Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.des Grafen Ankunft in Val d'Olivi allein um die Herzogin gelebt, ihr Latein Anfangs scheint ihr die Pflicht, Beide in angemessener Entfernung zu "Ich," rief der Jüngling fast verwirrt durch die unerwartete Frage -- des Grafen Ankunft in Val d'Olivi allein um die Herzogin gelebt, ihr Latein Anfangs scheint ihr die Pflicht, Beide in angemessener Entfernung zu „Ich," rief der Jüngling fast verwirrt durch die unerwartete Frage — <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140172"/> <p xml:id="ID_1027" prev="#ID_1026"> des Grafen Ankunft in Val d'Olivi allein um die Herzogin gelebt, ihr Latein<lb/> gelehrt, und mit seinem Onkel, dem Kapitain und Schiffsbauer Lcmfranco, und<lb/> dem würdigen gelehrten Geistlichen Don Paragorio die Abende mit ihr ver¬<lb/> plaudert. Die Gefahr, die dem stillen Glück dieses jungen reinen Herzens<lb/> durch das Erscheinen des Grafen Delaiti in Val d'Olivi droht, bringt Ema-<lb/> nuel die wahre Natur seiner Empfindungen für die Herzogin zu deutlicher<lb/> Erkenntniß. Die Nebenbuhler erkennen auch gegenseitig ihre Absichten und<lb/> Gefühle und die Herzogin bereitet ihnen selbst den Anlaß, daß Jeder von seiner<lb/> besten Seite sich zeige: znerst an ihren Empfangsabenden, dann bei einem ge¬<lb/> meinsamen Ausflug auf ihrer Yacht nach der Insel Borgeggi. In allem Wissen,<lb/> in aller tiefen und echten Empfindung und dem ergreifenden sprachlichen Aus¬<lb/> druck derselben, ist Emanuel dem Grafen weit überlegen; in allen Künsten der<lb/> gesellschaftlichen Umgangsformen, den süßen Schmeichelworten der Salons und<lb/> der tadellosen Erscheinung des Aeußern, überragt der Graf dagegen erheblich<lb/> den gelehrten Naturburschen. In überaus feiner Weise ist geschildert, wie die<lb/> Eifersucht Beide veranlaßt, die Vorzüge des Nebenbuhlers nach Kräften sich<lb/> anzueignen, wie Beide wesentlich dadurch gewinnen, wie die Herzogin, wohl¬<lb/> meinend gegen Beide, mit geheimer Pein bemerkt, welch heiße Flammen sie in den<lb/> Herzen zweier edler Männer entzündet habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1028"> Anfangs scheint ihr die Pflicht, Beide in angemessener Entfernung zu<lb/> halten, Keinen zu bevorzugen, Keinen zu verletzen, ihre schöne Freiheit sich zu<lb/> wahren, von der Vernunft wie von ihrer Stellung gleich bestimmt vorgezeich¬<lb/> net. Sie bestrebt sich, in rein „academischen" Besprechungen über die Liebe,<lb/> die Flaviano in den blühenden Bildern seiner formreinen Ergüsse begierig<lb/> führt, beiden Herren ihren Standpunkt klar zu machen — Emanuel sucht<lb/> sich bei solchen Gelegenheiten meist im Hintergrund mit irgend etwas zu be¬<lb/> schäftigen, ist aber dabei ganz Ohr. Endlich bricht aber bei einer solchen<lb/> academischen Discussion über die Liebe das zurückgehaltene Gefühl bei Flaviano<lb/> durch. „Nun wohl," sagt er, Muth fassend, „ich glaube zu verstehen, was<lb/> Sie wollen. Ihnen würde ein Mann behagen, den Sie zum Schweigen bringen<lb/> können, wie die Hündchen, wenn deren Liebkosungen lästig werden. Ich glaube<lb/> aber nicht, daß man einen Mann so behandeln darf; ich glaube, daß eine edle<lb/> Empfindung sich eines Tages äußern muß, daß die Worte einmal besiegeln<lb/> müssen, was das Herz empfunden und das Auge ausgedrückt hat." — Eine<lb/> so warme Gefühlsäußerung hatte die Herzogin nicht gewollt und erwartet; sie<lb/> glaubte dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, indem sie Emanuel,<lb/> der in der Nähe stand, fragte: „Was sagen Sie dazu, Herr Emanuel?"</p><lb/> <p xml:id="ID_1029" next="#ID_1030"> „Ich," rief der Jüngling fast verwirrt durch die unerwartete Frage —<lb/> »ich denke so wie Herr Delaiti." „Ja," fuhr er erregt fort, „es kommt der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0351]
