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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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der glückseligen Regierung meines Padischah? Damit Deinem Sklaven das
Märtyrerthum zu Theil werde, darum ist von Seiten des Allgerechten mir
Gnade erschienen: Heil sei meinem Padischah! Aber von meinem Padischah
erbitte ich dies, daß er mein Haupt im kaiserlichen Serail nicht ausstellen,
sondern wie es ist zur Ruhe bringen lasse, denn die Zugeständniße der voran¬
gegangenen Sultane sind noch in Kraft, und so hoffe ich, daß auch mein
Padischah das bestehende Versprechen aufrecht erhalten werde." So schrieb er,
und fügte Segensgebete ohne Zahl hinzu.

Als er nun das Testament fertig gemacht hatte, und alle um ihn her im
Schlafe lagen, rief er seinem Knaben, der das Wasser zur heiligen Abwaschung
ihm zu reichen pflegte: "Jussuf, stehe auf, bringe die Kanne mit Wasser, ich
will zur Erneuerung meines Glaubensgelübdes Gebete halten, von der Aja
Sofia her erschien Fackelglanz, sie werden wohl kommen, mir den Todesstreich
zu geben." Darauf verrichtete er die heilige Waschung der Hände und Füße
und betete einige der üblichen Gebete. Da klopfte es an das Thor der sieben
Thürme, und siehe mit den Capudschi's war der Henker hereingekommen, und
sie wollten sich daran machen ihn zu erdrosseln. Da rief Mahmud Pascha
dem Henker zu: "Holla Geselle! Ich bin dabei meinen Glauben im Gebet zu
erneuern!" Es war aber in früherer Zeit etwas vorgefallen, wodurch gegen
Mahmud Pascha der Henker eine Feindschaft gefaßt hatte. Der beachtete nun
ganz und gar nicht dessen Rede, und sprach: "Wir wollen ihm die Hände
binden." Mahmud Pascha aber versetzte dem Henker mit der flachen Hand
einen heftigen Schlag, so daß der Henker eine Stunde lang betäubt dalag:
wahrscheinlich mit der Kraft von sieben Ringern hatte er ihn geschlagen.
Mahmud Pascha aber nahm noch einmal die heilige Abwaschung vor und
wendete sich im Gebet zum Allgerechten: dann strich er mit den Händen über
das Gesicht und sprach zum Henker: "Der Grund weshalb ich Dir so gethan,
ist dieser: wenn jemand getödtet werden soll, so ist es nothwendig, daß er, so
viel bei ihm steht, sich zu vertheidigen strebe, wenn es ihm aber nicht möglich
ist zu seiner Rettung etwas zu thun, so man seine Hände gebunden hätte,
dann soll er dem Henker ins Gesicht speien, so ist es der Wille Gottes: denn
wenn er sich ruhig verhielte, so wäre er wie seinen Tod ^beabsichigtend, und
gleich einem der sich selbst ums Leben bringt, und würde vielleicht seiner Seele
Schaden thun: damit Gottes erhabenes Gesetz gehalten werde, habe ich Dich
geschlagen." So sprach er und zog aus seiner Tasche eine Hand voll Gold¬
stücke, und gab sie den Kapudschi's und dem Henker, und sprach: "Macht euch
ans Werk, kommt herbei, wenn es Gottes Wille ist, wird es geschehn." Der
Henker aber nahm die Schlinge und erdrosselte ihn, Gottes Erbarmen über ihn!

Als die That vollbracht war, klopfte es an das Thor der sieben Thürme,


der glückseligen Regierung meines Padischah? Damit Deinem Sklaven das
Märtyrerthum zu Theil werde, darum ist von Seiten des Allgerechten mir
Gnade erschienen: Heil sei meinem Padischah! Aber von meinem Padischah
erbitte ich dies, daß er mein Haupt im kaiserlichen Serail nicht ausstellen,
sondern wie es ist zur Ruhe bringen lasse, denn die Zugeständniße der voran¬
gegangenen Sultane sind noch in Kraft, und so hoffe ich, daß auch mein
Padischah das bestehende Versprechen aufrecht erhalten werde." So schrieb er,
und fügte Segensgebete ohne Zahl hinzu.

Als er nun das Testament fertig gemacht hatte, und alle um ihn her im
Schlafe lagen, rief er seinem Knaben, der das Wasser zur heiligen Abwaschung
ihm zu reichen pflegte: „Jussuf, stehe auf, bringe die Kanne mit Wasser, ich
will zur Erneuerung meines Glaubensgelübdes Gebete halten, von der Aja
Sofia her erschien Fackelglanz, sie werden wohl kommen, mir den Todesstreich
zu geben." Darauf verrichtete er die heilige Waschung der Hände und Füße
und betete einige der üblichen Gebete. Da klopfte es an das Thor der sieben
Thürme, und siehe mit den Capudschi's war der Henker hereingekommen, und
sie wollten sich daran machen ihn zu erdrosseln. Da rief Mahmud Pascha
dem Henker zu: „Holla Geselle! Ich bin dabei meinen Glauben im Gebet zu
erneuern!" Es war aber in früherer Zeit etwas vorgefallen, wodurch gegen
Mahmud Pascha der Henker eine Feindschaft gefaßt hatte. Der beachtete nun
ganz und gar nicht dessen Rede, und sprach: „Wir wollen ihm die Hände
binden." Mahmud Pascha aber versetzte dem Henker mit der flachen Hand
einen heftigen Schlag, so daß der Henker eine Stunde lang betäubt dalag:
wahrscheinlich mit der Kraft von sieben Ringern hatte er ihn geschlagen.
Mahmud Pascha aber nahm noch einmal die heilige Abwaschung vor und
wendete sich im Gebet zum Allgerechten: dann strich er mit den Händen über
das Gesicht und sprach zum Henker: „Der Grund weshalb ich Dir so gethan,
ist dieser: wenn jemand getödtet werden soll, so ist es nothwendig, daß er, so
viel bei ihm steht, sich zu vertheidigen strebe, wenn es ihm aber nicht möglich
ist zu seiner Rettung etwas zu thun, so man seine Hände gebunden hätte,
dann soll er dem Henker ins Gesicht speien, so ist es der Wille Gottes: denn
wenn er sich ruhig verhielte, so wäre er wie seinen Tod ^beabsichigtend, und
gleich einem der sich selbst ums Leben bringt, und würde vielleicht seiner Seele
Schaden thun: damit Gottes erhabenes Gesetz gehalten werde, habe ich Dich
geschlagen." So sprach er und zog aus seiner Tasche eine Hand voll Gold¬
stücke, und gab sie den Kapudschi's und dem Henker, und sprach: „Macht euch
ans Werk, kommt herbei, wenn es Gottes Wille ist, wird es geschehn." Der
Henker aber nahm die Schlinge und erdrosselte ihn, Gottes Erbarmen über ihn!

Als die That vollbracht war, klopfte es an das Thor der sieben Thürme,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/242>, abgerufen am 29.12.2024.