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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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ritt am Tage darauf ein alter Mann über die Mustafa-Pascha-Brücke, da
saßen an einem Ort zwei Männer, der eine ein schwacher Greis und der andre ein
schöner Jüngling, aber der Jüngling saß voll Ehrfurcht vor dem Greise: diese riefen
dem alten Maun, der stieg von seinem Esel ab, trat ihnen nahe und brachte thuen sein
Selam, worauf sie das Alet erwiderten, und der Greis sprach zu dem Alten:,, Kennst
Du uus?" Der Alte aber sprach: "Ich kenne euch uicht." Der Greis sagte: "Jchbiu
Elias, und dieser ist Mahmud Pascha, der Vezir dieser Stadt, ihn aber haben jene
anderen Vezire verleumdet und auf ungerechte Weise todten lassen wollen, da
kam ich, unter Allah des Allerhöchsten Befehl und befreite ihn: jetzt erwächst
Dir daraus ein großer Nutzen: gehe zum Fürsten dieser Stadt, bringe ihm
meinen Gruß, ich schicke den Mahmud wieder an seine Seite; möge fern sein,
daß einem einzigen Haar von ihm Schade geschehe, wenn auch nur einem
Haar vou ihm Schade geschehen sollte, so wird der Sultan hernach viel Un¬
heil erfahren, also sollst Du ihm sagen." Der alte Mann aber sprach: "Dein
Befehl geschehe", kam eilig nach Edirne, und begab sich geraden Wegs zu dem
Thor des Serails, wo er seinen Esel an einer Stelle anhand. Als er aber
nun zum Padischah hineingehen wollte, traten ihm die Thorhüter in den
Weg, in der Absicht ihn zu hindern, einige aber von den ThorlMern als sie
ihn angesehn, fragten ihn: "Ist hier ein (überirdisches) Geheimniß im Spiel?"
Der Alte sprach: "Mein Auftrag ist an den Padischah": da ging der Aga der
Pforte und zeigte es dem Padischah an, der aber sprach: "Bringe ihn herein."
Und als er ihn hereingebracht, da überfiel den Leib des Sultan Murad des
streitbaren ein Zittern, er stürzte nieder auf sein Angesicht, und seine Sinne
entschwanden aus seinem Haupte. Da verwunderten sich die Thorhüter über
den Alten: "o Wunder, was für eine Art Mensch bist Du?" sprachen sie, und
schalten ihn. Als Sultan Murad wieder zu sich gekommen war, befahl er,
man solle den Alten in seine Nähe bringen: sogleich that man es, und als
dieser vor ihm erschienen, küßte er den Boden und wartete in Ehrerbietung.
Sultan Murad aber fragte ihn: "Was bist Du für ein Geschöpf?" - "Mein
Padischah, ich bin der Sklave Deiner Sklaven, eines Geschäftes wegen nach
der Stadt mich begebend, traf ich in ihrer Nähe auf zwei Menschen, der eine
ein Greis, der andre ein Jüngling, der vor dem Greise ehrfurchtsvoll saß."
Er berichtet nun genau sein Abenteuer und die Botschaft, die ihm geworden.

So antwortete der Alte und sprach: "übrigens ist Dein der Befehl und
die Gerechtigkeit", und hiemit beschloß er seine Rede. Der Padischah aber er¬
wies dem Alten viele Ehre, und machte ihn zu einem reichen Mann. Darauf
befahl er den Veziren, sie sollten alle zu Pferd aufsitzen und Edirnö an allen
Ecken und Enden nach Mahmud Pascha durschuchen. Was konnten die Vezire


ritt am Tage darauf ein alter Mann über die Mustafa-Pascha-Brücke, da
saßen an einem Ort zwei Männer, der eine ein schwacher Greis und der andre ein
schöner Jüngling, aber der Jüngling saß voll Ehrfurcht vor dem Greise: diese riefen
dem alten Maun, der stieg von seinem Esel ab, trat ihnen nahe und brachte thuen sein
Selam, worauf sie das Alet erwiderten, und der Greis sprach zu dem Alten:,, Kennst
Du uus?" Der Alte aber sprach: „Ich kenne euch uicht." Der Greis sagte: „Jchbiu
Elias, und dieser ist Mahmud Pascha, der Vezir dieser Stadt, ihn aber haben jene
anderen Vezire verleumdet und auf ungerechte Weise todten lassen wollen, da
kam ich, unter Allah des Allerhöchsten Befehl und befreite ihn: jetzt erwächst
Dir daraus ein großer Nutzen: gehe zum Fürsten dieser Stadt, bringe ihm
meinen Gruß, ich schicke den Mahmud wieder an seine Seite; möge fern sein,
daß einem einzigen Haar von ihm Schade geschehe, wenn auch nur einem
Haar vou ihm Schade geschehen sollte, so wird der Sultan hernach viel Un¬
heil erfahren, also sollst Du ihm sagen." Der alte Mann aber sprach: „Dein
Befehl geschehe", kam eilig nach Edirne, und begab sich geraden Wegs zu dem
Thor des Serails, wo er seinen Esel an einer Stelle anhand. Als er aber
nun zum Padischah hineingehen wollte, traten ihm die Thorhüter in den
Weg, in der Absicht ihn zu hindern, einige aber von den ThorlMern als sie
ihn angesehn, fragten ihn: „Ist hier ein (überirdisches) Geheimniß im Spiel?"
Der Alte sprach: „Mein Auftrag ist an den Padischah": da ging der Aga der
Pforte und zeigte es dem Padischah an, der aber sprach: „Bringe ihn herein."
Und als er ihn hereingebracht, da überfiel den Leib des Sultan Murad des
streitbaren ein Zittern, er stürzte nieder auf sein Angesicht, und seine Sinne
entschwanden aus seinem Haupte. Da verwunderten sich die Thorhüter über
den Alten: „o Wunder, was für eine Art Mensch bist Du?" sprachen sie, und
schalten ihn. Als Sultan Murad wieder zu sich gekommen war, befahl er,
man solle den Alten in seine Nähe bringen: sogleich that man es, und als
dieser vor ihm erschienen, küßte er den Boden und wartete in Ehrerbietung.
Sultan Murad aber fragte ihn: „Was bist Du für ein Geschöpf?" - „Mein
Padischah, ich bin der Sklave Deiner Sklaven, eines Geschäftes wegen nach
der Stadt mich begebend, traf ich in ihrer Nähe auf zwei Menschen, der eine
ein Greis, der andre ein Jüngling, der vor dem Greise ehrfurchtsvoll saß."
Er berichtet nun genau sein Abenteuer und die Botschaft, die ihm geworden.

