Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.10. Zum 1754 heirathete Ki op stock (30 I.) in Hamburg seine Meta Durch die Anbetung Meta's, wie durch das Zujauchzen der Jugend -- Fast einen ebenso großen Eindruck als der Messias machten Joung's Es war Wieland gelungen, für seinen alten Plan einer freien Akademie Neben seinen Träumen von der überirdischen Welt beschäftigten ihn Ideen Ueber diese Dinge setzte er sich mit dem Rathsschreiber in Basel, Dr. Hur. 10. Zum 1754 heirathete Ki op stock (30 I.) in Hamburg seine Meta Durch die Anbetung Meta's, wie durch das Zujauchzen der Jugend — Fast einen ebenso großen Eindruck als der Messias machten Joung's Es war Wieland gelungen, für seinen alten Plan einer freien Akademie Neben seinen Träumen von der überirdischen Welt beschäftigten ihn Ideen Ueber diese Dinge setzte er sich mit dem Rathsschreiber in Basel, Dr. Hur. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139847"/> <p xml:id="ID_73"> 10. Zum 1754 heirathete Ki op stock (30 I.) in Hamburg seine Meta<lb/> (26. J^). „Mein Leben," schreibt er an Gleim, „war bisher nur ein Traum.<lb/> Jetzt erst erkenne ich den Werth des irdischen Lebens und preise den Gott im<lb/> Himmel, der mir die Gefühle gab, in diesem irdischen Leben ihn verherrlichen<lb/> zu dürfen. Die Glorie des irdischen Daseins ist mir geworden, ich singe Dir<lb/> Jnbellieder, Jehovah!"</p><lb/> <p xml:id="ID_74"> Durch die Anbetung Meta's, wie durch das Zujauchzen der Jugend —<lb/> der Messias war eine Art Erbauungsbuch geworden —- wurde der Dichter<lb/> verführt, mehr oder minder bewußt eine Rolle zu spielen. Man hatte den<lb/> Inhalt des Gedichts zu seinem Gemüth in Beziehung gebracht; die Welt sah<lb/> ans ihn und er mußte der Welt gerecht werden. Er hatte seine Gabe als<lb/> eine besondere Inspiration der Gottheit dargestellt, das Gefüß derselben mußte<lb/> rein gehalten werden. Seine Poesie studirte ihr Gesicht zu viel und zu<lb/> eifrig im Spiegel, und übte sich 'die wünschenswerthen Züge künstlich hervor¬<lb/> zubringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_75"> Fast einen ebenso großen Eindruck als der Messias machten Joung's<lb/> „Nachtgedanken", die eben von Ebert übersetzt wurden. In ernster, feier¬<lb/> licher Sprache predigten sie eine Gesinnung, die recht eigentlich zum Ueber-<lb/> druß am Leben führte. Wie stark sie noch später wirkten, weiß man aus<lb/> Goethe's Bericht. Klop stock schwärmte für den „prophetischen Greis" und<lb/> sang ihn an; Gellert schreibt, daß Joung ihn mehr erbaue, als der Dichter<lb/> des Messias. „Ich verehre ihn, auch wo ich ihn nicht verstehe; er hat mich<lb/> vielmal bis zum Zittern mit seinen kühnen Gedanken fortgerissen, und mitten<lb/> in der Angst mich erquickt." Wieland sättigte sich so recht an diesen<lb/> melancholischen Vorstellungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_76"> Es war Wieland gelungen, für seinen alten Plan einer freien Akademie<lb/> eine Anzahl junger Leute zu gewinnen; er verließ 24. Juni 1754 Bodmer's<lb/> Hans mit einem überschwenglich dankbaren Abschiedsbrief.</p><lb/> <p xml:id="ID_77"> Neben seinen Träumen von der überirdischen Welt beschäftigten ihn Ideen<lb/> über die Verbesserung der Staatsverfassungen und namentlich der Erziehung.<lb/> Die Haupsache schien ihm, den Leuten alles leichter und bequemer zu machen,<lb/> im Lernen wie im Handeln; nach Aufhebung aller unnützen Gelehrsamkeit und<lb/> aller Rechtschieanen würden sie auch glücklicher werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_78" next="#ID_79"> Ueber diese Dinge setzte er sich mit dem Rathsschreiber in Basel, Dr. Hur.<lb/> Jselin (26 I.) in Verbindung. Er hatte in einem längeren Ausenthalt in<lb/> Paris durch Frau v. Graffigny die berühmtesten Philosophen, darunter auch<lb/> Rousseau kennen gelernt. In den „philosophischen und patriotischen Träumen<lb/> eines Menschenfreundes" stellt er das Ideal schroff der Wirklichkeit gegenüber:<lb/> in der letzteren findet er nichts als Unordnung, Falschheit und Scheintugend;</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
10. Zum 1754 heirathete Ki op stock (30 I.) in Hamburg seine Meta
(26. J^). „Mein Leben," schreibt er an Gleim, „war bisher nur ein Traum.
