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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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fassung, weil sich auf diese das ganze Verfassungswesen des Reiches basirte.
Die Entstehung der Kreiseintheilung gehört in die Zeit Maximilians I. Es
wurde nämlich im Jahre 1500, behufs Handhabung des Landfriedens und
der Vollstreckung der reichskammergerichtlichen Erkenntnisse, unter dem Namen
eines Reichsrathes oder Reichsregiments, ein Ausschuß von Reichsständen
errichtet, der unter dem Vorsitz des Kaisers oder seines Statthalters ans vier¬
zehn speziell bestimmten Ständen, namentlich sämmtlichen Kurfürsten, und aus
sechs Abgeordneten bestehen sollte, die von den Reichsständen nach sechs zu
dem Ende angeordneten Kreisen oder Zirkuln zu wählen waren. Dadurch
entstanden zuerst die sogen. sechs alten Kreise. Das Reichsregiment gewann
keinen Bestand, die Kreiseintheilung aber wurde beibehalten und den in eine
Genossenschaft vereinigten Ständen der Kreise gewisse auf das Reichregiment
bezügliche Befugnisse übertragen. Diese neue selbständige Bedeutung der Kreis¬
eintheilung bewirkte deren Vervollständigung. Im Jahre 1512 kamen zu den
sechs alten vier neue Kreise hinzu, in die nunmehr auch die deutschen Besitzungen
des Hauses Oesterreich, so wie der Kurfürstenthümer, welche früher von der
Kreiseintheilung ausgeschlossen waren, Aufnahme fanden. Trotz dieser Ver¬
vollständigung umfaßte jedoch die Kreiseintheilung nicht alle Reichsstände;
ausgenommen waren bis zuletzt: Böhmen nebst Mähren, die Lausitz, Schlesien,
die Herrschaften Jever und Schaumburg, die Herrlichkeit Kniphausen, u. s. w.,
ferner alle diejenigen Gebiete, welche auf den Reichstagen nicht vertreten waren,
also die reichsritterschaftlichen Territorien, die Ganerbschaften und die reichs¬
freien Dörfer. Schon unter Karl V. erlangte die Kreisverfassung eine weitere
Entwickelung, sowohl für die Form des Kreisverbandes, als auch für die Ob¬
jekte ihrer Wirksamkeit. Letzterer bezog sich namentlich auch auf das Reichs¬
finanzwesen und auf die Reichskriegsverfassung.

An der Spitze eines jeden Kreises stand ein Kreisausschreib-Amt und das
Kreis-Direktorium. Die Kreisausschreibenden Fürsten hatten die Kreistage zu
berufen, das Direktorium die Geschäfte auf denselben und in der Zwischenzeit
zu leiten. Einzelne Kreise hatten nur einen ausschreibenden Fürsten, andere
zwei, einen geistlichen und einen weltlichen, und nach dein westphälischen Frieden
hatten zwei Kreise deren sogar drei. Zum Glück saßen diese Fürsten, fast
immer die mächtigsten ihrer Kreise, in den meisten Fällen auch im Direktorium
und zwar, wo es mehrere waren, alternirend. Es beruhte dies Alles auf Her¬
kommen, nirgends existirte eine feste Regel und so hatten sich denn die ver¬
schiedenartigsten Observanzen in den verschiedenen Kreisen herausgebildet. Neben
den gedachten beiden Aemtern war schon von Maximilian I. für jeden Zirlui
ein Kreis-Hauptmann, später Kreis-Oberst genannt, zur Ueberwachung des
Kreiswehrwesens und des Landfriedens bestellt worden.


fassung, weil sich auf diese das ganze Verfassungswesen des Reiches basirte.
Die Entstehung der Kreiseintheilung gehört in die Zeit Maximilians I. Es
wurde nämlich im Jahre 1500, behufs Handhabung des Landfriedens und
der Vollstreckung der reichskammergerichtlichen Erkenntnisse, unter dem Namen
eines Reichsrathes oder Reichsregiments, ein Ausschuß von Reichsständen
errichtet, der unter dem Vorsitz des Kaisers oder seines Statthalters ans vier¬
zehn speziell bestimmten Ständen, namentlich sämmtlichen Kurfürsten, und aus
sechs Abgeordneten bestehen sollte, die von den Reichsständen nach sechs zu
dem Ende angeordneten Kreisen oder Zirkuln zu wählen waren. Dadurch
entstanden zuerst die sogen. sechs alten Kreise. Das Reichsregiment gewann
keinen Bestand, die Kreiseintheilung aber wurde beibehalten und den in eine
Genossenschaft vereinigten Ständen der Kreise gewisse auf das Reichregiment
bezügliche Befugnisse übertragen. Diese neue selbständige Bedeutung der Kreis¬
eintheilung bewirkte deren Vervollständigung. Im Jahre 1512 kamen zu den
sechs alten vier neue Kreise hinzu, in die nunmehr auch die deutschen Besitzungen
des Hauses Oesterreich, so wie der Kurfürstenthümer, welche früher von der
Kreiseintheilung ausgeschlossen waren, Aufnahme fanden. Trotz dieser Ver¬
vollständigung umfaßte jedoch die Kreiseintheilung nicht alle Reichsstände;
ausgenommen waren bis zuletzt: Böhmen nebst Mähren, die Lausitz, Schlesien,
die Herrschaften Jever und Schaumburg, die Herrlichkeit Kniphausen, u. s. w.,
ferner alle diejenigen Gebiete, welche auf den Reichstagen nicht vertreten waren,
also die reichsritterschaftlichen Territorien, die Ganerbschaften und die reichs¬
freien Dörfer. Schon unter Karl V. erlangte die Kreisverfassung eine weitere
Entwickelung, sowohl für die Form des Kreisverbandes, als auch für die Ob¬
jekte ihrer Wirksamkeit. Letzterer bezog sich namentlich auch auf das Reichs¬
finanzwesen und auf die Reichskriegsverfassung.

