinkhmaner! wird
besser werden wenn man sie umb die Köpf schmeißt! Was bald geschehen
wird, wenn sie sich nicht ergeben."*)

Am 22. Dezember kam der Herr Oberst von Walstein, ein Verwandter
des kaiserlichen Generals, geführt von einem »katholischen Bürger und besichtigte
das ganze Kloster aus's Genaueste, das Oratorium, die heizbaren Gemächer,
das Eremitorimn, den Garten, die Bibliothek, das Dormitorium ?c. Unter
anderem sagte er: Ihr Mönche lebt wie die Fürsten, „diese Stuben seind
fürstliche Gebäw" :e. der akatholische Bürger fragte mich unter anderm: „Wa¬
rum habt ihr unsere Kirche niedergerissen?" Ich antwortete: „Wir haben nicht
euere, sondern unsere Kirche niedergerissen, die uns, nachdem ihr sie früher
uns mit Gewalt genommen hattet, auf Befehl des Kaisers wiedergegeben war.
Darauf versetzte jener: „Ich rathe Euch, verkauft alles was ihr könnt und



») Unser Freund berichtet überhaupt mit Vorliebe allerlei spöttische Geschichtchen über
das Bürgermilitär, So erzählt er ein andermal: „Ein Stndtsoldat, der ans der Nachtwache
stand, sah einen Hund vorüber laufen, hielt ihn aber sür einen Menschen und rief wieder¬
holt tapfer: „Wer da!" Das ist die Sorte von Soldaten, die aus den Augsburger Bürgern
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/378>, abgerufen am 27.07.2024.