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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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aber 3,75 Pfund; es braucht nicht erst darauf hingewiesen zu werden, wie
stark in dem Donaureiche und den Vereinigten Staaten das deutsche Element
vertreten ist. Natürlich hat die Reduzirung des Tabaksverbrauchs auf den
Kopf der Bevölkerung nur einen rechnerischem Werth; statistisch nimmt man
als die präsumtive Zahl der Konsumenten Vs der männlichen Bevölkerung oder
20 Prozent der Gesammtbevölkerung an, so daß etwa 8 Millionen Deutsche
rauchen und auf den Kopf der wirklichen Raucher etwas über 15 Pfund
jährlich fallen, Hirth hat vor Jahren einmal auch diese Durchschnittszahl zu
spezialisiren gesucht, indem er die Tabakskonsmnenten in "schwache," "mäßige"
und "starke" Raucher eintheilte; darnach möchten etwa auf deu Kopf der ersten
Kategorie 3 -- 4, der zweiten 10--15, der dritten 30--40 Pfund jährlichen
Tabaksverbranchs zu rechnen sein.

Die "Schwimmkraft" des Tabaks. Neben seiner volkswirtschaft¬
lichen hat der Tabak von jeher eine staatswirthschaftliche Bedeutung gehabt;
seitdem er sich zu einem Gegenstand des europäischen Massenkousnms entwickelte,
ist seine "Schwimmkraft", um diesen glücklichen Ausdruck des Reichskanzlers
zu akzeptiren, überall dazu benutzt worden, das Staatsschiff flott zu erhalten.
Auch eingefleischte Gegner der Verbrauchssteuern und selbst eingefleischte Raucher
Pflegen nur zaghaft zu bestreikn, daß er ein eminent steuerfühiges Objekt ist.
Solange wir indirekte Steuern haben, -- und daß sie aus finanzpolitischen,
wie psychologischen Gründen vorläufig unentbehrlich sind, erkennen auch die
wissenschaftlichen Sozialisten an -- rangirt der Tabak nicht nur, wie selbst¬
verständlich, vor Fleisch, Mehl oder Salz, sondern auch vor Bier, Kaffee
und Zucker. Man hat zwar Mancherlei beigebracht, um ihn gewissermaßen
unter die Lebensmittel einzureihen, seine gesundheitliche und wirthschaftliche
Nützlichkeit zu erweisen; erfahrungsgemäß ißt der Raucher weniger als der
Nichtraucher und auch die Leistungsfähigkeit der Arbeiter bei ihrem Erwerb
mag durch die nervenerregenden Eigenschaften des Tabaks gesteigert werden.
Auch soll er nach Hugo's "Naturrecht" im Kriege zur Mannszucht der Eng¬
länder beigetragen haben, weil er den Genuß des Branntweins seltener machte:
ähnliche Erfahrungen sind aus dem deutsch-französischen Kriege berichtet worden,
in welchem er die Truppen während schwerer Strapazen frisch und heiter er¬
hielt. Allein trotz alledem bleibt der Tabak im Wesentlichen ein mehr oder
minder schwer, aber immerhin doch entbehrliches Genußmittel; als solches ver¬
trägt er eine starke Steuerlast, für die ihn zudem noch ein besonderer Umstand
empfiehlt. Eine Tabakssteuer wirkt nicht in dem Grade als Kopfsteuer, wie
andere Verbrauchssteuern. Während beim Kaffee, Zucker oder gar beim Salz
jedes Familienglied steuern muß, wenn es seinerseits auch die Last auf das
Familienhaupt abträgt, ist beim Tabak in der That nur das Familienhaupt


aber 3,75 Pfund; es braucht nicht erst darauf hingewiesen zu werden, wie
stark in dem Donaureiche und den Vereinigten Staaten das deutsche Element
vertreten ist. Natürlich hat die Reduzirung des Tabaksverbrauchs auf den
Kopf der Bevölkerung nur einen rechnerischem Werth; statistisch nimmt man
als die präsumtive Zahl der Konsumenten Vs der männlichen Bevölkerung oder
20 Prozent der Gesammtbevölkerung an, so daß etwa 8 Millionen Deutsche
rauchen und auf den Kopf der wirklichen Raucher etwas über 15 Pfund
jährlich fallen, Hirth hat vor Jahren einmal auch diese Durchschnittszahl zu
spezialisiren gesucht, indem er die Tabakskonsmnenten in „schwache," „mäßige"
und „starke" Raucher eintheilte; darnach möchten etwa auf deu Kopf der ersten
Kategorie 3 — 4, der zweiten 10—15, der dritten 30—40 Pfund jährlichen
Tabaksverbranchs zu rechnen sein.

Die „Schwimmkraft" des Tabaks. Neben seiner volkswirtschaft¬
lichen hat der Tabak von jeher eine staatswirthschaftliche Bedeutung gehabt;
seitdem er sich zu einem Gegenstand des europäischen Massenkousnms entwickelte,
ist seine „Schwimmkraft", um diesen glücklichen Ausdruck des Reichskanzlers
zu akzeptiren, überall dazu benutzt worden, das Staatsschiff flott zu erhalten.
Auch eingefleischte Gegner der Verbrauchssteuern und selbst eingefleischte Raucher
Pflegen nur zaghaft zu bestreikn, daß er ein eminent steuerfühiges Objekt ist.
Solange wir indirekte Steuern haben, — und daß sie aus finanzpolitischen,
wie psychologischen Gründen vorläufig unentbehrlich sind, erkennen auch die
wissenschaftlichen Sozialisten an — rangirt der Tabak nicht nur, wie selbst¬
verständlich, vor Fleisch, Mehl oder Salz, sondern auch vor Bier, Kaffee
und Zucker. Man hat zwar Mancherlei beigebracht, um ihn gewissermaßen
unter die Lebensmittel einzureihen, seine gesundheitliche und wirthschaftliche
Nützlichkeit zu erweisen; erfahrungsgemäß ißt der Raucher weniger als der
Nichtraucher und auch die Leistungsfähigkeit der Arbeiter bei ihrem Erwerb
mag durch die nervenerregenden Eigenschaften des Tabaks gesteigert werden.
Auch soll er nach Hugo's „Naturrecht" im Kriege zur Mannszucht der Eng¬
länder beigetragen haben, weil er den Genuß des Branntweins seltener machte:
ähnliche Erfahrungen sind aus dem deutsch-französischen Kriege berichtet worden,
in welchem er die Truppen während schwerer Strapazen frisch und heiter er¬
hielt. Allein trotz alledem bleibt der Tabak im Wesentlichen ein mehr oder
minder schwer, aber immerhin doch entbehrliches Genußmittel; als solches ver¬
trägt er eine starke Steuerlast, für die ihn zudem noch ein besonderer Umstand
empfiehlt. Eine Tabakssteuer wirkt nicht in dem Grade als Kopfsteuer, wie
andere Verbrauchssteuern. Während beim Kaffee, Zucker oder gar beim Salz
jedes Familienglied steuern muß, wenn es seinerseits auch die Last auf das
Familienhaupt abträgt, ist beim Tabak in der That nur das Familienhaupt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/291>, abgerufen am 01.09.2024.