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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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manu in den Niederlanden vergeldstagt, dann nach kurzer Lehrthätigkeit an
der Handelslehranstalt von Amthor in Gera sich als xsrsona minus Zrata er¬
wiesen, den 70er Krieg als sächsischer Offizier einige Monate mitgemacht, und
aus Gründen, die hier gleichgültig sind, 1872 oder 1873 unfreiwillig seinen
Abschied aus der Armee erhalten haben. Zugleich sehen wir einen Herrn
Ferd. Worthmann auftauchen als mitleitendes Haupt bei der Riesenarbeit des
großen Nationalwerks, welches unter dem Titel des Jllustrirten Conversations-
lexicons von Otto Spamer der großen Anhäufung älterer Cliches und ge¬
meinverständlicher Abhandlungen, über welche diese Verlagshandlung verfügte,
ungeahnte Quellen des Absatzes und der Verwendung eröffnete. Dann begann
wieder ein Herr Ferd. Worthmann ein beglückendes Wanderleben im Dienste
der "Volksbildner", der kaufmännischen Vereine, Bildungsvereine !c. -- denen
er, gleich groß als Knlturkenner wie als Staatswirthschafter, etwa 60 Themen
gleichzeitig zur Verfügung zu stellen pflegte -- er erwählte sich in Basel und
anderwärts, so lange es ging, ein verhältnißmäßig festes Dominik als Sprach¬
lehrer :c. und nun hält sich ein Herr Dr. Worthmann ausreichend vorbereitet,
über den "Propheten des neuen Reichs", so wie oben im Auszug mitgetheilt,
zu Gericht zu sitzen.

Aber wir weisen alle Einwände zurück, die aus der Person und Ver¬
gangenheit des Verfassers entnommen werden könnten. Wir wollen uns nur
an die Sache halten: Wir wollen demgemäß nur untersuchen, welche Vorwürfe
Herr Dr. Worthmann nach seinem Dafürhalten sachlich Treitschke zu machen
hat, und wie er sie begründet.

Natürlich richten sich alle diese Vorwürfe, wie schon der Titel der Broschüre
besagt, gegen die Treitschke'sche Schrift "Der Socialismus und seine Gönner"
und deren Nachtrag, den Offenen Brief an Schmoller über "Die gerechte
Vertheilung der Güter." Die Vorwürfe, welche Herr Dr. Worthmann mit heiligem
Ernste gegen Treitschke erhebt, sind die folgenden:

Erstens soll Treitschke "in seinen Aufsätzen gegen Schmoller" einmal ge¬
sagt haben: "Ein freier Geist ist immer froh, wenn er sich um das Geld
uicht zu kümmern braucht." Bleiben wir hier einen Augenblick stehen.
Herr Dr. Worthmann behauptet, Treitschke habe diesen Satz geschrieben "in
seinen Aufsätzen gegen Schmoller." Treitschke hat aber zunächst nur
einen Aufsatz gegen Schmoller geschrieben, den "Offenen Brief" und
in diesem Aufsatze findet sich der von Herrn Worthmann citirte Satz
nicht, Er findet sich aber auch nicht in den beiden Aufsätzen: "Der Sozialismus
und seiue Gönner." Hier entsteht also sofort die Frage: hat der Herr Dr. Worth¬
mann die Schriften überhaupt gelesen, die er bespricht, oder citirt er etwa
Treitschke nur in der Verballhornung, die ihm von Schmoller zu Theil ge-


manu in den Niederlanden vergeldstagt, dann nach kurzer Lehrthätigkeit an
der Handelslehranstalt von Amthor in Gera sich als xsrsona minus Zrata er¬
wiesen, den 70er Krieg als sächsischer Offizier einige Monate mitgemacht, und
aus Gründen, die hier gleichgültig sind, 1872 oder 1873 unfreiwillig seinen
Abschied aus der Armee erhalten haben. Zugleich sehen wir einen Herrn
Ferd. Worthmann auftauchen als mitleitendes Haupt bei der Riesenarbeit des
großen Nationalwerks, welches unter dem Titel des Jllustrirten Conversations-
lexicons von Otto Spamer der großen Anhäufung älterer Cliches und ge¬
meinverständlicher Abhandlungen, über welche diese Verlagshandlung verfügte,
ungeahnte Quellen des Absatzes und der Verwendung eröffnete. Dann begann
wieder ein Herr Ferd. Worthmann ein beglückendes Wanderleben im Dienste
der „Volksbildner", der kaufmännischen Vereine, Bildungsvereine !c. — denen
er, gleich groß als Knlturkenner wie als Staatswirthschafter, etwa 60 Themen
gleichzeitig zur Verfügung zu stellen pflegte — er erwählte sich in Basel und
anderwärts, so lange es ging, ein verhältnißmäßig festes Dominik als Sprach¬
lehrer :c. und nun hält sich ein Herr Dr. Worthmann ausreichend vorbereitet,
über den „Propheten des neuen Reichs", so wie oben im Auszug mitgetheilt,
zu Gericht zu sitzen.

Aber wir weisen alle Einwände zurück, die aus der Person und Ver¬
gangenheit des Verfassers entnommen werden könnten. Wir wollen uns nur
an die Sache halten: Wir wollen demgemäß nur untersuchen, welche Vorwürfe
Herr Dr. Worthmann nach seinem Dafürhalten sachlich Treitschke zu machen
hat, und wie er sie begründet.

Natürlich richten sich alle diese Vorwürfe, wie schon der Titel der Broschüre
besagt, gegen die Treitschke'sche Schrift „Der Socialismus und seine Gönner"
und deren Nachtrag, den Offenen Brief an Schmoller über „Die gerechte
Vertheilung der Güter." Die Vorwürfe, welche Herr Dr. Worthmann mit heiligem
Ernste gegen Treitschke erhebt, sind die folgenden:

Erstens soll Treitschke „in seinen Aufsätzen gegen Schmoller" einmal ge¬
sagt haben: „Ein freier Geist ist immer froh, wenn er sich um das Geld
uicht zu kümmern braucht." Bleiben wir hier einen Augenblick stehen.
Herr Dr. Worthmann behauptet, Treitschke habe diesen Satz geschrieben „in
seinen Aufsätzen gegen Schmoller." Treitschke hat aber zunächst nur
einen Aufsatz gegen Schmoller geschrieben, den „Offenen Brief" und
in diesem Aufsatze findet sich der von Herrn Worthmann citirte Satz
nicht, Er findet sich aber auch nicht in den beiden Aufsätzen: „Der Sozialismus
und seiue Gönner." Hier entsteht also sofort die Frage: hat der Herr Dr. Worth¬
mann die Schriften überhaupt gelesen, die er bespricht, oder citirt er etwa
Treitschke nur in der Verballhornung, die ihm von Schmoller zu Theil ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/194>, abgerufen am 01.09.2024.