des Grafen Ankunft in Val d'Olivi allein um die Herzogin gelebt, ihr Latein
gelehrt, und mit seinem Onkel, dem Kapitain und Schiffsbauer Lcmfranco, und
dem würdigen gelehrten Geistlichen Don Paragorio die Abende mit ihr ver¬
plaudert. Die Gefahr, die dem stillen Glück dieses jungen reinen Herzens
durch das Erscheinen des Grafen Delaiti in Val d'Olivi droht, bringt Ema-
nuel die wahre Natur seiner Empfindungen für die Herzogin zu deutlicher
Erkenntniß. Die Nebenbuhler erkennen auch gegenseitig ihre Absichten und
Gefühle und die Herzogin bereitet ihnen selbst den Anlaß, daß Jeder von seiner
besten Seite sich zeige: znerst an ihren Empfangsabenden, dann bei einem ge¬
meinsamen Ausflug auf ihrer Yacht nach der Insel Borgeggi. In allem Wissen,
in aller tiefen und echten Empfindung und dem ergreifenden sprachlichen Aus¬
druck derselben, ist Emanuel dem Grafen weit überlegen; in allen Künsten der
gesellschaftlichen Umgangsformen, den süßen Schmeichelworten der Salons und
der tadellosen Erscheinung des Aeußern, überragt der Graf dagegen erheblich
den gelehrten Naturburschen. In überaus feiner Weise ist geschildert, wie die
Eifersucht Beide veranlaßt, die Vorzüge des Nebenbuhlers nach Kräften sich
anzueignen, wie Beide wesentlich dadurch gewinnen, wie die Herzogin, wohl¬
meinend gegen Beide, mit geheimer Pein bemerkt, welch heiße Flammen sie in den
Herzen zweier edler Männer entzündet habe.
Anfangs scheint ihr die Pflicht, Beide in angemessener Entfernung zu
halten, Keinen zu bevorzugen, Keinen zu verletzen, ihre schöne Freiheit sich zu
wahren, von der Vernunft wie von ihrer Stellung gleich bestimmt vorgezeich¬
net. Sie bestrebt sich, in rein „academischen" Besprechungen über die Liebe,
die Flaviano in den blühenden Bildern seiner formreinen Ergüsse begierig
führt, beiden Herren ihren Standpunkt klar zu machen — Emanuel sucht
sich bei solchen Gelegenheiten meist im Hintergrund mit irgend etwas zu be¬
schäftigen, ist aber dabei ganz Ohr. Endlich bricht aber bei einer solchen
academischen Discussion über die Liebe das zurückgehaltene Gefühl bei Flaviano
durch. „Nun wohl," sagt er, Muth fassend, „ich glaube zu verstehen, was
Sie wollen. Ihnen würde ein Mann behagen, den Sie zum Schweigen bringen
können, wie die Hündchen, wenn deren Liebkosungen lästig werden. Ich glaube
aber nicht, daß man einen Mann so behandeln darf; ich glaube, daß eine edle
Empfindung sich eines Tages äußern muß, daß die Worte einmal besiegeln
müssen, was das Herz empfunden und das Auge ausgedrückt hat." — Eine
so warme Gefühlsäußerung hatte die Herzogin nicht gewollt und erwartet; sie
glaubte dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, indem sie Emanuel,
der in der Nähe stand, fragte: „Was sagen Sie dazu, Herr Emanuel?"
„Ich," rief der Jüngling fast verwirrt durch die unerwartete Frage —
»ich denke so wie Herr Delaiti." „Ja," fuhr er erregt fort, „es kommt der
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