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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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auf Grund tief religiöser und patriotischer Anschauungen und mit dem Aus¬
druck größter Verehrung gegen den Papst. Diese von Curci nicht verschuldete
Veröffentlichung des Briefes und die darin entwickelten Ansichten zogen dem
Pater eine erbitterte Verfolgung zu -- angeblich nicht von Seiten des Papstes,
der noch nach der Kenntnißnahme des Briefes dem Verfasser sein Wohlwollen
bezeigt hatte, sondern von der intriguanten, herrschsüchtigen, unduldsamen hier¬
archischen Partei, welche nach Curci's Meinung ohne den Willen des Kirchen¬
oberhauptes die verderbliche Feindseligkeit der Kirche gegen den Staat ge¬
schaffen und genährt hat. Diese Partei sah in Curci, dem Vorkämpfer einer
Verständigung zwischen Staat und Kirche, ihren gefährlichsten Feind, und dn
sie auch auf die Ordensleitung, d. h. den alten Jesuitengeneral, Einfluß hatten,
so brachte sie mit allen in jenen Kreisen erlaubten Mitteln den verhaßten
Gegner dahin, daß er aus dem Orden scheiden mußte.

Der Pater Curci entschloß sich dazu nach langem Ringen, weil er die für
das Bleiben gestellte Bedingung des Widerrufs "der Zurücknahme und Ver¬
dammung der Schrift von 1875 und alles dessen, was in derselben stehe und
in den gedruckten Büchern, öffentlichen Reden und Privatgesprächen sich kenn¬
zeichne, weil es den Vorschriften und Anordnungen des Heiligen Stuhles und
des Kirchenoberhauptes, den Bestimmungen des Syllabus und den andern von
der höchsten kirchlichen Autorität ausgegangenen Akten widerspreche" mit gutem
Gewissen nicht glaubte erfüllen zu können; und zwar deshalb nicht, weil er
nicht anerkennen konnte, daß die Aussöhnungsvorschläge seines Briefes an den
Papst den kirchlichen Gesetzen in irgend einer Hinsicht widersprächen.

Gleich nach seinem Austritt aus dem Orden am 27. October vor. Jahres
machte sich Curci an die Abfassung der uns vorliegenden Schrift, die, wie er
sagt, nicht nur seinen Standpunkt rechtfertigen, sondern allen kirchlich und pa¬
triotisch gesinnten Italienern eine wichtige Enthüllung geben solle, nämlich die,
daß die UnVersöhnlichkeit der Kirche gegenüber Italien nur durch eine kolossale
Lüge unter Mißbrauch des Namens der obersten Kirchenleitung sür einen
Grundsatz der letzteren und für religiöse Pflicht ausgegeben wurde, daß im
Gegentheil das Wesen und die Geschichte der Kirche, ihre Bestimmung und ihr
eigenes Interesse sie auf eine Aussöhnung mit geschichtlichen Thatsachen, wie
die Bildung des einigen italienischen Staates, hinweisen. Den letzteren Nach¬
weis kann man als in Curci's Buche vollständig geführt erachten, da die an¬
geführten Beispiele beweisen, daß in andern ganz ähnlichen Fällen die Kirche
Wohl oder übel mit ihren Gegnern sich verständigt und auch bedeutende Ein¬
schränkungen ruhig ertragen hat. Damit ist der weitere Beweis geliefert, daß
das unversöhnliche Verhalten der Curie unter Pius IX. unberechtigt und
ein Fehler war, was ja auch durch specielle und innere Gründe bestätigt


auf Grund tief religiöser und patriotischer Anschauungen und mit dem Aus¬
druck größter Verehrung gegen den Papst. Diese von Curci nicht verschuldete
Veröffentlichung des Briefes und die darin entwickelten Ansichten zogen dem
Pater eine erbitterte Verfolgung zu — angeblich nicht von Seiten des Papstes,
der noch nach der Kenntnißnahme des Briefes dem Verfasser sein Wohlwollen
bezeigt hatte, sondern von der intriguanten, herrschsüchtigen, unduldsamen hier¬
archischen Partei, welche nach Curci's Meinung ohne den Willen des Kirchen¬
oberhauptes die verderbliche Feindseligkeit der Kirche gegen den Staat ge¬
schaffen und genährt hat. Diese Partei sah in Curci, dem Vorkämpfer einer
Verständigung zwischen Staat und Kirche, ihren gefährlichsten Feind, und dn
sie auch auf die Ordensleitung, d. h. den alten Jesuitengeneral, Einfluß hatten,
so brachte sie mit allen in jenen Kreisen erlaubten Mitteln den verhaßten
Gegner dahin, daß er aus dem Orden scheiden mußte.

Der Pater Curci entschloß sich dazu nach langem Ringen, weil er die für
das Bleiben gestellte Bedingung des Widerrufs „der Zurücknahme und Ver¬
dammung der Schrift von 1875 und alles dessen, was in derselben stehe und
in den gedruckten Büchern, öffentlichen Reden und Privatgesprächen sich kenn¬
zeichne, weil es den Vorschriften und Anordnungen des Heiligen Stuhles und
des Kirchenoberhauptes, den Bestimmungen des Syllabus und den andern von
der höchsten kirchlichen Autorität ausgegangenen Akten widerspreche" mit gutem
Gewissen nicht glaubte erfüllen zu können; und zwar deshalb nicht, weil er
nicht anerkennen konnte, daß die Aussöhnungsvorschläge seines Briefes an den
Papst den kirchlichen Gesetzen in irgend einer Hinsicht widersprächen.

