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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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beiden ausdruckvollsten Manifestationen darbieten und zugleich ihr die mächtigsten
Antriebe geben". -- Also auch die Räder der Dampfschiffe treiben zum Rum
Frankreichs und Italiens und zum Triumph des ketzerischen Deutschland!
Das Resultat des umfassenden Verkehrs und Gedankenaustausches unter den
Menschen wird nach Curci eine allgemeine Unifikation sein, die er übrigens
auf Grund der heiligen Schrift als Vorboten der Erscheinung des Antichrists
und des jüngsten Gerichts betrachtet, und die mit einer größeren Verschmelzung
innerhalb der einzelnen Racen und Nationenkomplexe beginnen wird. Von
den drei die christliche Zivilisation vertretenden Racen, der lateinischen teu¬
tonischen und slavischen, ist die erstere, deren Hauptnationen die Italiener und
Franzosen sind, bisher die Lehrerin und Meisterin gewesen, und zwar war
Italien gewissermaßen das Haupt, Frankreich der Arm "der einzigen wahren
Kirche, des Katholizismus". Seit dem Jahre 1870 ist das anders geworden,
und der Pater Curci sieht voraus, daß "binnen Kurzem die Vorherrschaft der
Welt zwischen zwei Reiche getheilt sein wird, ein teutonisches, welches die
Häresie, und ein slavisches, welches das Schisma repräsentirt, unter verhältni߬
mäßigem Herabsinken des lateinischen Stammes, dessen Haupt uicht mehr der
Höhe seiner Aufgabe gewachsen und dessen Arm durch viele Umstände ge¬
schwächt ist".

Hier kehrt nun Curci zu seinem Argument zurück. Wodurch würde der
Ruin der lateinischen Race zu Gunsten der andern noch am gefährlichsten be¬
schleunigt werden? Offenbar durch den Krieg zwischen dem Haupt und dem
Arm, zu welchem die fanatische Partei, unterstützt von der klerikalen Presse,
hindrängt, weil sie kein anderes Mittel sieht wieder zur weltlichen Herrschaft
M gelangen. In Wahrheit ist kein anderes Mittel vorhanden, und es bleibt
also, um seine schrecklichen Folgen zu vermeiden, nichts übrig als, wie Cnrci
ganz richtig sieht, auf die Restauration der weltlichen Macht zu verzichten und
ein anderes Mittel zur Wahrung der geistlichen Souveränetät und des über¬
irdischen Zweckes der Kirche aufzufinden. Dieses Mittel 'glaubt der Jesuiten-
pater gefunden zu haben, und er hat dasselbe dein Papste in einen: vertrauli¬
chen Briefe vorgelegt. Er kommt in seinem Buche darauf zurück, um es um
offen der katholischen Welt Italiens zu empfehlen. Wir wollen glauben, daß
der Wunsch, demselben schleunigeren Eingang zu verschaffen, den Pater be¬
wogen hat, die Gefahr mehr als billig ins Schwarze zu malen, weil wir
sonst über seineu politische" Blick ziemlich gering denken müßten. Er be¬
hauptet, daß in Frankreich die Schen vor einem Kriege mit Italien behufs
Rehabilitirung des Papstes die Herstellung der Monarchie gehindert, der
katholischen Partei Gegner erweckt, zum Sieg der Commune und neuerdings
der Radikalen beigetragen hat. Er nennt das neue Deutschland, zu dem


beiden ausdruckvollsten Manifestationen darbieten und zugleich ihr die mächtigsten
Antriebe geben". — Also auch die Räder der Dampfschiffe treiben zum Rum
Frankreichs und Italiens und zum Triumph des ketzerischen Deutschland!
Das Resultat des umfassenden Verkehrs und Gedankenaustausches unter den
Menschen wird nach Curci eine allgemeine Unifikation sein, die er übrigens
auf Grund der heiligen Schrift als Vorboten der Erscheinung des Antichrists
und des jüngsten Gerichts betrachtet, und die mit einer größeren Verschmelzung
innerhalb der einzelnen Racen und Nationenkomplexe beginnen wird. Von
den drei die christliche Zivilisation vertretenden Racen, der lateinischen teu¬
tonischen und slavischen, ist die erstere, deren Hauptnationen die Italiener und
Franzosen sind, bisher die Lehrerin und Meisterin gewesen, und zwar war
Italien gewissermaßen das Haupt, Frankreich der Arm „der einzigen wahren
Kirche, des Katholizismus". Seit dem Jahre 1870 ist das anders geworden,
und der Pater Curci sieht voraus, daß „binnen Kurzem die Vorherrschaft der
Welt zwischen zwei Reiche getheilt sein wird, ein teutonisches, welches die
Häresie, und ein slavisches, welches das Schisma repräsentirt, unter verhältni߬
mäßigem Herabsinken des lateinischen Stammes, dessen Haupt uicht mehr der
Höhe seiner Aufgabe gewachsen und dessen Arm durch viele Umstände ge¬
schwächt ist".

Hier kehrt nun Curci zu seinem Argument zurück. Wodurch würde der
Ruin der lateinischen Race zu Gunsten der andern noch am gefährlichsten be¬
schleunigt werden? Offenbar durch den Krieg zwischen dem Haupt und dem
Arm, zu welchem die fanatische Partei, unterstützt von der klerikalen Presse,
hindrängt, weil sie kein anderes Mittel sieht wieder zur weltlichen Herrschaft
M gelangen. In Wahrheit ist kein anderes Mittel vorhanden, und es bleibt
also, um seine schrecklichen Folgen zu vermeiden, nichts übrig als, wie Cnrci
ganz richtig sieht, auf die Restauration der weltlichen Macht zu verzichten und
ein anderes Mittel zur Wahrung der geistlichen Souveränetät und des über¬
irdischen Zweckes der Kirche aufzufinden. Dieses Mittel 'glaubt der Jesuiten-
pater gefunden zu haben, und er hat dasselbe dein Papste in einen: vertrauli¬
chen Briefe vorgelegt. Er kommt in seinem Buche darauf zurück, um es um
offen der katholischen Welt Italiens zu empfehlen. Wir wollen glauben, daß
der Wunsch, demselben schleunigeren Eingang zu verschaffen, den Pater be¬
wogen hat, die Gefahr mehr als billig ins Schwarze zu malen, weil wir
sonst über seineu politische» Blick ziemlich gering denken müßten. Er be¬
hauptet, daß in Frankreich die Schen vor einem Kriege mit Italien behufs
Rehabilitirung des Papstes die Herstellung der Monarchie gehindert, der
katholischen Partei Gegner erweckt, zum Sieg der Commune und neuerdings
der Radikalen beigetragen hat. Er nennt das neue Deutschland, zu dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/231>, abgerufen am 28.12.2024.