So antwortete der Alte und sprach: „übrigens ist Dein der Befehl und
die Gerechtigkeit", und hiemit beschloß er seine Rede. Der Padischah aber er¬
wies dem Alten viele Ehre, und machte ihn zu einem reichen Mann. Darauf
befahl er den Veziren, sie sollten alle zu Pferd aufsitzen und Edirnö an allen
Ecken und Enden nach Mahmud Pascha durschuchen. Was konnten die Vezire


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[0235] ritt am Tage darauf ein alter Mann über die Mustafa-Pascha-Brücke, da saßen an einem Ort zwei Männer, der eine ein schwacher Greis und der andre ein schöner Jüngling, aber der Jüngling saß voll Ehrfurcht vor dem Greise: diese riefen dem alten Maun, der stieg von seinem Esel ab, trat ihnen nahe und brachte thuen sein Selam, worauf sie das Alet erwiderten, und der Greis sprach zu dem Alten:,, Kennst Du uus?" Der Alte aber sprach: „Ich kenne euch uicht." Der Greis sagte: „Jchbiu Elias, und dieser ist Mahmud Pascha, der Vezir dieser Stadt, ihn aber haben jene anderen Vezire verleumdet und auf ungerechte Weise todten lassen wollen, da kam ich, unter Allah des Allerhöchsten Befehl und befreite ihn: jetzt erwächst Dir daraus ein großer Nutzen: gehe zum Fürsten dieser Stadt, bringe ihm meinen Gruß, ich schicke den Mahmud wieder an seine Seite; möge fern sein, daß einem einzigen Haar von ihm Schade geschehe, wenn auch nur einem Haar vou ihm Schade geschehen sollte, so wird der Sultan hernach viel Un¬ heil erfahren, also sollst Du ihm sagen." Der alte Mann aber sprach: „Dein Befehl geschehe", kam eilig nach Edirne, und begab sich geraden Wegs zu dem Thor des Serails, wo er seinen Esel an einer Stelle anhand. Als er aber nun zum Padischah hineingehen wollte, traten ihm die Thorhüter in den Weg, in der Absicht ihn zu hindern, einige aber von den ThorlMern als sie ihn angesehn, fragten ihn: „Ist hier ein (überirdisches) Geheimniß im Spiel?" Der Alte sprach: „Mein Auftrag ist an den Padischah": da ging der Aga der Pforte und zeigte es dem Padischah an, der aber sprach: „Bringe ihn herein." Und als er ihn hereingebracht, da überfiel den Leib des Sultan Murad des streitbaren ein Zittern, er stürzte nieder auf sein Angesicht, und seine Sinne entschwanden aus seinem Haupte. Da verwunderten sich die Thorhüter über den Alten: „o Wunder, was für eine Art Mensch bist Du?" sprachen sie, und schalten ihn. Als Sultan Murad wieder zu sich gekommen war, befahl er, man solle den Alten in seine Nähe bringen: sogleich that man es, und als dieser vor ihm erschienen, küßte er den Boden und wartete in Ehrerbietung. Sultan Murad aber fragte ihn: „Was bist Du für ein Geschöpf?" - „Mein Padischah, ich bin der Sklave Deiner Sklaven, eines Geschäftes wegen nach der Stadt mich begebend, traf ich in ihrer Nähe auf zwei Menschen, der eine ein Greis, der andre ein Jüngling, der vor dem Greise ehrfurchtsvoll saß." Er berichtet nun genau sein Abenteuer und die Botschaft, die ihm geworden. So antwortete der Alte und sprach: „übrigens ist Dein der Befehl und die Gerechtigkeit", und hiemit beschloß er seine Rede. Der Padischah aber er¬ wies dem Alten viele Ehre, und machte ihn zu einem reichen Mann. Darauf befahl er den Veziren, sie sollten alle zu Pferd aufsitzen und Edirnö an allen Ecken und Enden nach Mahmud Pascha durschuchen. Was konnten die Vezire

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/235>, abgerufen am 29.12.2024.