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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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alles erzielt. Nachdem jenes fingirte Italien, welches man das legale nennt
und welches in Wirklichkeit in seinen hitzigsten Vertretern eine Mißgeburt, sec-
tirerisch und ungläubig ist, von der Bühne verdrüugt ist, wird an seine Stelle
das wahre Italien treten, welches Gott sei Dank noch christlich ist; und mit
ihm können der Papst und der König machen, was sie für gut
halten zum kräftigen Wohl der Kirche und Italiens selbst, sich der wahrhaft
neuen Bedingungen bedienend, die sicherlich von der Vorsehung angeordnet sind,
nach welchen das Wohl des einen nothwendig auf das des andern Thals zu¬
rückwirken muß."

Das Vorstehende ist wortgetreu dem Briefe Cnrci's an Pius entnommen.
In seinem Buche kommt er darcinf in direkter Weife nicht zurück, und man
wird leicht begreife,: weshalb. Ja, er versucht sogar glauben zu machen, daß
er an diesen Plan nicht mehr denke, und man wird gleichfalls die Ursache
leicht einsehen, da jener Brief ein ganz vertraulicher, das Buch aber für die
Oeffentlichkeit bestimmt ist. Er giebt in dem letzteren keine Andeutung über
einen andern Weg zu seinem Ziele, und doch ist sein Ziel noch dasselbe.
Ueberdies sind die im ganzen Buche erkennbaren Ansichten über die Verderb¬
lichkeit der jetzigen Regierungsznstände und die Nothwendigkeit ihrer Aenderung
genau dieselben, wie sie bei Abfassung seines Briefes waren, so daß nicht ab¬
zusehen ist, wie und warum er die Ausicht über die Mittel geändert haben
sollte. Aber auch dies angenommen, bleiben die vor zwei Jahren aufgestellten
Pläne für uns nicht minder wichtig und interessant, weil sie uns die Ziele der
Jesuitenpartei verrathen und einen Schluß auf die Verfahrungsweise der Kirche
gestatten, im Falle daß sie wieder einmal zur Macht käme. Jedes weitere
Wort zur Verurtheilung dieser dörrenden Politik ist überflüssig. Denn überall
spricht sie so deutlich wie möglich. Der Schrift Curei's verdanken wir vor
allem die erwünschte Klarheit, daß man in den herrschenden Kreisen der Kurie
noch viel rückschrittlichere Absichten hegt, als der Jesuitenpater. Nach
seiner Schrift sollte man meinen, daß sein Klerikalismus vom reinsten Wasser
und daß der Verfasser ein Mann nach dem Herzen der extremsten vatikanischen
Gesellen sei. Dem ist uicht so. Seine Schwärze ist für jene Fanatiker noch
lange nicht schwarz genug, und dadurch werden sie in der eklatantesten und
warnendsten Weise gekennzeichnet. Jener Partei gilt der erntfernteste Ge¬
danke an eine Transaktion mit dem modernen Staat, speziell mit Italien, als
ein Gräuel, der eingeschränkteste Vorschlag zu einer Versöhnung als ein uner¬
träglicher nahe an Ketzerei streifender Liberalismus, und das war ueben der
Wuth über die scharfen und gerechten Vorwürfe der Grund, weshalb der
ärgerliche Prediger ausgestoßen werden mußte. Ein Antiliberaler von Cnrci's


alles erzielt. Nachdem jenes fingirte Italien, welches man das legale nennt
und welches in Wirklichkeit in seinen hitzigsten Vertretern eine Mißgeburt, sec-
tirerisch und ungläubig ist, von der Bühne verdrüugt ist, wird an seine Stelle
das wahre Italien treten, welches Gott sei Dank noch christlich ist; und mit
ihm können der Papst und der König machen, was sie für gut
halten zum kräftigen Wohl der Kirche und Italiens selbst, sich der wahrhaft
neuen Bedingungen bedienend, die sicherlich von der Vorsehung angeordnet sind,
nach welchen das Wohl des einen nothwendig auf das des andern Thals zu¬
rückwirken muß."

Das Vorstehende ist wortgetreu dem Briefe Cnrci's an Pius entnommen.
In seinem Buche kommt er darcinf in direkter Weife nicht zurück, und man
wird leicht begreife,: weshalb. Ja, er versucht sogar glauben zu machen, daß
er an diesen Plan nicht mehr denke, und man wird gleichfalls die Ursache
leicht einsehen, da jener Brief ein ganz vertraulicher, das Buch aber für die
Oeffentlichkeit bestimmt ist. Er giebt in dem letzteren keine Andeutung über
einen andern Weg zu seinem Ziele, und doch ist sein Ziel noch dasselbe.
Ueberdies sind die im ganzen Buche erkennbaren Ansichten über die Verderb¬
lichkeit der jetzigen Regierungsznstände und die Nothwendigkeit ihrer Aenderung
genau dieselben, wie sie bei Abfassung seines Briefes waren, so daß nicht ab¬
zusehen ist, wie und warum er die Ausicht über die Mittel geändert haben
sollte. Aber auch dies angenommen, bleiben die vor zwei Jahren aufgestellten
Pläne für uns nicht minder wichtig und interessant, weil sie uns die Ziele der
Jesuitenpartei verrathen und einen Schluß auf die Verfahrungsweise der Kirche
gestatten, im Falle daß sie wieder einmal zur Macht käme. Jedes weitere
Wort zur Verurtheilung dieser dörrenden Politik ist überflüssig. Denn überall
spricht sie so deutlich wie möglich. Der Schrift Curei's verdanken wir vor
allem die erwünschte Klarheit, daß man in den herrschenden Kreisen der Kurie
noch viel rückschrittlichere Absichten hegt, als der Jesuitenpater. Nach
seiner Schrift sollte man meinen, daß sein Klerikalismus vom reinsten Wasser
und daß der Verfasser ein Mann nach dem Herzen der extremsten vatikanischen
Gesellen sei. Dem ist uicht so. Seine Schwärze ist für jene Fanatiker noch
lange nicht schwarz genug, und dadurch werden sie in der eklatantesten und
warnendsten Weise gekennzeichnet. Jener Partei gilt der erntfernteste Ge¬
danke an eine Transaktion mit dem modernen Staat, speziell mit Italien, als
ein Gräuel, der eingeschränkteste Vorschlag zu einer Versöhnung als ein uner¬
träglicher nahe an Ketzerei streifender Liberalismus, und das war ueben der
Wuth über die scharfen und gerechten Vorwürfe der Grund, weshalb der
ärgerliche Prediger ausgestoßen werden mußte. Ein Antiliberaler von Cnrci's


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/259>, abgerufen am 01.09.2024.