An der Spitze eines jeden Kreises stand ein Kreisausschreib-Amt und das
Kreis-Direktorium. Die Kreisausschreibenden Fürsten hatten die Kreistage zu
berufen, das Direktorium die Geschäfte auf denselben und in der Zwischenzeit
zu leiten. Einzelne Kreise hatten nur einen ausschreibenden Fürsten, andere
zwei, einen geistlichen und einen weltlichen, und nach dein westphälischen Frieden
hatten zwei Kreise deren sogar drei. Zum Glück saßen diese Fürsten, fast
immer die mächtigsten ihrer Kreise, in den meisten Fällen auch im Direktorium
und zwar, wo es mehrere waren, alternirend. Es beruhte dies Alles auf Her¬
kommen, nirgends existirte eine feste Regel und so hatten sich denn die ver¬
schiedenartigsten Observanzen in den verschiedenen Kreisen herausgebildet. Neben
den gedachten beiden Aemtern war schon von Maximilian I. für jeden Zirlui
ein Kreis-Hauptmann, später Kreis-Oberst genannt, zur Ueberwachung des
Kreiswehrwesens und des Landfriedens bestellt worden.


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[0328] fassung, weil sich auf diese das ganze Verfassungswesen des Reiches basirte. Die Entstehung der Kreiseintheilung gehört in die Zeit Maximilians I. Es wurde nämlich im Jahre 1500, behufs Handhabung des Landfriedens und der Vollstreckung der reichskammergerichtlichen Erkenntnisse, unter dem Namen eines Reichsrathes oder Reichsregiments, ein Ausschuß von Reichsständen errichtet, der unter dem Vorsitz des Kaisers oder seines Statthalters ans vier¬ zehn speziell bestimmten Ständen, namentlich sämmtlichen Kurfürsten, und aus sechs Abgeordneten bestehen sollte, die von den Reichsständen nach sechs zu dem Ende angeordneten Kreisen oder Zirkuln zu wählen waren. Dadurch entstanden zuerst die sogen. sechs alten Kreise. Das Reichsregiment gewann keinen Bestand, die Kreiseintheilung aber wurde beibehalten und den in eine Genossenschaft vereinigten Ständen der Kreise gewisse auf das Reichregiment bezügliche Befugnisse übertragen. Diese neue selbständige Bedeutung der Kreis¬ eintheilung bewirkte deren Vervollständigung. Im Jahre 1512 kamen zu den sechs alten vier neue Kreise hinzu, in die nunmehr auch die deutschen Besitzungen des Hauses Oesterreich, so wie der Kurfürstenthümer, welche früher von der Kreiseintheilung ausgeschlossen waren, Aufnahme fanden. Trotz dieser Ver¬ vollständigung umfaßte jedoch die Kreiseintheilung nicht alle Reichsstände; ausgenommen waren bis zuletzt: Böhmen nebst Mähren, die Lausitz, Schlesien, die Herrschaften Jever und Schaumburg, die Herrlichkeit Kniphausen, u. s. w., ferner alle diejenigen Gebiete, welche auf den Reichstagen nicht vertreten waren, also die reichsritterschaftlichen Territorien, die Ganerbschaften und die reichs¬ freien Dörfer. Schon unter Karl V. erlangte die Kreisverfassung eine weitere Entwickelung, sowohl für die Form des Kreisverbandes, als auch für die Ob¬ jekte ihrer Wirksamkeit. Letzterer bezog sich namentlich auch auf das Reichs¬ finanzwesen und auf die Reichskriegsverfassung. An der Spitze eines jeden Kreises stand ein Kreisausschreib-Amt und das Kreis-Direktorium. Die Kreisausschreibenden Fürsten hatten die Kreistage zu berufen, das Direktorium die Geschäfte auf denselben und in der Zwischenzeit zu leiten. Einzelne Kreise hatten nur einen ausschreibenden Fürsten, andere zwei, einen geistlichen und einen weltlichen, und nach dein westphälischen Frieden hatten zwei Kreise deren sogar drei. Zum Glück saßen diese Fürsten, fast immer die mächtigsten ihrer Kreise, in den meisten Fällen auch im Direktorium und zwar, wo es mehrere waren, alternirend. Es beruhte dies Alles auf Her¬ kommen, nirgends existirte eine feste Regel und so hatten sich denn die ver¬ schiedenartigsten Observanzen in den verschiedenen Kreisen herausgebildet. Neben den gedachten beiden Aemtern war schon von Maximilian I. für jeden Zirlui ein Kreis-Hauptmann, später Kreis-Oberst genannt, zur Ueberwachung des Kreiswehrwesens und des Landfriedens bestellt worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/328>, abgerufen am 27.07.2024.