Jetzt erst erkenne ich den Werth des irdischen Lebens und preise den Gott im
Himmel, der mir die Gefühle gab, in diesem irdischen Leben ihn verherrlichen
zu dürfen. Die Glorie des irdischen Daseins ist mir geworden, ich singe Dir
Jnbellieder, Jehovah!"
Durch die Anbetung Meta's, wie durch das Zujauchzen der Jugend —
der Messias war eine Art Erbauungsbuch geworden —- wurde der Dichter
verführt, mehr oder minder bewußt eine Rolle zu spielen. Man hatte den
Inhalt des Gedichts zu seinem Gemüth in Beziehung gebracht; die Welt sah
ans ihn und er mußte der Welt gerecht werden. Er hatte seine Gabe als
eine besondere Inspiration der Gottheit dargestellt, das Gefüß derselben mußte
rein gehalten werden. Seine Poesie studirte ihr Gesicht zu viel und zu
eifrig im Spiegel, und übte sich 'die wünschenswerthen Züge künstlich hervor¬
zubringen.
Fast einen ebenso großen Eindruck als der Messias machten Joung's
„Nachtgedanken", die eben von Ebert übersetzt wurden. In ernster, feier¬
licher Sprache predigten sie eine Gesinnung, die recht eigentlich zum Ueber-
druß am Leben führte. Wie stark sie noch später wirkten, weiß man aus
Goethe's Bericht. Klop stock schwärmte für den „prophetischen Greis" und
sang ihn an; Gellert schreibt, daß Joung ihn mehr erbaue, als der Dichter
des Messias. „Ich verehre ihn, auch wo ich ihn nicht verstehe; er hat mich
vielmal bis zum Zittern mit seinen kühnen Gedanken fortgerissen, und mitten
in der Angst mich erquickt." Wieland sättigte sich so recht an diesen
melancholischen Vorstellungen.
Es war Wieland gelungen, für seinen alten Plan einer freien Akademie
eine Anzahl junger Leute zu gewinnen; er verließ 24. Juni 1754 Bodmer's
Hans mit einem überschwenglich dankbaren Abschiedsbrief.
Neben seinen Träumen von der überirdischen Welt beschäftigten ihn Ideen
über die Verbesserung der Staatsverfassungen und namentlich der Erziehung.
Die Haupsache schien ihm, den Leuten alles leichter und bequemer zu machen,
im Lernen wie im Handeln; nach Aufhebung aller unnützen Gelehrsamkeit und
aller Rechtschieanen würden sie auch glücklicher werden.
Ueber diese Dinge setzte er sich mit dem Rathsschreiber in Basel, Dr. Hur.
Jselin (26 I.) in Verbindung. Er hatte in einem längeren Ausenthalt in
Paris durch Frau v. Graffigny die berühmtesten Philosophen, darunter auch
Rousseau kennen gelernt. In den „philosophischen und patriotischen Träumen
eines Menschenfreundes" stellt er das Ideal schroff der Wirklichkeit gegenüber:
in der letzteren findet er nichts als Unordnung, Falschheit und Scheintugend;
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