Gleich nach seinem Austritt aus dem Orden am 27. October vor. Jahres
machte sich Curci an die Abfassung der uns vorliegenden Schrift, die, wie er
sagt, nicht nur seinen Standpunkt rechtfertigen, sondern allen kirchlich und pa¬
triotisch gesinnten Italienern eine wichtige Enthüllung geben solle, nämlich die,
daß die UnVersöhnlichkeit der Kirche gegenüber Italien nur durch eine kolossale
Lüge unter Mißbrauch des Namens der obersten Kirchenleitung sür einen
Grundsatz der letzteren und für religiöse Pflicht ausgegeben wurde, daß im
Gegentheil das Wesen und die Geschichte der Kirche, ihre Bestimmung und ihr
eigenes Interesse sie auf eine Aussöhnung mit geschichtlichen Thatsachen, wie
die Bildung des einigen italienischen Staates, hinweisen. Den letzteren Nach¬
weis kann man als in Curci's Buche vollständig geführt erachten, da die an¬
geführten Beispiele beweisen, daß in andern ganz ähnlichen Fällen die Kirche
Wohl oder übel mit ihren Gegnern sich verständigt und auch bedeutende Ein¬
schränkungen ruhig ertragen hat. Damit ist der weitere Beweis geliefert, daß
das unversöhnliche Verhalten der Curie unter Pius IX. unberechtigt und
ein Fehler war, was ja auch durch specielle und innere Gründe bestätigt


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[0223] auf Grund tief religiöser und patriotischer Anschauungen und mit dem Aus¬ druck größter Verehrung gegen den Papst. Diese von Curci nicht verschuldete Veröffentlichung des Briefes und die darin entwickelten Ansichten zogen dem Pater eine erbitterte Verfolgung zu — angeblich nicht von Seiten des Papstes, der noch nach der Kenntnißnahme des Briefes dem Verfasser sein Wohlwollen bezeigt hatte, sondern von der intriguanten, herrschsüchtigen, unduldsamen hier¬ archischen Partei, welche nach Curci's Meinung ohne den Willen des Kirchen¬ oberhauptes die verderbliche Feindseligkeit der Kirche gegen den Staat ge¬ schaffen und genährt hat. Diese Partei sah in Curci, dem Vorkämpfer einer Verständigung zwischen Staat und Kirche, ihren gefährlichsten Feind, und dn sie auch auf die Ordensleitung, d. h. den alten Jesuitengeneral, Einfluß hatten, so brachte sie mit allen in jenen Kreisen erlaubten Mitteln den verhaßten Gegner dahin, daß er aus dem Orden scheiden mußte. Der Pater Curci entschloß sich dazu nach langem Ringen, weil er die für das Bleiben gestellte Bedingung des Widerrufs „der Zurücknahme und Ver¬ dammung der Schrift von 1875 und alles dessen, was in derselben stehe und in den gedruckten Büchern, öffentlichen Reden und Privatgesprächen sich kenn¬ zeichne, weil es den Vorschriften und Anordnungen des Heiligen Stuhles und des Kirchenoberhauptes, den Bestimmungen des Syllabus und den andern von der höchsten kirchlichen Autorität ausgegangenen Akten widerspreche" mit gutem Gewissen nicht glaubte erfüllen zu können; und zwar deshalb nicht, weil er nicht anerkennen konnte, daß die Aussöhnungsvorschläge seines Briefes an den Papst den kirchlichen Gesetzen in irgend einer Hinsicht widersprächen. Gleich nach seinem Austritt aus dem Orden am 27. October vor. Jahres machte sich Curci an die Abfassung der uns vorliegenden Schrift, die, wie er sagt, nicht nur seinen Standpunkt rechtfertigen, sondern allen kirchlich und pa¬ triotisch gesinnten Italienern eine wichtige Enthüllung geben solle, nämlich die, daß die UnVersöhnlichkeit der Kirche gegenüber Italien nur durch eine kolossale Lüge unter Mißbrauch des Namens der obersten Kirchenleitung sür einen Grundsatz der letzteren und für religiöse Pflicht ausgegeben wurde, daß im Gegentheil das Wesen und die Geschichte der Kirche, ihre Bestimmung und ihr eigenes Interesse sie auf eine Aussöhnung mit geschichtlichen Thatsachen, wie die Bildung des einigen italienischen Staates, hinweisen. Den letzteren Nach¬ weis kann man als in Curci's Buche vollständig geführt erachten, da die an¬ geführten Beispiele beweisen, daß in andern ganz ähnlichen Fällen die Kirche Wohl oder übel mit ihren Gegnern sich verständigt und auch bedeutende Ein¬ schränkungen ruhig ertragen hat. Damit ist der weitere Beweis geliefert, daß das unversöhnliche Verhalten der Curie unter Pius IX. unberechtigt und ein Fehler war, was ja auch durch specielle und innere Gründe bestätigt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/223>, abgerufen am 09.11.2024.